NACHBARSCHAFT-ENGAGEMENT

Kiezfest für Späti

So etwas gibt es auch: Ein ganzer Kiez engagiert sich für seinen Späti. Weil der Mietvertrag des Ladens in der Raumerstraße 6 ausläuft, mobilisiert die Nachbarschaft im August ein Kiezfest – und begibt sich gemeinsam auf die Suche nach einem neuen Standort. 

Das muss ein Laden erstmal schaffen: Dass sich ein ganzer Kiez für ihn stark macht. Und das in Prenzlauer Berg, wo die Fluktuation von Einzelhandel und Gastronomie hoch ist. Der Spätverkauf in der Raumerstraße 6, den Özgür und Züleyha Simsek seit mehr als zehn Jahren betreiben, ist so ein fester Bestandteil des Helmholtz-Kiezes. „Kiezkultur bleibt!“ postulieren denn auch die AnwohnerInnen und machen mobil. Dass ihr Späti, ein laut Aktivistin Felicitas Fröbel „bekannter beliebter Nachbarschaftstreffpunkt“ vom angestammten Standort wegziehen soll, wollen sie nicht einfach so hinnehmen. Der Mietvertrag läuft zum Jahresende aus. Wegen eines Formfehlers und Diskrepanzen mit der Vermieterin soll er nicht verlängert werden. Der Grund: Im Mietvertrag fehlt die Adresse. Damit ist er – de jure – null und nichtig. Damit kann sogar eine vorzeitige Kündigung anstehen. Ein Riesen-Verlust für den Kiez; der Entzug der Existenzgrundlage für das Betreiber-Paar, das sogar einen Paketshop aufbauen wollte.

#Raumer6 #PrenzlauerBerg
„Unser Späti ist ein wichtiger Austauschort für die BewohnerInnen im Kiez.“ Für den Laden der Familie Simsek macht sich die Nachbarschaft stark. Repro: FF

„Es ist uns klar, dass es am aktuellen Standort keine Zukunft für den Späti gibt, jedoch möchten wir gemeinschaftlich einen neuen Standort finden und ein Zeichen setzen, sinnbildlich für den Erhalt eines bunten und belebten Kiezes und gegen Verdrängung.“, so Felicitas Fröbel. Und dafür plant die Nachbarschaft eine ganze Reihe von Aktionen. Zunächst: live und in echt: Ein Straßenfest am Samstag, dem 15. August, direkt am Helmholtzplatz/Lychener Straße. Von 14 bis 20 gibt es eine Kundgebung mit lokalen MusikerInnen und KünstlerInnen. Auch eine Petition für den Erhalt ist bereits online. „Kiezkultur erhalten – Späti Raumer 6 muss bleiben“ hat bereits kurz nach dem Start Mitte Juli knapp 500 Unterschriften – und soll der Vermieterin übergeben werden.

Tagtäglich, jeden Tag 20 Stunden, von acht Uhr am Morgen bis vier Uhr in der Nacht, haben die Simseks ihren Laden geöffnet. Hier kaufen Kinder ihre Süßigkeiten, springen Erwachsene am Wochenende schnell rein, wenn sie ein Stück Butter oder eine Packung Salz beim Großeinkauf vergessen haben. Vor allem ist der Späti Raumer 6 ein Begegnungspunkt, ein Ort des Austausches. Hier trifft sich die Nachbarschaft zum Plausch. Fröbel: „Gerade in der Corona-Zeit ist vielen Menschen noch einmal bewusst geworden, wie wichtig die echte Interaktion mit anderen Menschen für die eigene Glückseligkeit, das Wohlbefinden und gegen die Vereinsamung ist.“ Und dies funktioniert eben an besten an öffentlichen, zentralen Orten im Kiez. 

Gemeinsam wollen die NachbarInnen und KundInnen deswegen auch nach einem neuen Standort suchen. Und wollen mit ihrer Aktion ein Zeichen setzen, das weit über den Einzelfall des beliebten Spätis hinausreicht. Sie wollen auf das immer noch bestehende Problem der Verdrängung im Helmholtz-Kiez und in anderen Bezirken aufmerksam machen und, so Fröbel, „unsere Gemeinschaft grade zur aktuellen Zeit zu stärken.“

-red-, Aug. 2020

Kiezkultur erhalten! Nachbarschaftsfest für den Späti Raumer 6 am 15. August, 14 bis 20 Uhr, am Helmholtzplatz. Online-Petition für den Erhalt des Spätis Raumer 6: https://www.change.org/raumer6bleibt