ARNIMKIEZ

Nö für Malmöer

Eigentlich sollte doch langsam Ruhe auf dem Immobilienmarkt Prenzlauer Berg eintreten, so ist zu meinen. Mietpreisbremse, Vorkaufsrecht, Milieuschutzgebiete – das Land Berlin in Gestalt des Bezirksamtes Pankow hat genügend Mittel in der Hand, um MieterInnen-Verdrängung zu verhindern. Eine Initiative im Nordischen Viertel rund um die Malmöer Straße muss eine andere Geschichte erzählen: Die Chronik einer beunruhigenden Verkaufsgeschichte.

Es beginnt viele Monate vor den Berliner Sommerferien, doch die heiße Phase liegt dann mitten im Juli. Die fünf Gebäude in der Malmöer Straße 12 und 15, Paul-Robeson-Straße 27 und 27a und in der Czarnikauer Straße 11 sollen den Besitz wechseln. Zunächst ist von Zwangsversteigerung die Rede, später von üblichem Verkauf – diffuse Nachrichten, die die 150 MieterInnen der Blocks im Nordischen Viertel beunruhigen. Dann erfolgt der Verkauf, und die Menschen fühlen sich vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Sorge macht sich breit: Sanierung, Mieterhöhung? Was wird nun folgen? Schon vorab wenden sich die BewohnerInnen an das Bezirksamt, bitten um Klärung und ums Ausüben des Vorkaufsrechtes. Dieses Recht kann der Bezirk in Anspruch nehmen, um Immobilien – und damit die MieterInnen – der Spekulation und der Verdrängung zu entziehen. Es ist auch ein Druckmittel: Mit diesem Recht kann der Bezirk potenzielle neue EigentümerInnen zudem dazu bringen, eine sogenannte Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Die Interessierten dürfen kaufen, verpflichten sich indes, die Ziele des Milieuschutzes einzuhalten – also: keine Luxussanierung mit steigenden Mieten, keine Umwandlung in Eigentumswohnungen etc.

 

ANMAHNEN DER BÜRGER/INNEN-RECHTE

Im Falle der fünf Häuser, deren MieterInnen sich zur Initiative „rauswurfen“ zusammengefunden haben, kommt keines dieser Mittel zum Tragen, obwohl sie sich bereits Monate zuvor an den zuständigen Pankower Stadtrat Vollrad Kuhn gewandt hatte. „Trotzdem hat er uns weder eingebunden noch sachdienlich informiert. Wir BürgerInnen wurden unseres Mitbestimmungsrechtes bewusst beraubt; auch unser Handlungsspielraum wurde uns damit genommen - ein mehr als verstörendes Verständnis von verantwortungsvoller sozialer Politik für einen gewählten Volksvertreter!“ schreibt deswegen die Initiative Anfang Juli an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller mit der Bitte um Hilfe. 

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„Malmö sagt Nö!“ – Rund 150 BewohnerInnen im Skandinavischen Viertel wehren sich gegen der Verkauf ihrer Häuser. Foto: al

Da liegt einem von ihnen ein Antwortschreiben des Bezirksstadtrates vor. Leider sei es nicht gelungen, die „Wohnungen....dem gemeinwohlorientierten Wohnungssektor zuzuführen.“ Ein Vorkaufsrecht sei geprüft worden, KandidatInnen dafür angefragt worden, doch, so Kuhns Antwort: „Für alle drei Grundstücke haben die beauftragten Verkehrswertgutachten die sehr hohen Kaufpreise trotz des bestehenden Sanierungsaufwandes bestätigt. Leider haben alle angefragten potentiellen Dritten (zwei kommunale Gesellschaften sowie eine Genossenschaft) aus Gründen fehlender Wirtschaftlichkeit einen Kauf abgelehnt.“ Kuhns Schreiben endet mit dem lapidaren Hinweis, dass „...für mindestens 12 Jahre Schutz vor Eigenbedarfskündigung“ bestünde.

 

BERLINS GROßINVESTOR

Wer erhielt zum Kaufpreis von 15 Millionen Euro diese drei Grundstücke mit ihren fünf Objekten? Die skandinavische Skjerven Group für den Großinvestor Heimstaden. Diese tritt als Kaufinteressentin auch andernorts in Berlin auf, u.a. in Mitte. Dort ist mithilfe der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo das Vorkaufsrecht für ein Haus mit 55 Wohnungen und drei Gewerbeeinheiten ausgeübt worden. In Prenzlauer Berg verweigerte die Skjerven Group indes sogar eine Abwendungsvereinbarung – nun hat der Bezirk keinerlei Mittel des Schutzes mehr. Mitte Juli folgt die Nachricht über den erfolgten Verkauf. Auch der Senat greift nicht ein, trotz des dringenden Appells der BewohnerInnenschaft: „Lieber Herr Müller, erhalten Sie die angestammte Bürgerschaft im Prenzlauer Berg, wir gehören zu den selten gewordenen Mietshäusern mit heterogenen MieterInnen, mit zum Teil jahrzehntelangen Mietverträgen.“

 

WOHNUNGEN NICHT IM SCHLUSSVERKAUF

Die Malmöer BewohnerInnen geben ungeachtet der bisherigen Erfolglosigkeit nicht auf: „Verkauft ja, leider aber nicht an eine landeseigene Wohnungsgesellschaft, aber wir machen weiter und werden ein anständiges Miteinander zwischen neuem Eigentümer/Vermieter und Mieterschaft, wenn nötig, beständig einfordern und uns weiter vernetzen und organisieren.“ posten sie in den sozialen Medien. Auf ihrem instagram-Kanal „rauswurfen“ lässt sich die Chronik des ungeklärten Auf und Ab nachvollziehen: „Wenn IKEA den Knut-Tag feiert, ist das ok. Wenn es aber um MieterInnen und einen schwedischen Investor geht, sehen wir das ganz anders! Wir wollen nicht rausfliegen! Wir wollen bleiben - so bunt gemischt wie bisher. Das macht den Kiez aus!“ steht da Anfang Juli. Und: nur wenige Tage vor dem Verkauf: „Also wir würden auch „JA“ sagen, falls sich ein/e Investor/in mit Herz finden würde. Ist auch ehrlich gesagt ein Schnapper: 2600€/m2 im Prenzlauer Berg. Immobilien sind auch die einzig wahre Geldanlage in unsicheren Zeiten wie diesen! Also wer hat 15 Millionen Euro verfügbar und will sozial verträglich mit der Mieterschaft umgehen? Oder kennt jemand so jemanden? Dann schnell weitersagen, der SALE endet schon nächste Woche.“

-red-, Aug. 2020