VERLAGE IN PRENZLAUER BERG (3)

Von großen Bands und kleinen Lesebühnen

Die Hauptstadt durch die Hintertür entdecken Verena Maria Dittrich und Thomas Stechert in ihrem Buch.
Die Hauptstadt durch die Hintertür entdecken Verena Maria Dittrich und Thomas Stechert in ihrem Buch.

Die Büchermacher – sie sitzen mittendrin in Prenzlauer Berg. Zahlreiche Verlage haben ihren Standort im Bezirk. Politische Entdeckungen, wissenschaftliche Erkennt­nisse und kulturelle Kuriositäten erobern von hier aus die Lese-Welt. Ein innovatives und geistvolles Kapital, das eher im Stillen wirkt. Die „Prenzlberger An­sich­ten“ stellen die Prenzl­berger Bücher­macher und ihre Bücher vor. Heute: „Schwarzkopf & Schwarzkopf“ und „Peri­pla­neta“.

Die beiden Literatur-Unternehmen trennt nahezu eine Verleger-Generation. Ein Wendekind ist das eine, ein Sprössling des 21. Jahr­hunderts das andere. Bis Anfang der 90er Jahre zurück reichen die Wurzeln von „Schwarzkopf & Schwarzkopf“, die damals noch nicht so hießen und erste Bände in Leipzig verlegten. Mit dem Umzug nach Berlin, der Namensgebung und der Herausgabe des ersten farbigen Graffiti-Bandes in Deutschland beginnt 1994 die Erfolgsgeschichte unter dem Label „Schwarzkopf & Schwarzkopf“. „Zum ersten Mal rannten uns die Buch­händler die Bude ein, weil die Bücher sich schneller verkauften, als wir sie drucken konnten“, erinnert sich Verleger Oliver Schwarzkopf an jene Zeit, als „Spray City“ erschien.
Die Geschichte seines Verlages ist damit eine dieser deutschen Nachwende-Geschichten: Ambitionierter Intellek­tu­el­ler beginnt in den Freiräumen nach dem Mauerfall mit der Herausgabe von Büchern, setzt sich durch, etabliert sich, findet seinen Markt und seine Leser­schaft. Heute erscheinen bei „Schwarz­kopf & Schwarzkopf“ mit Sitz auf der Kastanienallee etwa 100 Bücher jährlich. Der Verlag beschäftigt 25 Mita­rbei­ter. Konzernunabhängig ist er geblieben, darauf ist er besonders stolz.

Hauptstadtpaar und Hauptstadtsex: Nina Engel gibt Tipps für ein erfolgreiches Liebesleben. Fotos (2): Schwarzkopf & Schwarzkopf
Hauptstadtpaar und Hauptstadtsex: Nina Engel gibt Tipps für ein erfolgreiches Liebesleben. Fotos (2): Schwarzkopf & Schwarzkopf

Bei „Schwarzkopf & Schwarzkopf“ erscheinen Sachbücher zu populären The­men in Medien und Politik, Beruf, Alltag und Jugend, auch Biographien und Bildbände. Das Unternehmen hat eine Reihe mit Literatur für Frauen und eine Reihe mit erotischer Literatur. Einige der „Schwarzkopf“-Bücher schafften es auf die „Spiegel“-Bestseller-Liste, etwa das wunderbare Fotobuch „Die Ärzte“  über die gleichnamige deutsche Band oder, ganz aktuell, der Titel „Schantal, tu ma die Omma winken“ von Kai Twilfer, eine humorvolle Beschreibung des Alltags einer „Unterschichten-Familie“.
Berlin und Prenzlauer Berg spielen im Verlagsprogramm eine kleinere Rolle. Bereits 2011 erschien etwa der Band „111 Gründe, Berlin zu lieben“. Die beiden Autoren Verena Maria Dittrich und Thomas Stechert zeigen darin die die un­zähligen Facetten Berlins aus einem sehr persönlichen Blickwinkel. In 111 kleinen Geschichten durchstreifen sie die einzelnen Bezirke abseits von Tou­ristenwegen. 
Ein Berlin-Buch ganz anderer Art ist der aktuelle Titel „Auf die Plätze, fertig, Sex!“. Nina Engel erzählt darin authentisch und augenzwinkernd „von einem Pärchen, das auszog, um mehr Spaß im Bett zu haben“ und schildert 33 Sex­perimente zum Nachspielen für alle Paare.
Seit 1996 sitzt „Schwarzkopf & Schwarz­kopf“ auf der Kastanienallee und fühlt sich mittendrin in Prenzlauer Berg pudelwohl, wie Pressefrau Ulrike Bauer berichtet: „Der Standort ist urban und zentral. Viele Trends kann man direkt vor der Haustür entdecken.“ Kurz sind die Wege für die Mitarbeiter, kurz die Wege der Autoren in den Verlag. Denn viele de­rer, die für „Schwarzkopf & Schwarz­kopf“ schreiben, wohnen direkt um die Ecke.

Hintersinnige Alltagsgeschichten erzählt Lea Streisand. Foto: Periplaneta
Hintersinnige Alltagsgeschichten erzählt Lea Streisand. Foto: Periplaneta

Ein Stück weiter draußen, auf der Born­holmer Straße, hat sich 2007 der „Peri­planeta“-Verlag angesiedelt. Auch für die beiden Gründer Marion Alexa Müller und Thomas Manegold war und ist der Standort entscheidend: „Der Prenzlauer Berg war, als Periplaneta gegründet wurde, noch das kreative Zentrum dieser Stadt. Wir haben damals wohl einen der wenigen Plätze gefunden, wo so etwas heute noch erwünscht ist. Einfach mal Glück gehabt.“, so Thomas Manegold. Der Verlag ist ein Kind des Berlins im neuen Jahrtausend: Crossmedial, alternativ und selbstbewusst, mit Lesebühne und Poetry Slam und dem starken Willen, sich dem Mainstream entgegenzustellen. Dazu braucht es neben dem Selbst­­bewusstsein auch viel Idealismus. „Periplaneta“ und seine Mediengruppe unterhalten ein Literaturcafe zum Selberlesen und Zuhören, veranstalten stadtweit Lesebühnen und Konzerte und betreiben ein Studio. Das „Silbenstreif“ hat sich auf die Produktion von Hör­büchern spezialisiert.
Im Verlagsprogramm erscheinen verschiedene Editionen mit Romanen und Erzählungen, mit Fantasy und Märchen, mit Lesebühnentexten und jungen Formaten. Ganz neu ist eine Sach­buch­reihe. Bekannte Berliner Lesebühnenau­to­ren und -autorinnen schreiben für „Periplaneta“, für den Berlin auch inhaltlich ein Thema ist. Etwa in Lea Streisands zweitem Band „Berlin ist eine Dorfkneipe“. Das Buch mit Audio-CD vereint Geschichten aus dem sogenannten Großstadtalltag: Ironisch und philosophisch, klug und hintersinnig. Ganz anders thematisiert Robert Rescue die Hauptstadt. In seinem aktuellen Buch „Der Intimitätendieb“ schickt er Hexen und andere magisch-ironische Wesen durch die Weddinger Nächte.
 ✒ -al- (Jan 2014)
Zum Weiterstöbern: www.schwarzkopf-verlag.net, www.periplaneta.com