Brauereien in Prenzlauer Berg (12/12)

Schneider Brauerei und Schweizer Garten

Auf dem Gelände Am Friedrichshain 29 bis 32, direkt hinter der Greifswalder Str. 23, wurde bereits vor 1867, wann genau, lässt sich den mir vorliegenden Unterlagen leider nicht entnehmen, eine Trinkhalle und eine Kegelbahn im Lokal „Schweizer Garten“ auf einem lang gestreckten ehemaligen Ackergrundstück, direkt gegenüber zum damals schon existierenden Volkspark Friedrichshain (angelegt 1846 – 1848) eingerichtet. 

 

Nach 1867 kam eine Restaurationsküche hinzu, sodass warme Speisen wie zum Beispiel Eintöpfe, aber auch Kaffee angeboten werden konnten. Nach und nach entwickelte sich dieser Kaffee- und Biergarten zum Vergnügungspark mit eigenem Orchester, einem Konzertgarten, offenen Hallen und dem Anbau eines Tanz- und Konzertsaals. Im Jahr 1887 übernahm das ganze Areal die Familie Schneider, die in den folgenden fünf Jahren den Bauten im „Schweizer Garten“ ein Sommertheater in Holzkonstruktion hinzufügte.

Die Brauerei Schneider wurde 1892 errichtet. Gebraut wurde ausschließlich obergäriges Bier, bei dem nach dem Brauvorgang die restlichen festen Bestandteile oben auf der Flüssigkeit schwammen. Vergleichbar dem Brauprozess bei heutigen Sorten wie Kölsch, Alt- oder den bajuwarischen Weizenbieren. Weil die Brauerei Schneider fast ausschließlich für den Eigenbedarf braute, hatte der Schweizer Garten sein, neumodisch ausgedrücktes eigenes „Craft-Beer“. Nur zweiundzwanzig Jahre später, im Frühjahr 1914, wurde der Brauereibetrieb bereits wieder eingestellt.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Eine der letzten tollen Ruinen in Prenzlauer Berg

Da sich der Schweizer Garten indes weiterhin großer Beliebtheit erfreute, übernahm 1921 der Pächter Willibald Paeschke dieses Etablissement und erbaute auf dem Gelände ein weiteres Restaurationsgebäude mit 730 Plätzen und einer sechzig Quadratmeter großen Bühne. In den Jahren 1924/25 wurden die bereits vorhandenen Gebäude nochmals erweitert und Filmvorführanlagen eingebaut. Einen echten, eigenständigen Kinosaal gab es jedoch nicht, sodass man davon ausgehen kann, dass hier eher, in Form von Jahrmarktsvorführungen, Klamaukfilme gezeigt wurden. In dem erweiterten eigenen Saalbau, nicht identisch mit dem legendären „Saalbau Am Friedrichshain“, fanden diese Vorführungen, aber auch Boxkämpfe statt. Ab 1938 nutzte die NSDAP das Areal für Propagandaveranstaltungen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das gesamte Gelände, bis auf das ehemalige Brauereigebäude, zerstört. Ironie des Schicksals: Dies ist die letzte mir bekannte erhaltene Weltkriegsruine in Prenzlauer Berg. Allerdings ist es nur von außen noch Ruine, innen ist alles saniert und es gibt Zentralheizung. Ein weit über die Grenzen Berlins bekanntes Tonstudio nutzt heute das Gebäude.

Nach 1945 wurden Teile der Brauereiruine durch eine Autowerkstatt, eine Kohlenhandlung für Lagerzwecke und als Heizzentrale genutzt.

Auf dem Grundstück des früheren Schweizer Gartens wurden in den 70er und 80er Jahren ein Kindergarten und mehrere Bürogebäude in Leichtbauweise errichtet. Ab 1997 kam es zu einer sanierungsrechtlichen Zwischennutzung für fünf Jahre. Ein Investor übernahm im Jahr 2000 das Gelände und wollte dort eine Sporthalle errichten. Zur damaligen Zeit war auch im Gespräch, die Ruine als Jugendclub und für die bestehende Kita zu nutzen. Auch sollte das auf dem Areal bestehende Kastanienwäldchen erhalten bleiben. So der Stand bei der Erstveröffentlichung dieses Artikels vor gut dreizehn Jahren. Seitdem ist alles anders gekommen. Im Jahr 2005 sprach man noch von „Am Schweizer Garten“, heute heißt es „Wohnanlage Prenzlauer Gärten“ und hat als Straßenbezeichnung „Am Schweizer Garten 1 – 75“. Das Areal ist 1,5 Hektar groß. Bebaut wurde das Gelände zwischen 2005 und 2008. Der Tagesspiegel wusste am 17.8.2008 zu berichten: „... Rund 60 Reihenhäuser und 40 Etagenwohnungen schmiegen sich um die rostrot asphaltierte Straße >Am Schweizer Garten<. Um das Dorf herum ist ein mannshoher Zaun gezogen, am Eingang gibt es ein Rolltor zum Abschließen und ein Pförtnerhäuschen. ...“

Rolf Gänsrich, Juni 2016