KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM

... und haute dem ins Kreuz rein ...

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Der sitzende Junge von Werner Stötzer an der Erich-Weinert-Straße

Seit geraumer Zeit sammle ich Eindrücke über den Knaben oder Jungen, der nackt und entblößt, auf seinem Platz, an dem Platz ohne Namen sitzt, um ihn herum helle Steinquader zum Sitzen, Toben, Turnen, Weinflaschen abstellen, Schlafen, manchmal am Morgen scheint noch der Abdruck eines Hinterns auf den vergessenen Pappen verblieben. 

 

Hier sitzt er also, der Junge, den Werner Stötzer vor nunmehr 60 Jahren, 1956, erschuf. Später hat er ihn beschrieben, ich blätterte Anfang dieses Jahres in der Galerie Leo.Coppi in der Auguststraße bei der Ausstellung: Werner Stötzer - Zerstören und Finden, in einigen Katalogen. Dieser war zur damaligen Zeit Meisterschüler der Akademie der Künste und studierte bei Gustav Seitz (1906-1969) und inoffiziell bei Waldemar Grzimek (1918-1984), nicht ohne Krisen und großen Unsicherheiten, ob diese künstlerische Berufswahl sein Weg sein soll. Zu dem Zeitpunkt als diese Skulptur entsteht, ist Werner Stötzer 25 Jahre alt. Ein Ausstellungskatalog, hrsg. von Ursel Berger zitiert ihn:..."saß ich vor dem Jungen der modelliert und abgegossen war. Stinklangweilig. Ich kriegte eine große Wut, eines Sonnabends. Dann nahm ich ein Beil, in der Wut hatte ich auch was getrunken, und haute dem ins Kreuz rein. Der Kopf fliegt hoch und schaut so nach oben. Das habe ich dann gelassen. ... Und dann kam eine Ausstellung in der ich den Jungen zeigte, und da stand im ND oder irgend einer anderen besonderen Zeitung, daß der Junge zum Sputnik hochguckt. Das war herrlich. Das ist der zum Sputnik guckende Knabe."

 

Über 10 Jahre fragte ich mich, egal aus welcher Perspektive man den Jungen nun sieht und seinen Blick nach verfolgt, wo sehen die Augen hin. 

 

Phantastisch. Sputnik ist russisch. "Begleiter", der Satellit umkreiste auf der seiner Umlaufbahn die Erde. Sputnik 1 ist am 4. Oktober 1957 vom damals sowjetischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan gestartet und insgesamt 92 Tage auf seiner Erdumlaufbahn geblieben. Zitiert aus: http://www.br-online.de/kinder/fragen-verstehen/klaro/lupe/2007/01982/

 

Toll, nach ca. 1 Jahr bekam dieses Abbild eines Kindes seinen Namen, wurde getauft und blickt nun der Geschichte hinterher.

Meine Geschichte dreht sich um Kindergespräche mit und um diese Figur und mir fehlt der Hinweis ab wann genau sitzt dieser Knabe auf dem Platz zwischen Erich-Weinert/ Naugarder/Hosemannstr.? 60 Jahre insgesamt noch nicht? Dazu befrage ich ab und an Anwohner oder Menschen auf der Straße, die mir erscheinen, als ob sie diese Antwort für mich bereit hielten. Gestern sah ich eine ältere Dame, sie entpuppte sich als aufrechte 88jährige Pankowerin mit einem wunderschönen eleganten langen dunkel-lila gewebten Mantel, und ich befragte sie nach kurzem Plaudern. "Nein,Sie wisse es nicht, aber sie sei bekannt mit Winkler. Sie erinnert an Skulpturen in Pankow, an Projekte alter Zeiten und ehe ich mich versah, eine wundersame Akkordeonmusik lag noch in meinen Ohren, war der Moment einer Begegnung schon wieder verflogen, ein Windhauch wirbelt kleine Blätter auf und die Geschichte geht weiter.

Astrid Düerkop (Text und Foto), Jan. 2017