PLÄTZE DER ERINNERUNG (V)

Einsteinpark: Alles relativ oder Visionen mit 26 verschiedenen Perspektiven?

„Orte der Erinnerung“ hieß in dieser Zeitung, Mitte der 90er-Jahre, eine Artikelserie über historische Friedhöfe in Prenzlauer Berg. Der Autor Thomas Kuhr knüpft daran an: „Plätze der Erinnerung“ beschreibt Orte, die sich im Laufe der Zeit von ihrer ursprünglichen Planung entfernt haben und neu gedacht wurden. 

In der August-Ausgabe dieser Zeitung wurden das ehemalige alte Königstor (1701-1746) und neue Königstor (1810-1866/69) in einem erwähnt. Die Königsstadt, amtlich das so genannte Königsviertel, reichte 1701 bis 1831, vom ehemaligen Paradeplatz und Platz vor dem (alten) Königstor, Teil des heutigen Alexanderplatz, zum Bernauer Tor/Bernauisches Thor (ca. 1770-1810); dem späteren neuen Königstor. Mit dem im Mittelalter genannten Rennweg. Die spätere Bernauer (Land)Straße. Ab 10.04.1810 Neue Königsstraße. 1966 benannt in Hans-Beimler-Straße und seit 01.11.1995 Otto-Braun-Straße. Als Verlängerung der ehemaligen König(s)straße in Mitte. Vorher auch Oderberger Straße und Georgenstraße. Die heutige Rathausstraße als Fußgängerzone. 

Ab dem heutigen Platz am (neuen) Königstor (1910/14 bis 1975 und ab 1991 so benannt) liegt seit 1831 in nördlicher Richtung, ab1920 mit der Bildung von Groß-Berlin, teils die König(s)stadt (u.a. die heutigen Quartiere Winsviertel und  Bötzowviertel) bis zur Ortsteilgrenze nach Weißensee. Dorthin führt, bis zur Lehder- bzw. Gürtelstraße, die ehemalige Bernauische Landstraße, ab 1803 Chaussee nach Weißensee, ab 1850 Vor dem Königs-Thore und ab 12.10.1868 (seit 1892 mit heutiger Länge) die Greifswalder Straße (auch Straße nach Greifswald). Benannt nach der Hansestadt Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. In einer eiszeitlichen Rinne, einem Flussbett. Im Mittelalter als Fernhandelsweg genutzt. Mit Teil von einer der ältesten und der längsten Bundesstraße (B2) in Deutschland. 

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Entwurf Peter Zumthor 1996 mit Änderungen von Thomas Kuhr 2016

Von 1718 bis ca. 1894 wurde das Areal Greifswalder Straße, Storkower Straße, Kniprodestraße und Michelangelostraße, als ehemalige Hufen/Äcker der Familie Bötzow, für Getreide- und Gemüseanbau sowie als Standort von Windmühlen genutzt. Heute befindet sich dort, am nordöstlichen Rand vom Prenzlauer Berg, ein typisches „DDR“-Plattenbauwohnhausgebiet. Ungewöhnlich für den überwiegenden Altbauanteil im Ortsteil. Vor 1990 jedoch attraktiver als Wohnungen mit Ofenheizung, Außen-WC, ohne Bad und dunklen Hinterhöfen. Inmitten der vielen Freiflächen liegt der Einsteinpark. 1998 nach dem Physiker Albert Einstein (geb. 14.03.1879 in Ulm, gest. 18.04.1955 in Princeton-USA) benannt. Um diesen Platz, mit dem Buchstaben C im Planquadrat Abt. XIII1 der Blockstruktur vom Hobrecht-Bebauungs- und Stadtplätzeplan von 1862, war/ist Bebauung vorgesehen. Die derzeitige Bausubstanz soll, u.a. auf den Freiflächen zur Michelangelostraße, mit bis zu 2.500 Einheiten Wohnungsneubau nachverdichtet werden. Bei der überwiegenden Mehrheit der AnwohnerInnen stößt das geplante Vorhaben jedoch auf erheblichen Widerstand und Ablehnung. Aufgrund des z. Zt. hohen Wohnungsdefizits in Berlin komplett nicht nachvollziehbar. Zudem für diesen Standort eine geringe Aufwertung m. E. anzustreben ist. Die derzeitigen städtebaulichen Entwürfe und der relativ überschaubare Planungsprozess können, mit Modelcharakter/Vorbildfunktion und Musterhäusern, für weitere behutsame sowie herausfordernde Nachverdichtungen, und stets gewünschte/erforderliche Siedlungsneubauten, für Groß-Berlin dienlich sein. 

Beispielsweise für die geplante Bebauung der Elisabethaue. Ein gut erreichbares Gebiet mit vielfältigen Naherholungsmöglichkeiten, in dem eine innovative Wohnsiedlung, mit bis zu 10.000 Wohnungen, entstehen kann. Mit Gebäuden deren wirtschaftliche Traufhöhe bis zu ca. 35 m betragen sollte. Nicht nur Townhäuser oder „Wohnen im Würfel“. Und keine „Arbeiterschließfächer“, so genannte Großwohnsiedlungen, wie z. B. in Marzahn. Der Anschluss mit ÖPNV kann über eine Verlängerung der U8 vom Märkischen Viertel oder mit der, seit ca. 1930 geplanten, U10 vom Alexanderplatz über Greifswalder Straße, Weißensee, Malchow, Blankenburg und Rosenthal bis Schildow erfolgen. Die o. g. Neubauten an der Michelangelostraße und Kniprodestraße würden mit einer zusätzlichen Straßenbahntrasse angebunden. Kurios, befremdlich und nicht zeitgemäß sind fortwährende Fragen zu Konzepten der Verkehrserschließung und Pkw-Stellplätze. Positiver wären z. B. Fahrgemeinschaften/-dienste zu Einkäufen, Schule, Sport, REHA, Ärzten usw. Insbesondere für Heranwachsende und den hohen Anteil von Senioren. Im Sinne von „Public Private Partnership“ sind kontinuierliche Bürgerbeteiligungen mit einem Quartiers- und Facility-Management wichtig. Kreative Visionen sollten den Realitäten stets große Schritte voraus sein.

Thomas Kuhr (Text und Foto), Sep. 2016