FILMPROJEKT AUS PRENZLAUER BERG

Zwei konträre Welten

Wir Menschen in Prenzlauer Berg. Rund 165.000 sind wir inzwischen, mit allerlei Sprachen, Herkünften – und Wünschen und Ideen, wo wir hinwollen. Viele von uns arbeiten auch hier und machen den Stadtteil zu ihrem Thema. Heute: Alina Podschun, die sich selbst Nachwuchs-Filmemacherin nennt.

Da wollen junge Menschen einen Kurzfilm machen. Sie machen das Vorhaben online und via social media öffentlich, ersammeln über Crowdfunding das Low-Budget und unterstützen nebenbei soziale Projekte. Das könnte selbst das Sujet für einen Kurzfilm sein. Ein Kurzfilm über einige von uns, die wir in Prenzlauer Berg leben und arbeiten. Ist es aber nicht, es ist die derzeitige Geschichte von Alina Podschun und ihrer Crew. Der Film heißt „Metanoia“ und bespielt eine vermeintlich völlig andere Lebenswelt als die des Prenzlauer Berges. Drehstart ist in wenigen Wochen, im Frühjahr. 

Berlin Prenzlauer Berg Metanoia
Dreht einen Kurzfilm zum Thema Sekten: Alina Podschun (rechts) mit ihrem Team.

Alina Podschun lebt im Bötzow-Kiez. Sie führt bei diesem Filmprojekt Regie und schrieb das Drehbuch. Podschun studiert an der Humboldt-Universität Neurowissenschaften, „mit dem Berufsziel Regie“, erzählt sie am Telefon. Sie schreibt bereits Drehbücher, assistiert an den Filmsets anderer. Ihr erster Kurzfilm entstand 2016 in München. Jetzt also „Metanoia“ – ein Film zum Thema Sekten. Über eine Freundin sei sie auf dieses Thema gestoßen, erzählt Podschun. Deren Freundin sei in einer Sekte. „Ich war fasziniert von diesem Weltunterschied, wollte wissen, was dahinter steckt.“ Also recherchierte sie gemeinsam mit der Freundin weiter, führte Gespräche und war erstaunt darüber, wie viele Menschen es gibt, die in Sekten sind oder waren oder Menschen aus Sekten kennen. Auch in Prenzlauer Berg.

 

AUS DER EINSAMKEIT

Was treibt Menschen dazu, sich geschlossenen Gruppierungen anzuschließen? Gruppen, die oft mit Gehirnwäsche, rigiden Vorschriften und der völligen Abgrenzung zu anderen Lebenswelten agieren? Die die Individualität und Selbstbestimmtheit ihrer Mitglieder auslöschen? Es gibt unzählige Erfahrungsberichte ehemaliger Sektenmitglieder, die die Innenwelten dieser Gemeinschaften beschreiben. Und: wie schwer es ist, den Ausstieg zu finden.

Gründe für den Einstieg gibt es viele, sagt Podschun nach ihren Recherchen. „Uns interessiert vor allem die Einsamkeit. Die Einsamkeit von Menschen, für die eine Sekte ein Kollektiv ist, in dem sie Halt finden“. „Uns“, das ist ihre Crew, darunter die Autorin Vicy Oesterle, mit der sie das Drehbuch schrieb und die Produzentin Thea Herrmann, die derzeit Filmwissenschaft an der Freien Universität studiert. Bei „Metanio“ klingt die Flucht aus der Einsamkeit beispielsweise so: „Ich habe Spaß, ich bin immer mit Leuten zusammen, die für mich da sind.“, sagt Sophie, eine der beiden Protagonistinnen des Films. 

Metanoia Berlin Prenzlauer Berg
Rosa Landers und Kara Edenberg, die beiden Darstellerinnen von „Metanoia“.

„Kein Alkohol, kein Sex, kein Spaß, oder was?“ wird sie zuvor von Ronja, der zweiten „Metanoia“-Protagonistin gefragt. Das ist der Plot: Die beiden jungen Frauen ziehen zusammen. Introvertiertes Sektenmitglied die eine; lebenslustige Anarchistin die andere. Im Miteinander-Leben und -Kennenlernen tauschen sie schließlich die Rollen, jede immer mehr angezogen von der Lebenswelt der anderen. „Wir beziehen uns auf keine konkrete Sekte, denn wir wollen nicht bewerten oder verurteilen. Wir wollen die Hintergründe beleuchten, die Menschen in eine Sekte treiben“, sagt Podschun und spricht damit aus ihrer psychologischen Sicht. „ja, die spielt bei mir eine große Rolle“, antwortet sie auf die Frage, ob ihr das Studium den theoretischen Hintergrund fürs Filmemachen liefere.

 

MIT LOW BUDGET

Gedreht wird mit Low-Budget. Ausstattung, Locations, Technik richten sich danach, wieviel Geld „Metanoia“ über Crowdfunding zusammenbekommt. „Wir wollen gern in Prenzlauer Berg drehen“, sagt Podschun. Mal schauen, ob das Budget für locations im Stadtbezirk am Ende reicht. Die Crew samt Schauspielerinnen, Kameramann, Maskenbildnerin ist komplett. Sie alle machen den Film unentgeltlich. So ist auch der Trailer entstanden – 50 Sekunden, in denen wir den Protagonistinnen in ihren entscheidenden Momenten begegnen – und der einen kurzen Einblick in die hermetische Welt der Sekte von Sophie gibt.

Die Welt der Film-Crew hingegen ist eine ganz andere. Ein Großteil des Teams lebt in Prenzlauer Berg, hat sich über gemeinsame frühere Arbeiten kennengelernt. Andere wurden gecastet. 

Metanoia Berlin Prenzlauer Berg
Halt in der Gruppe und im Gebet: Szenenausschnitt von „Metanoia“. Fotos (3): metanoia

MITTENDRIN IM LEBEN

Über ihren Stadtteil kann Alina Podschun ebenso begeistert erzählen wie über ihr Filmprojekt. Sie ist aus München nach Berlin in den Bötzow-Kiez gezogen: „Das komplette Gegenteil. Hier gibt es einfach eine große Offenheit und Nachbarschaftlichkeit. JedeR kann machen, was sie oder er will, doch man hält zusammen.“ So empfinde sie ihren Kiez als „vergrößertes Zuhause“. Und will auch etwas für ihn tun. Teil des Filmprojektes ist, Päckchen mit Pflanzensamen zu verteilen, damit daraus Bienenpflanzen wachsen. Die Filmcrew unterstützt auch die Organisation „Helfen Wollen“, die Kleidung für Obdachlose herstellt.

„Metanoia“, der 15minütige Kurzfilm, soll auf entsprechenden Festivals gezeigt werden – und in einem eigens angemieteten Kino. Alina Podschun arbeitet dann möglicherweise bereits an einem neuen Film – oder bereitet sich auf ihren Studienabschluss vor.  

-al-,  Jan. 2020

Mehr: metanoia-movie.com