Unbekannte Ecken in Prenzlauer Berg (5)

Hinterm Steuerhaus

Noch bis in die Mitte der 1970er-Jahre hinein stand Landsberger Allee (damals Leninallee) Ecke Oderbruchstraße stadteinwärts rechts und somit auf dem Gebiet des Prenzlauer Berg, ein kleines, verfallenes Häuschen, das größer als eine Gartenlaube war, allein schon deshalb, weil es zweite Etage hatte, aber dennoch von der Grundfläche her eher winzig wirkte. Gemauert war es aus weißen Ziegeln.
Für mich, als jemand, der in Hohenschönhausen an der Konrad-Wolff-Straße (damals Berliner Straße) aufwuchs, begannen als Heranwachsendem alle Wegerklärungen von Muttern mit den Worten „Du fährst mit der Linie 63 bis hinters Steuerhaus ...“
„Am Steuerhaus“ gabelte sich stadtauswärts die Landsberger Allee. Nach rechts in die Karl-Lade-Straße ging es mit der Straßenbahn (Linie 69) nach Lichtenberg. Nach links quietschte die Straßenbahn (Linie 63 und 64) nach Hohenschönhausen. Geradeaus fuhr auf der Landsberger Allee, die damals ab dieser Gabelung nur eine kleine Chaussee mit nur einer Fahrspur pro Richtung und rechts und links von riesigen Kleingartenanlagen gesäumt war, nach Marzahn bis Ende 1972 der O-Bus der Linie O 30 = Ostring 30. Mit dem Aufbau der Wohngebiete in Lichtenberg wurde ab Mitte der 70er-Jahre die Landsberger Allee auf den heutigen Stand ausgebaut und der O-Bus-Verkehr eingestellt.
Das „Steuerhaus“ markierte bis zur Gründung von Groß-Berlin am 1. Oktober 1920, bei der Berlin sich seine Vororte eingemeindete, die Zoll- und Stadtgrenze der Reichshauptstadt. Beim Ausbau der Landsberger Allee verschwand dieses Steuerhaus.
Bis zum Umbau der Landsberger Allee in den 70ern sah auch der gleichnamige S-Bahnhof noch vollkommen anders aus. Die Straßenbahn hielt direkt auf der Brücke, der Zugang dorthin erfolgte über einen breiten Zebrastreifen. Rechts im Zugang zum Bahnhof waren kleine Geschäfte und eine Bockwurstbude untergebracht. Als Bahnhofsgebäude kenne ich noch das alte aus gelbem Backstein aus dem Jahr 1894/95 und auch das neu aufgebaute aus Beton und Glas aus dem Jahr 1968. Der Bahnhof besitzt seit Mitte der 70er-Jahre leider kein Empfangsgebäude mehr. Im Kultfilm „Die Legende von Paul und Paula“, DEFA 1973, kann man, wenn man es weiß, diese alte Straßenbahnhaltestelle mit dem Bahnhof „hinterm Steuerhaus“ sehen.
Rolf Gänsrich (März 2014)