Unbekannte Ecken (27)

James-Hobrecht-Straße

James Friedrich Ludolf Hobrecht, geboren am 31. Dezember 1825 in Memel, gestorben am 8. September 1902 in Berlin, ist wohl eine der Lichtgestalten in der Berliner Stadtentwicklung. Ihm haben wir den ersten systematischen Bebauungsplan, die Traufhöhe von 22 Metern und die Berliner Stadtentwässerung zu verdanken. Aber der Reihe nach.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Eine kleine, enge aber für den Wirtschaftsverkehr höchst wichtige "Gasse" ist die James-Hobrecht-Straße.

James Hobrecht wurde als Sohn eines Gutsbesitzers geboren. Im Jahr 1834 zog die Familie nach Königsberg um. Nach dem Abbruch seiner Schulausbildung 1841 begann er mit einer Geodät-Lehre (Geodäsie: Vermessungswesen). Er durchlief mehrere Examen und war bis 1847 mit Separationsarbeiten bei der Coeln-Mindener Eisenbahn beschäftigt. Während der Märzrevolution 1848 war er Beteiligter an der studentischen Bürgerwache im Berliner Stadtschloss. James Hobrecht studierte an der Berliner Bauakademie. Nach einer landwirtschaftlichen und Bauingenieurausbildung legte er 1858 die Wasser-, Wege- und Eisenbahnbaumeisterprüfung ab und wurde im selben Jahr als Regierungsbaumeister bei der damals für Baufragen zuständigen Königlichen Polizei (Baupolizei) angestellt. Ab 1859 wurde er Leiter der Kommission zur Ausarbeitung des Bebauungsplans der Umgebungen Berlins. Eine Inspektionsreise 1860 nach Hamburg, Paris, London und in andere englische Städte diente dem Kennenlernen des neuesten Entwicklungsstandes für das Vorhaben eines modernen Kanalisations- und Entwässerungssystems. Der von ihm maßgeblich entwickelte Bebauungsplan der Umgebungen Berlins, der sogenannte Hobrecht-Plan, sah als Fluchtlinienplan ein Konzept von Ring- und Ausfallstraßen für die Städte Berlin und Charlottenburg sowie umliegende Gemeinden vor. 1862 trat der Plan in Kraft, der bis heute eine Grundlage der Berliner Bebauungs- und Verkehrsstruktur bildet. Die Traufhöhe von 22 Metern geht auch auf diesen Plan zurück. Das hing mit der Straßenbreite von 22 Metern zusammen. Man wollte damit verhindern, dass ein Haus, das wegen einer Katastrophe umstürzt, nicht das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite beschädigen kann. Auch die Länge der Leitern der Feuerwehren wurden in der Folge an diese Traufhöhe angepasst.

Mit Unterstützung seines Bruders Arthur, der ab 1872 Berliner Oberbürgermeister war und des Arztes Rudolf Virchow wurde James Hobrecht 1869 mit der Umsetzung seiner Pläne einer Kanalisation für Berlin mit 12 Radialsystemen betraut. "Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft, wo nur selten was verpufft, pufft, pufft", diese Textzeile von Paul Lincke geht auf James Hobrechts Abwasserkanalsystem zurück. Dieses war indes von seiner Kapazität her so groß und vorausschauend gebaut, dass es der seitdem ja sehr gewachsenen Stadt noch immer genügt.

Neben Stettin und Berlin half er Potsdam und etwa 30 weiteren deutschen Gemeinden sowie Moskau, Tokio und Kairo bei der Abwasserbeseitigung. Zwischen 1872 und 1874 hatte Hobrecht auch einen Lehrauftrag an der Bauakademie inne. 1884 wurde er als Nachfolger von Carl Theodor Rospatt für zwölf Jahre als Stadtbaurat der Stadt Berlin für Straßen- und Brückenbau gewählt. Mit dem Bau von Ufermauern entlang der Spree zwischen Oberbaum und Unterbaum ermöglichte er die Schifffahrt durch die Berliner Innenstadt.

James Hobrecht sprach der bewussten sozialen Vermischung der Bewohner in Vorder- und Hinterhäusern, Keller-, Dach- und Beletagewohnungen eine gesellschaftliche Wirkung zu.

Nach dem Abbruch nicht denkmalgeschützter Gebäude auf dem ehemaligen Zentralviehhofareal an der Eldenaer Straße wurde eine der neu angelegten Straßen am 23. Oktober 2000 nach James Hobrecht benannt.

Rolf Gänsrich (März 2016)