Sehenswürdigkeiten sind Ansichtssache

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Kopenhagener Straße

Das Brandenburger Tor, der Reichtag und der Alexanderplatz – ja, das sind die Wahr­zeichen Berlins. Aber sollten Be­su­cher unserer Stadt die Daheim­ge­blie­benen deswegen mit der zigsten Auf­nahme dieser bekannten Plätze langweilen? Berlin hat schließlich viel mehr zu bieten: Zum Beispiel den Prenzlauer Berg! Hier also ein paar Tipps für alle Touristen, die Berlin von einer anderen Seite kennen lernen möchten:

 

Wer den Prenzlberg besucht, kommt nicht um das Thema Gentrifizierung herum. Einer der ursprünglichsten Gegenden ist die Ecke Sonnenburger/Kopenhagener, hier wurde also noch nicht so viel gentrifiziert. Schon von der Brücke aus, die die Schönfließer mit der Sonnenburger verbindet, sieht man eine alte Ruine. Ein nicht ganz so heruntergekommenes, aber ebenfalls altes Gebäude prangt dann direkt rechts an der Kopenhagener: Ein mehrgeschossiger Klinkerbau mit streng funktionellen Formen der 20er-Jahre-Architektur. Die Fronten dieses ehe­maligen Umformwerkes sind betont glatt­flächig. Die zum Teil umrahmten Öffnungen und scharfkantigen Klinker­de­ko­rationen stehen dazu im Kontrast.

Zwischendurch wird die Straße aber auch wieder bunt – nicht nur wegen des farbenfrohen Anstrichs der Fassaden. Urban Gardening wird hier groß geschrieben. Vor einem Haus stehen so viele Pflanzen, dass man an dem Schau­fenster die Beschriftung „Blumenladen“ erwartet. Doch es steht dort „Anneli Ketterer – de crustate – offene Werk­statt“. Hier ist sozusagen Hopfen und Malz (nein, das ist ja Mais!) überhaupt nicht verloren. Ringelblumen, Malve und verschiedene Kräuter übrigens auch nicht. „Das hier ist quasi meine Blumen­klappe“, erläutert Ketterer schmunzelnd. „Immer wenn irgendwelche Nachbarn nicht wissen, wohin mit dem Grün, geben sie die Pflanzen bei mir ab.“

Sehr verändert hingegen hat sich in den vergangenen Jahren das Bötzowviertel. Doch die Polytechnische Oberschule (POS) ist geblieben. Seit 1910 steht dieser stattliche Baukomplex an der Böt­zowstraße 11. Der Architekt Ludwig Hoff­­mann hat ihn zunächst als Gemein­de­doppelschule erbaut. Heute kennt man die Schule eher unter dem Namen der kommunistischen Wider­stands­­kämp­ferin im Dritten Reich Käthe Niederkirchner.

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Kollwitzplatz

Nach einer anderen Käthe sind Kollwitz­platz und -straße benannt. Bis 1947 hieß dieser Ort noch Wörther Platz. Die Künstlerin Käthe Kollwitz lebte von 1891 bis 1943 in der Weißenburger Straße – inzwischen ist auch diese Straße nach ihr benannt. Und in der Nähe ihres Wohnhauses sitzt sie höchstpersönlich mitten auf dem Kollwitzplatz – als Bronzeplastik. Glücklich schaut die Dame nicht aus. „Der blockhaft-schwere, alles Nebensächliche meidende Aufbau und die Konzentration des Ausdrucks ganz auf das vom Leid des letzten Lebensjahrzehnts geprägte Antlitz der Künstlerin lassen die Plastik über das Persönliche hinaus zu einem der bedeutendsten Denkmäler gegen Faschismus und Krieg werden“, erläutert das Buch „Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR“ des Instituts für Denkmalpflege der DDR. Zwei Jahre vor ihrem Tod musste Käthe Kollwitz noch erleben, wie ihr Wohnhaus zerstört wurde – das Ende des Krieges allerdings erlebte sie nicht mehr.

Trotz des unglücklichen Gesichtsaus­drucks lieben gerade Kinder diese Sitz­figur. Zu groß ist die Versuchung, sich auf den Schoß der großen Plastik zu setzen.

Erwachsene, die gerne mal ihre Füße aus­strecken möchten, ziehen die zahlreichen Cafés und Restaurants in der Kollwitzstraße vor. Die vielen fünfgeschossigen Eckgebäude mit Verblend­mauerwerk und Stuckelementen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts bieten den passenden Anblick dazu.

Ebenfalls sehr schick und mit vielen klei­nen Läden gespickt ist der Helm­holtz­platz. Genau wie der Kollwitzplatz dient auch er als Schmuckplatz. „Aus dem Straßenraster ausgesparte Plätze sollten die Eintönigkeit und Dichte der Bebauung mildern“, heißt es in dem Buch „Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR“. 1898 bis 1899 wurde er als gärt­­nerische Schmuckanlage mit Spiel­bereichen gestaltet.

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Kastanienallee

Wer hingegen mehr auf Party steht, sollte sich ab 22 Uhr in Mauerpark, Kultur­brauerei und Umgebung aufhalten. Die ehemalige Schultheiß-Brauerei ist heute ein multikulturelles Zentrum des Prenzl­bergs, das neben diversen Diskotheken auch leckeres Essen, Theater, Kino und sogar einen Supermarkt beheimatet.

 

Der Name des Parks verrät es schon: Hier verlief die Berliner Mauer. Vom einstigen Todesstreifen zeugen nur noch wenige Überbleibsel. Inzwischen ist der Mauer­park in erster Linie eine beliebter Treff­punkt zum Sport treiben, für Flohmärkte und für lauschige, private Partys. „Nach dem Senatsbeschluss von 1992 sollte aus dem Ort der Trennung einer der Begegnung werden“, verrät „Der Archi­tektur­führer Berlin“ des Verlagshauses Braun. „Im darauf folgenden Wett­be­werb setzte sich ein minimalistisches Konzept durch, das die in der Einheits­epoche typischen Gartengestaltung vorwegnahm: Die siegreichen Hamburger Archi­tekten deuteten den Raum zwischen den Mietskasernenquartieren von Wedding und Prenzlauer Berg zur ‚Lichtung in der Großstadt’ um, deren Rückgrat die Schwedter Straße bildet, auf der seinerzeit die Mauer verlief.“

Ein kleiner, aber lohnenswerter Umweg zum Mauerpark ist übrigens die Kasta­nien­allee. Ähnlich wie in der Kollwitz­straße gibt es hier jede Menge Gelegen­heiten, seinen Hunger und seinen Durst zu stillen. An der Ecke Schönhauser kommt man an Konnopkes Imbiss vorbei. Besonders begehrt ist hier das Berliner „Nationalgericht“ Currywurst. Grundbedürfnisse de luxe beglückt in dieser Straße der Prater. Das Essen hier ist zwar teuer, aber auch reichlich und gut. Trotz der Preise muss hier niemand

hochnäsig-kredenzende Pinguin-Kellner befürchten. Und zu guter Letzt bietet das Prater-Logo auch ein schönes Motiv für die Daheimgebliebenen. Denn ein Foto des Wiener Wahrzeichens aus Berlin – das ist doch mal etwas Originelles!

Alexandra Wolff (Aug 2012)

... lebt seit Kurzem in Berlin und betrachtet für uns den Prenzlberg mit einem „Blick ohne Vergangenheit“.