UMWELT-BIBLIOTHEK

Aus der Vogelperspektive

Es waren couragierte Menschen, die vor genau 35 Jahren in der Zionskirche die Umwelt-Bibliothek gründeten. Eine visionäre Gruppe des Widerstands. Eine Veranstaltungsreihe aus der Vogelperspektive erinnert in diesem Frühjahr und Sommer an die ökologischen Dissidenten.

 

Die Umwelt-Bibliothek im Keller des Pfarrhauses der Zionskirche war von 1986 bis 1990 ein bedeutender Treffpunkt der oppositionellen Umwelt- und Friedens-Bewegung der DDR. Die Bibliothek arbeitete nach 1990 weiter und wurde 1998 aufgelöst. Junge Umweltschützer:innen gründeten die Bibliothek, gefördert von Zionskirch-Pfarrer Hans Simon. Auslöser der ökologischen Initiative war u.a. der Reaktorunfall im Kernkraftwerk Tschernobyl im Jahr 1986. Neben dem öffentlichen Angebot an Büchern und Zeitschriften zu Fragen des Umweltschutzes, zu Frieden und Gerechtigkeit druckte die Gruppe die innerkirchlichen „Umweltblätter“, auch die Untergrund-Zeitschrift „grenzfall“. Die „Umweltblätter“ kritisierten damals unverhohlen das Ausmaß der Umweltzerstörung und die Auswirkungen für Mensch und Tier. Ihre Herausgeber:innen riskierten mit ihren Aktivitäten ihre Freiheit und ihr Leben.

Seit Mai diesen Jahres erinnern Veranstaltungen und Ausstellungen an den 35. Jahrestag der Gründung der Bibliothek. Der Bogen der Festreihe, die bis Ende August läuft, reicht dabei von historischen Einblicken, Führungen und Filmen bis hin zu Ausflügen in die urbane Gegenwart. 

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Gedenken an die „Umwelt-Bibliothek“: Auch Fotografien von Roland Behrmann, die zwischen 1970 und 1980 in der DDR entstanden, gehören zum Jubiläumsprogramm. Foto: Roland Behrmann.

In diesem Monat ist so zum Beispiel eine Ausstellung zum Förderverein der Zionskirchgemeinde zu sehen. Dessen Gründung jährte sich im vergangenen Jahr zum 20. Mal, auch mit dem Ziel, die Erinnerung an die Umwelt-Bibliothek und die Kirche als Ort der DDR-Opposition lebendig zu halten. „Dieser Ort, mitten in Berlin, soll erhalten und gestaltet werden als lebendiger Mittelpunkt im Viertel, als Kirch- und Gemeinderaum und als Kultur- und Veranstaltungsraum.“, so beschreibt es der Verein.

Die ökologische Tradition der Umwelt-Bibliothek nehmen Führungen auf, u.a. am 19. Juni. Beate Witzel vom Berliner Stadtmuseum stellt kleine und große Mitbewohner:innen zwischen Mauerstreifen und Zionskirche vor und beleuchtet ihre Anpassungen an das Leben in der Großstadt. Ein Schwerpunkt liegt auf den sichtbaren Zeichen des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und Menschen. 

Am 5. Juli unternimmt dann Umwelt-Bibliothek-Mitbegründer Carlo Jordan eine historische Führung unter dem Titel „Der Weg zur Umwelt-Bibliothek“. Der ehemalige Bauleiter und spätere Mitbegründer der ostdeutschen Grünen berichtet über die Stasi-Razzia 1987 und die Mahnwachen in und vor der Zionskirche, die zu ungeahnten Solidarisierungen mit den Verhafteten führten. Jordan schildert die Vorgänge um die Umwelt-Bibliothek als Beispiel für einen erfolgreichen, friedlichen Widerstand.

In einem Ausstellungsprojekt „Als wir noch nichts voneinander wussten“ geht Susanne Schirdewahn ab Juli der Frage nach, wie wir unsere Umwelt durch den eigenen Filter unserer Vorstellung verarbeiten. Als roten Faden der Ausstellung benutzt Schirdewahn Video-Bänder, mit denen sie andere Wesen und Gestalten schnürt und vor eine gemalte Kulisse setzt.

Über den gesamten Zeitraum zeigt die Gemeinde einen Film über Pfarrer Hans Simon, der 2020 starb. „Raum geben“ porträtiert den mutigen Kirchenmann und beleuchtet seine Beweggründe, der Umwelt-Bibliothek eine Heimstatt zu geben.

red, Juni 2021

Mehr auf: www.umwelt-bibliothek.org