STADTBAD ODERBERGER

Es wird wieder gebadet

Zeitung Prenzlauer Berg Nachrichten
Wieder schick und mit Wasser: Seit Mitte Oktober kann in der Oderberger Straße wieder geschwommen werden. Foto: Promo

Das Stadtbad Oderberger Straße ist wieder ein Stadtbad, zumindest teilweise. Nach 30 Jahren kann im Denkmal an der Oderberger Straße wieder geschwommen und getaucht werden – Sauna und Spa inklusive. Nahezu fünf Tage die Woche, sonst ist die Schwimmhalle Event-Location. Ein- und Rückblicke in eine typische Prenzlauer-Berg-Geschichte.

 

Türkis. Ein wunderbares Türkis, das dem Becken auch ganz ohne Wasser seine Bade-Atmosphäre verleiht. Ein wenig Südsee-Flair in Prenzlauer Berg schafft dieses Türkis. Die steinernen Säulengänge und Emporen drum herum rahmen es ins Kaiserliche. Still und erhaben. Wären da nicht der modrige Geruch und die Kälte – die typischen Begleiter von lange leerstehenden Gebäuden.

Geschichte. Nicht das Türkis, doch der modrige Geruch und die Kälte sind Geschichte. Das Stadtbad Oderberger Straße riecht, wie ein Bad des 21. Jahrhunderts riechen soll: ein wenig nach Chlor. Der Raum ist angenehm warm. Die Wassertemperatur liegt bei 22 Grad. Seit Mitte Oktober kann wieder gebadet werden – nach genau 30 Jahren.

 

Schwimm- und Eventbad

Es ist eine eigenartige Geschichte um dieses Stadtbad. Typisch Berlin, typisch Prenzlauer Berg einerseits. Andererseits: Doch irgendwie einzigartig. Das Schwimmbad, dies vorab zur Gegenwart, ist kein komplettes Schwimmbad. An fünf Tagen in der Woche kann in der Regel hier für einige Stunden gebadet werden – 20 Meter lang sind die Bahnen, 1,45 Meter tief das Becken. Den Rest der Zeit ist das Bad Event-Location. Das Wasser wird in ein darunterliegendes Becken abgelassen, das Türkis der Beckenfliesen abgedeckt. Übrig bleibt der Raum mit den Kaiserlichen Säulen und mit typischer Schwimmbad-Akustik. Zu mieten für Hochzeits- und Familienfeiern, Firmenanlässe oder Filmpremieren. Wer schwimmen gehen will, sollte sich vorher auf der Schwimmbad-Homepage über die Öffnungszeiten des Bades informieren.

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Wieder schick und mit Wasser: Seit Mitte Oktober kann in der Oderberger Straße wieder geschwommen werden. Foto: Promo

Das Volksbad

Doch nun zur Geschichte der einstigen Volksbadeanstalt: Der Architekt Ludwig Hoffmann konzipiert es Ende des 19. Jahrhunderts für den rasant wachsenden Bezirk Prenzlauer Berg – ein Komplex mit vier Innenhöfen im Stil der Deutschen Renaissance. Die mangelhafte Ausstattung der Wohnungen mit sanitären Einrichtungen und die hygienischen Zustände um die Jahrhundertwende machen den Bau dieser öffentlichen Badeanstalt notwendig. 1902 wird das Stadtbad eröffnet. Mit dem Schwimmbecken, mit kleinen Kabinen mit Duschen oder Badewannen. Vor allem die Proletarier-Männer des Prenzlauer Berges waschen sich hier nach der Arbeit, so erzählt es eine Prenzlauer Berger Überlieferung.

Die beiden Weltkriege übersteht das Bad ohne größere Schäden – und immer noch wird es zum Schwimmen, zum Waschen und Baden genutzt. Bis zum Jahr 1986. Risse im Boden des Schwimmbeckens, unter den türkis leuchtenden Fliesen, machen die Schließung des Bades notwendig. 1994 werden auch die Wannen- und Duschbäder geschlossen. Der Saunabetrieb im Keller, das letzte Überbleibsel des Bades, wird 1997 eingestellt.

Mit der Schließung des Beckens beginnt eine weitere Geschichte, die mit viel Idealismus, mit Kunst und Aufbruchsgeist startet und damit endet, dass aus den Dusch- und Badekabinen Hotelzimmer und Unterrichtsräume werden.

 

Das künstlerische Labor

Das Stadtbad verfällt. Türkis leuchten die Fliesen, doch der Geruch nach Moder und die Kälte ziehen ein. Bereits kurz nach der Schließung formiert sich eine Bürgerinitiative – mitten in der DDR – die das Schwimmbad wieder zu einem Schwimmbad machen will. Es ist die gleiche Bürgerinitiative um Bernd Holtfreter, die den legendären Hirschhof unweit des Bades zu einer grünen kulturellen Oase macht. Im Hirschhof, der ursprünglich ein alter, brachliegender Hinterhof war, treffen sich nach seiner Begrünung ab 1985 Künstler und Intellektuelle und feiern Feste und reden frei – mitten in der DDR. 

Beim Stadtbad Oderberger Straße dauert es etwas länger. Ab 1994 veranstaltet die Initiative hier Kultur, plant die Sanierung und Wiedereröffnung als Schwimmbad mit Wellness-Bereich. Die Zeit vergeht, das Stadtbad Oderberger Straße füllt sich mit Kunst. Ausstellungen, Theater, Performances, Konzerte lassen das türkisfarbene Schwimmbecken zu einer Bühne werden. Filmfirmen drehen in der immer morbider werdenden Kulisse Krimis und Love-Stories. An den einstigen Badebetrieb erinnern Führungen zum Tag des Offenen Denkmals oder Performances aus den rostigen Badewannen der Waschräume. 

Der kulturelle Betrieb, ursprünglich begonnen, um die laufenden Kosten für das Gebäude bis zur Sanierung zu decken, schiebt sich in den Vordergrund. Denn das Geld für den Bau, viele Millionen Euro, bleibt aus. Im Jahr 2000 gründet sich aus der Bürgerinitiative eine Genossenschaft, die dem Land Berlin das Bad abkauft und es gemeinsam mit der Stiftung Denkmalschutz sanieren will. Die Pläne platzen, weil zugesagte Landesgelder nicht kommen. Zurück bleiben die Kultur und der zunehmende Geruch nach Moder. 

 

Trockenschwimmen

Im Jahr 2007 ist auch mit der Kunst Schluss, offiziell. „Trockenschwimmer“ heißt das Festival, das noch einmal alle Bade- und Schwimm- und Trockenorte des alten Baudenkmals bespielt, an die Badeanstalt erinnert und an die Utopie eines neuen Bades. Weil Genossenschaft und Stiftung Denkmalschutz ohne Fördergelder die Auflagen des Wiederaufbaus nicht erfüllen können, erhält das Land Berlin das marode Bad zurück. Es verfällt weiter.

Im Jahr 2011 schließlich kauft es die Berliner Unternehmerin Barbara Jaeschke und macht aus dem Stadtbad Oderberger Straße Stück für Stück ein wieder belebtes Bauensemble. Mit Sprachenschule und Hotel, nun auch mit einem Schwimmbad an einigen Tagen in der Woche. Jeden Dienstag gibt es zudem Führungen durch das Bad und seine Geschichte.

-al-, Oktober 2016