13. Februar: Volksbegehren über Wasserverträge

„Vollständige Offenlegung von Verträgen, Beschlüssen und Neben­abreden...“

13. Februar: Volksentscheid über das Berliner Wasser
13. Februar: Volksentscheid über das Berliner Wasser

Viele erinnern sich an jene Ver­sprechen, mit denen der Privati­sierungspolitik der Weg geebnet wurde: Mit dem Verkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge an private Investoren sollte alles besser, effizienter und preiswerter werden. Die Betriebskosten­ab­rech­nungen belehren uns eines besseren: Ob Strom-, Gas- oder Wasserpreise – die enormen Preissteigerung der letzten Jahre belasten Mieter und Eigen­tümer gleichermaßen. Die Verbraucher zah­len drauf, während die Privati­sie­rungsbefürworter satte Profite aus den Taschen der Verbraucher pumpen. Allein die Wasserpreise sind seid 2001 um 35% gestiegen. Mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe im Rahmen einer so genannten Öffentlich-Privaten „Partner“schaft fand 1999 die größte Teilprivatisierung innerhalb der EU statt. Für 1,68 Mrd. wurden 49,9 % der Wasserbetriebe über eine Holding AG an den Stromriesen RWE und den französischen Wasserkonzern VEOLIA verkauft. Natürlich werden solche Geschäfte juristisch abgesichert, zum einen durch das damalige Teilprivatisierungsgesetz, das später durch das Berliner Betriebegesetz ersetzt wurde, zum anderen durch vertragliche Vereinbarungen, die unter dem Sigel der Verschwiegenheit abgeschlossen wurden. Den Status TOP SECRET – STRENG GEHEIM kennen wir aus Spio­nage­filmen und vermuten strikte Ge­heim­haltung möglicherweise in der Terro­rismus­bekämpfung – aber im Bereich der Wasserversorgung?  Durch „Insider“, also Mitarbeiter der Senats­verwaltung, die selbst empört über die geheimen Vertragsinhalte sind, gelangten einzelne Passagen an die Öffentlichkeit. Aus diesen Passagen ging hervor, dass die privaten Investoren ihre Interessen, nämlich die Minimierung des unternehmerischen Risikos bei gleichzeitiger Zusicherung maximaler Rendite­garantien, die notfalls aus dem verschuldeten Landeshaushalt beglichen werden müssen, optimal absicherten! Und das in einem Vertrag mit einer unbefristeten Laufzeit! 

 

Licht ins Dunkel!

Um Licht ins Dunkel zu bringen und gleichzeitig die Voraussetzungen für eine kostengünstige, bürgernahe Aufhe­bung der Teilprivatisierung zu schaffen, ist ein Gesetzestext formuliert worden, mit dem die vollständige Offenlegung von Verträgen, Beschlüssen und Neben­abreden, die im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung stehen, erreicht werden soll. Die zweite Kernforderung des Gesetzes sieht vor, dass Rechts­do­kumente, die nicht offen gelegt werden, unwirksam werden. Die Zielsetzung des Gesetzes ist leicht verständlich und erschließt sich auf den ersten Blick: Was vor Bürgern geheim gehalten wird, dagegen kann sich niemand zur Wehr setzen. Erst die gesetzliche Offenlegung ermöglicht eine unabhängige und öffentliche Überprüfung aller  Ver­tragsdo­­ku­- ­mente auf ihre Rechtmäßigkeit.

Mit Hilfe der direkten Demokratie besteht die Möglichkeit, dass auch die Bevölkerung die Gesetzgebung ausüben kann. Allerdings sind die Hürden für ein verbindliches Volksgesetz sehr hoch! Immerhin: Die Hürde für das Volks­be­geh­ren konnte bewältigt werden. Nachdem über 320.000 Menschen mit ihrer Unterschrift das Wasser-Volks­begehren unterstützt haben, kommt es nun am 13. Februar zur Volks­ab­stimmung, dem Volksentscheid, für den 612.000 gültige JA-Stimmen erforderlich sind. Das ist eine gewaltige Heraus­forderung, die nur gelingen kann, wenn viele Menschen ihre eigenen sozialen Kontakte einbringen. Kurz nach dem erfolgreichen Volksbegehren ging der Senat in die Offensive und veröffentlichte EINEN Vertrag mit seiner Änderungsvereinbarungen und behauptet, damit sei der Volksentscheid überflüssig. Nur eines wollte der Senat nicht: Den Gesetzestext des Volksbegehrens übernehmen! 

 

Wer Gesetze macht, bestimmt die Spielregeln

Unterdessen dürften alle Wahlberech­tigten in Berlin die Abstimmungs­unterlagen per Post erhalten haben. In der Broschüre zum Volksentscheid sind alle Argumente dargelegt. Senat und das Abgeordnetenhaus mit aller Gewalt verhindern, indem behauptet wird, dass 

a) der Gesetzestext angeblich verfassungswidrig ist und 

b) das Informationsfreiheitsgesetz alles viel besser regelt.

zu a): Wenn das Volksgesetz angeblich verfassungswidrig ist, warum haben auch viele Juristen, Anwälte, Richter und sogar ehemalige Verfassungsrichter das Volksbegehren unterschrieben? Auch der ausgewiesene Wirtschaftsjurist und Vorstandsvorsitzende der Verbraucher­zen­trale Berlin, Prof Keßler, hat das Volksbegehren nicht nur unterschrieben, er ist auch Vertrauensperson des Volksentscheids! Senat und Abgeor­dneten­haus tun so, als ob Sie Vertreter des Gerichts seien. Das sind sie nicht! Wir erinnern uns alle an die Gewalten­teilung: Es gibt die Regierung (Exekutive), es gibt das Parlament (Legislative) und es gibt die Gerichte (Jurisdiktive). Und es ist Aufgabe des Verfassungsgerichts zu entscheiden, ob ein Gesetz verfassungswidrig ist. Senat und Abgeordnetenhaus haben darüber nicht zu entscheiden!

zu b): Das Informationsfreiheitsgesetz regelt leider nicht alles viel besser. Wenn eine Behörde beispielsweise entscheidet, dass ein Vertrag nicht veröffentlicht wird, dann hat das keine juristischen Folgen. Bei unserem Gesetz sind diese Verträge unwirksam! Jeder sollte sich selbst fragen, was besser und glaubwürdiger ist: Ein Gesetz ohne Rechtsfolgen für den Fall der Nicht-Veröffentlichung oder ein Gesetz, das für den Fall der Geheimniskrämerei die Unwirksamkeit vorsieht? 

Unterdessen wird das, was bisher veröffentlicht wurde, geprüft. Doch wie wir durch Mitarbeiter der Senatsverwaltung erfahren haben, ist noch längst nicht alles offen gelegt. Darum ist der Volks­entscheid immer noch wichtig und sinnvoll, darum fordern wir, dass nicht nur Verträge offen gelegt werden, sondern auch Beschlüsse und Nebenabreden, denn wir alle wissen: Auf das Klein­gedruckte kommt es an! 

Gelingen wird der Volksentscheid nur, wenn jeder seine sozialen Kontakte nutzt, mit seinen Nachbarn, Freunden, Kollegen spricht und möglichst viele andere Menschen und Organisationen informiert. Machen Sie bitte auch Werbung für den Volksentscheid, indem Sie die Plakate im Hausflur, im Einkaufsladen, im Auto oder in ihr Fenster hängen. Neue Plakate und Infoblätter können Sie  bei dem Umweltverband GRÜNE LIGA Berlin in der Prenzlauer Allee 8 zu den normalen Büroöffnungszeiten abholen (Prenzlauer Allee 8 / Tel:44 33 91-0). Wenn jeder erkennt, dass wir mit der direkten Demokratie Gesetze auf den Weg bringen können, die allen Bürgern nutzen, dann haben wir den Volksentscheid schon so gut wie gewonnen. Mehr Demokratie, mehr Transparenz, mehr Mitbestimmung – für diese Ziele lohnt es sich, mit JA zu stimmen – am 13. Febru­ar im Wahllokal. Sollten Sie an diesem Termin verhindert sein, dann können Sie trotzdem ganz bequem per Briefwahl am Volksentscheid teilnehmen.

✒ Thomas Rudek (Feb 2011)

(Sprecher des Volksentscheids der GRÜNEN LIGA Berlin und der Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ – Kontakt: Tel.: 030 / 261 33 89 (AB) o. per mail:  ThRudek@gmx.de)

www.berliner-wassertisch.net 

Briefwahlunterlagen erhalten Sie bei Ihrem Bezirksamt oder im Internet unter

https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/volksentscheid-2011/briefabstimmung/elektronisch/antrag-sich.htm