„Komm und Sieh“ steht da in großen Lettern an der Stadtmission in der Malmöer Strasse. Und ich ging und sah. Vorgeschichte.
Der Anruf eines Bekannten erreichte mich am Nachmittag. „Hör mal, ich hab da was gehört. Am Rande des Prenzlauer Berg´s. So ein Grundstücksverkauf. Hier will die Stadtmission ein
kleines Filetgrundstück, auf dem sone interessante alte Baracke steht, verkaufen.“ Interessant auf jeden Fall, denn man sollte dazu wissen, so erfuhr ich es dort, dass es diese Baracke
seit Jahrzehnten in sich hat. Sie hat Berliner Geschichte geschrieben. Sei es als Notlazarett im zweiten Weltkrieg. Dann Gnadenhaus und sogar ein paar Jahre als Berlins einzige, erhaltene
Barackenkirche. Und nun gebietet dort seit Jahren ein soziales Projekt den Respekt der Prenzlberger. Schwer zu Beschäftigende und Ehrenamtliche führen da, unter der Schirmherrschaft
der Stadtmission, ein Trödelladenlager. Zweimal wöchentlicher Abverkauf. Natürlich will die Stadtmission mit Ihren Grundstücken Geld verdienen. Aber jede Lücke im Prenzlauer Berg
zuzumauern? Da kriegt doch der Name Prenzlauer BERG eine seltsame Doppeldeutigkeit. Steine, Steine, Steine. Kleine, krumme, vom Wind zerbissene Bäume und karge Grasflächen. Irgendwo in
der Höhe, vielleicht ein unter Naturschutz stehendes Enzianpflänzchen.
Allerdings hier, ist die Rede von der Berliner Stadtmission. Ein Verein unter Kirchlichem Segen. Nebenbei ist es seit Jahrzehnten ein Treffpunkt für das umherwohnende Volk. Es gibt ja nicht nur Gewinner in einer Gesellschaft. Und diesen Menschen zu helfen ist wohl das Anliegen der Stadtmission. Deswegen soll jetzt dieses Grundstück in der Malmöer Str. 4 bis 6 verkauft werden. Aus Kostengründen. Und dann kann man wieder Gutes tun. So hat es das wohl das Kuratorium entschieden. Hier nun, mal zur Info, Aufbau und Regularien des Vereins.
„Das Kuratorium beschließt alle Vorgänge von grundsätzlicher Bedeutung. Dies betrifft vor allem Finanz- und Grundstücksangelegenheiten, sowie Weiterentwicklungen in den Arbeitsbereichen der Stadtmission.Das Kuratorium sorgt für die Umsetzung der Beschlüsse der Mitgliederversammlung und überwacht die Geschäftsführung des Vorstands. Zur Wahrnehmung der Aufgaben bildet das Kuratorium Ausschüsse.Es ist Vorgesetzter des Vorstands (nicht aber der übrigen Mitarbeiter)Es berät den Vorstand bei seiner Arbeit und kontrolliert seine Geschäftsführung.Es beschließt die Aufnahme und den Ausschluss von VereinsmitgliedernEs beschließt über Gründung und Aufgabe von Gesellschaften sowie Beteiligung an ihnen und nimmt die Aufgaben der Gesellschafterversammlungen wahr.“ (Zitate aus der Homepage der Stadtmission).
Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die Herrschaften reden gern mit sich selbst. Immerhin. Die Stadtmission unterhält, nach Aussagen Ihrer Pressesprecherin, 80 Projekte. Nun ist so eine, mittlerweile, sehr große Organisation nicht frei von Gerüchten. Und da einer der Geschäftsführer des Vereins, zuständig für Finanzen, Herr Zwick, nachweisbar kein Kommunikationsgenie ist, kommt es zu Verstimmungen. Also murrt das Volk und vermutet. Wir alle haben noch den Chef der Treberhilfe im Hinterkopf, der ja, wie wir heute wissen, die größeren Beträge nur aus Prestigezwängen mit dem Maserati abgeholt hat. Allerdings hat dieser Trebertyp auch was geschaffen. Und ob nun alles nur schlecht war,…sei dahingestellt. Fehlendes Fingerspitzengefühl? Auf jeden Fall. Aber er war ein Kommunikator. Na gut, Herr Zwick will auch schaffen. Er muss schaffen. Großes schaffen. Große Zahlen. Er lenkt ja einen Industriebetrieb, mit einer einflussreichen Bedürftigkeitslobby in den oberen Etagen der Gesellschaft. Also spricht er wohl eher mit den Zahlen und den Zahlenmachern und nicht mit den, oh Gott - schnell drei Kreuze, den Anwohnern oder vielleicht gar mit den Betroffenen. Soviel Nächstenliebe währe dann wohl doch zuviel verlangt? Als den Anwohnern die Gerüchte um die Zukunft der Kiezfreundlichen Einrichtung zu viel wurden, fragten Sie bei ihm nach. Die im wohl harschen Ton vorgetragenen Antworten fanden sie sehr unbefriedigend und Sie gingen auf die Straße. Denn Sie wollten nicht eines Tages Achselzuckend vor einem Betonklotz stehen. Was war noch mal Demokratie? Das kam doch von diesen Griechen. Bedeutet doch „Die Herrschaft des Volkes – Demos kratia „. Ihr erinnert Euch? Ab wann tut es Not, das Engagement? Ein paar Anwohner der Malmöer Straße befanden: „Jetzt !“ und engagierten sich. Stellten Fragen: „Wohin dann mit all den Beladenen und Schwachen der Gesellschaft? Werden die von den neuen Investoren mitgekauft? Und was ist mit den Angestellten? Ja den Dreien, die da für nur 400 € im Monat und befristeten Jahresverträgen arbeiten. Entschuldigung, beschäftigt werden. Die Anderen sechs machen das ehrenamtlich. Bekommen die dann endlich anständige Gehälter?“ Wohl eher nicht. Trotzdem, die Leute im Laden sind freundlich und zuvorkommend. Diese, von der Gesellschaft eigentlich verratenen Menschen. Die schaffen da in dieser Unvollkommenheit der Bretterbude eine Atmosphäre der Geborgenheit und Nähe. Diese Leute schaffen menschliche Wärme. Das schafft kein Neubau.
Am 18. März, Presse und Fernsehen vor Ort. Die Berliner Abendschau hinterfragt bei der Sprecherin der Stadtmission Frau Wohlwend: „Keine Gnade für das Gnadenhaus?“ Die Antwort ist ein Abriss bejahendes NEIN. Aber die anderen Antworten der Pressesprecherin sollen hoffen lassen. „Sie können mich zitieren!“ Gut, mach ich. „Zwei junge Investoren stehen bereit, und diese wollen hier behindertengerechte Wohnungen, Ateliers und Geschäfte entstehen lassen. Auch die Mieten sollen erschwinglich und das Haus als solches wird natürlich nach den neuesten ökologischen Erkenntnissen gebaut.“ Na toll. Klingt das nach Informationen die man verstecken muss? Bei solchen Ansprüchen würde es doch nur Lob und Beifall hageln. Also her mit den jungen Investoren. Gebt uns die Namen damit wir sie lobpreisen können. Ihnen Teppiche ausrollen können, für soviel Engagement. Aber mal ehrlich … Ist das nicht ein bisschen zu schön? Denn prüfbare Beweise gibt es keine. Weder wurden die angeblich so engagierten Investoren benannt, noch gab es irgendetwas, vielleicht einen Entwurf des Hauses, zu sehen. Ebenfalls bleibt der Kaufpreis im Dunklen. Herr Zwick, Sie, hallo, jetzt mal Butter bei die Fische. Die Anwohner wollen doch nur wissen, für wie viel Euro Sie, nach dem Verkauf des Gnadenhofes, wieder Gnade walten lassen können? Bei einem guten Projekt schadet doch Offenheit nicht. Und eine gute Nachbarschaft ist ihnen gewiss. Die achten aufeinander. Selten in Berlin. Doch, wie es bis jetzt so steht, werden sich die Anwohner der Malmöer Straße kaum mit den bisherigen wagen Versprechen zufrieden geben. Noch ist keine Tinte auf dem Vertrag. Und gibt es denn überhaupt eine Baugenehmigung? Dann muss es doch auch einen Plan geben. „Könnten wir den mal einsehen?“ werden Sie fragen.Aber sei es wie es sei. Die Anwohner werden weiterhin Gewissheit suchen. Denn noch haben sie eine kleine Oase vor der Tür. Und die wollen sie behalten. Und den alten, dicken, aber gesunden, Baum auch. Vielleicht wächst ja auf ihm ein Enzian?
✒ Kapaulke (Apr 2011)