ENTLANG DER BEZIRKSGRENZE (1)

Der Mittelpunkt des Prenzlauer Berg – Versuch einer Annäherung

Bevor ich Ihnen die ehemaligen Grenzen des einstigen Stadtbezirks Prenzlauer Berg nahe bringe, heute mal eine Folge außer der Reihe. Leser hatten angefragt.

 

Was ist denn nun der Mittelpunkt, das Zentrum des Prenzlauer Berg? Es gibt keines! Die organisatorische Mitte ist mit Sicherheit das Bürgeramt in der Fröbelstraße.

Welches Zentrum nehmen wir sonst? Den Lebensmittelpunkt? Den Straßenverkehrs-und-öffentlichen-Nahverkehrsmittelpunkt? Das wirtschaftlich/ökonomische – oder kulturelle Zentrum? Das Zentrum des Sports oder der Gesundheitsversorgung?

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Freundlich verwitterte Fassaden sind der Mittelpunkt des Prenzlauer Berg

Versuchen wir es mit der geografischen Mitte. Es gibt laut unterschiedlicher Suchmaschinen im Netz mindesten fünfunddreißig verschiedene Varianten der Berechnung eines geografischen Mittelpunkts. Danach ist der Prenzlauer Berg mal 7,3 km x 2,8 km lang, beziehungsweise breit, mal 3,85 km x 4,3 km (alles circa Zahlen).

Machen wir aus dem Prenzlauer Berg mal ein Quadrat, ziehen zwei Linien und da, wo sie sich kreuzen, legen wir einfach den Mittelpunkt fest.

 

Sie haben gewonnen!

Es ist die Ecke Danziger Straße / Greifswalder Straße, auf der Südwestseite der Danziger gelegen. Das Zentrum des Prenzlauer Berg liegt im Schatten, nicht nur wegen der hier grundsätzlich immer fehlenden Sonne, sondern auch im kulturellen Sinne. Die Wabe liegt schräg gegenüber im, sonnigen, Thälmannpark. Radfahrer mögen diesen Abschnitt der Danziger überhaupt nicht, wegen des fehlenden Radweges und wegen der vielen Autos. Kraftfahrer mögen diesen Abschnitt gleichfalls nicht, wegen der vielen Radler. Die Videothek an der Ecke, in der man nur lausigen Mainstream fand, ist durch einen Lebensmittelladen für das Nötigste ersetzt worden. Es fehlen insgesamt Gewerberäume. Wie sich die wenigen hier ansässigen Firmen halten, ist wohl den Firmen selbst ein Rätsel. Vermutlich ist Willy Bresch an der Ecke deshalb schon ab morgens um zehn Uhr geöffnet und wird besucht. Die Bäume überschatten den ohnehin schon schattigen, unattraktiven Gehweg weiter. Als das Gaswerk noch Kohle verkokste, musste man wenigstens einmal pro Woche die Fenster putzen, auf die sich wie Schimmel ständig neuer Kohlengrus absetzte. Heute verrußen garantiert feinstaubfreie Diesel und Reifenabrieb die Fenster.

An verwitterten Laternenmasten hängen wirre Botschaften wie „Babytrommeln mit Martin“, „Suche bezahlbare Wohnung hier im Kiez“ (haha!) oder „Geld verloren! Wer hat meinen Tausend-Euro-Schein gefunden?“ Grau und zum Teil abgeblättert sind auch die Fassaden der Häuser. Einzig bunter Farbtupfer ist die erotische Werbung unter der öffentlichen Uhr. Na wenigstens weiß man in der Mitte des Prenzlauer Berg immer, was die Stunde geschlagen hat.

 

Schreiben Sie mir per E-Mail an r.gaensrich@gmx.de , Betreff „Zentrum des Prenzlauer Berg“, bis zum 10. Juli, wo Ihr Zentrum des Prenzlauer Berg ist und warum es da ist. Ich werde versuchen, Ihre Zuschriften für die August-Ausgabe zusammen zu fassen. 

Rolf Gänsrich, Juli 2016