BÜRGERINITIATIVE

Schönhauser für Menschen

Flaniermeile Schönhauser? Die neue Bürgerinitiative „Stadt für Menschen“ will eine lange diskutierte Idee wahr machen, zumindest für ein paar Stunden: Ein Stück Schönhauser Allee, das allein den FußgängerInnen gehört. Pünktlich zum Tag der Verkehrssicherheit.

 

Es klingt so selbstverständlich wie visionär: Eine Stadt ist für die Menschen da. Wenn sie das menschliche Maß respektiert, sagt Jan Gehl, dann ist sie lebenswert. Der dänische Stadtplaner, der seine Heimat Kopenhagen zur lebenswertesten Stadt der Welt umbaute, nennt die Kriterien des menschlichen Maßes: Viele Kinder und viele Alte auf der Straße. Sein Konzept hat er vor einigen Jahren im Band „Städte für Menschen“ veröffentlicht.

Schönhauser Allee Berlin Prenzlauer Berg
Wem gehört die Schönhauser? Eine neue Initiative plant Aktionen für FußgängerInnen. Foto: al

„Stadt für Menschen“ heißt nicht zufällig eine junge Berliner Initiative, die eben das schaffen will: Eine Stadt, die von den FußgängerInnen her denkt und lebt. Zum Beispiel auf der Schönhauser Allee. Stadtplaner Gehl hatte vor einigen Jahren vorgeschlagen, den Bereich vor den Schönhauser Allee Arcaden zum Fuß-Bereich zu machen, zum verkehrsberuhigten Ort des Flanierens und Verweilens. Der Autoverkehr sollte vom Shopping Center weg auf die Gegenfahrbahn verlegt werden. 

Während sich die Stadtpolitiker mit diesem Gedanken noch nicht so recht anfreunden konnten, greift „Stadt für Menschen“ ihn nun auf. Am 15. Juni, dem Tag der Verkehrssicherheit, will sie mit einer Aktion vor den Arcaden präsent sein, möglicherweise mit einer temporären Fußgängerzone. Mit einer ähnlichen Aktion gab die Initiative zum Jahreswechsel in Mitte ihre Premiere. Ein Teil der Friedrichstraße war zwei Stunden lang für den Autoverkehr gesperrt. Stattdessen gab es auf der Fahrbahn Spaziergänge, Gespräche, Asphaltmalerei. „Dass Menschen die Fahrbahn zur Flaniermeile erobern“, so die Aktiven, soll in diesem Jahr nicht nur auf der Schönhauser Allee geschehen. Auch Teile von Unter den Linden oder der Museumsinsel sollen zeitweilig stillgelegt und neu belebt werden. Mit öffentlichen Lesungen beispielsweise.

Der Schönhauser Allee tut eine phantasievolle Fußgänger-Eroberung gut, sei sie zunächst auch nur für ein paar Stunden. Was an der vielbefahrenen und -frequentierten Magistrale bisher in Sachen Lebensqualität geschah, gleicht eher Flickwerk. Ein detailliertes Konzept lässt auf sich warten. Immerhin gibt es seit einigen Wochen die ersten Parklets, von Holzzäunen umgrenzte frühere Parkplätze. Jeweils zwei Pkw-Stellflächen werden so in Orte für Fußgänger und Radfahrer verwandelt. Sie haben Haltestangen für Räder und sollen Sitzbänke für zu Fuß Gehende bekommen. Fünf Parklets werden bis zum Herbst 2019 auf diese Weise erprobt, u.a. direkt am Bahnhof Schönhauser. Dort sollen in diesem Jahr auch neue Fahrradständer installiert werden, die für mehr Ordnung der Zweiräder sorgen. Möglicherweise animieren die zusätzlichen Abstellflächen ein paar Menschen, aufs Rad umzusteigen. Mit verschiedenen Aktionen versuchen auch Geschäftsleute seit einiger Zeit, ihre Kunden per Rad zum Shoppen zu locken. 

An der Zahl der Kinder und alten Menschen auf der Straße erkennt man die Lebensqualität einer Stadt, sagt Stadtplaner Jan Gehl. Die junge Initiative „Stadt für Menschen“, ein Bündnis Engagierter aus unterschiedlichen Bereichen, nennt es: „Leben auf die Straße bringen.“

- al-, Feb. 2019