Was man beim Verkehr alles verkehrt machen kann

Eine kritische Zwischenbilanz geplagter Bürgerinnen und Bürger als Opfer der kom­munalen Verkehrspolitik im Bezirk Pankow.

 
Seit Sommer/Herbst 2010 wurden eine Reihe von baulichen und organisatorischen Vorhaben verkehrspolitischer Natur im Winskiez eingeleitet bzw. inzwischen umgesetzt, die nachhaltig Auswirkungen auf die Men­schen jeden Alters und jeder sozialen Stellung sowie auf das Zusammenleben im Kiez haben. Zuerst wurden Kreu­zungen mit dem Einsatz von sehr viel Geld umgebaut, ohne deshalb anders, besser oder schöner (... oder gefallen Ihnen die eleganten, aber unbegrünten Betonpenisse?) zu sein. Es folgte eine Riesen­werbekampagne für die „Park­raum­bewirtschaftung“ die ab Oktober 2011 in Wirkung kam: Mehr Geneh­migungen als vorhandene Parkmöglich­keiten wurden ausgegeben, eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung organisiert zur kommunalen Geld-Wegnahme von Bür­gern jenseits von Steuern, Abgaben und Gebühren. Der vorläufige Höhe­punkt wird in diesem Sommer mit der Umwidmung vorhandener Parkplätze in Ladezonen, Carsharing-Standorte und Aufladeplätze für Elektroautos erreicht.


Bürgerinnen und Bürger machen ihrem Unmut Luft:

Trangly, die Blumenfrau vis à vis der „Marie „: „Meine Kunden wollen einen Blumenstrauß kaufen und müssen erst mal zahlen – wenn sie überhaupt einen Parkplatz finden! Für mich ist das nichts anderes als behördlicher Nepp – wir sind doch hier keine Touristenhochburg. Und wehe, wenn du Besuch bekommst: So wird dem Bürokraten wird sein Arbeits­platz gesichert und der Bürger zahlt, zahlt, zahlt ...!“

Die Krankenschwester im Schichtdienst Birgit R.: „Die Wahrscheinlichkeit in der Zone 42 einen Anwohnerparkplatz zu finden ist nur am frühen Vor- bzw. Nachmittag gegeben. Zur übrigen Zeit suche ich, suche ich, suche ich ... es ist noch katastrophaler als vor Einführung der Parkraumbewirtschaftung. Mein Lösungs­vorschlag: Ganzjährig Ferien für Berlin!“

Der Angestellte Rainer Sontowski: „Seit mehr als 5 Jahren wird die Parkplatz­situation im Winskiez immer katastrophaler. Erst wurden die Straßen verengt und jetzt werden überall Carsharing-Flächen ausgewiesen – allein in der Marien­burger Straße sind kürzlich 10 (!) Parkplätze in einer Länge von 25 Metern umgewidmet worden. Ich habe nichts gegen Carsharing – aber ist das in dieser Größenordnung verhältnismäßig und angemessen? Warum wird über derartige Vorhaben weder informiert noch der Vollzug angekündigt? So ein Vorgehen ist weder transparent noch bürgernah! 

Der Kommunalpolitiker Roland Schröder (SPD): Auf den Bürgervorhalt, dass der Umbau von Kreuzungen einschließlich der Errichtung von Gehwegvor­strec­kun­gen kein nachhaltiger Beitrag zur Ver­kehrs­beruhigung sei, sondern nur sinnlos rausgeschmissenes Geld: „Es geht nicht in erster um faktische Beruhigung des Verkehrs sondern „Die Leute sollen einfach ein Gefühl der Verkehrs­beruhi­gung haben ...!“

Der durch den Schwerverkehr genervte Anwohner Friedrich Huhn ärgert sich nicht nur über die rücksichtslos rasenden Rad- und Motorradfahrer auf allen Bürgersteigen, sondern auch über die Folgen der „Verkehrsberuhigung“ in der Marienburger Straße: „Seitdem sich die Verlangsamung des Durchgangsverkehrs durch bauliche Vorkehrungen und die alt-neue Ampelanlage (überflüssig wie ein Kropf!) herumgesprochen haben, hat sich ein großer Teil des Durchgangs­ver­kehrs – Lkw's, Touristenbusse, Baufahr­zeuge usw. – in die Parallelstraßen verlagert. Die Wohn- und Aufenthalts­quali­tät wird immer schlechter und besonders betroffen sind Kinder, alte und in ihrer Mobilität einschränkte Menschen.Das ist Verkehr, den keiner braucht!“
Das Rentnerehepaar Sieglinde und Her­bert Kanz wohnt seit 1949 in der Wins­straße. Herr Kanz erzählt: „Als ich mir Mitte der 1960er-Jahre mein erstes Auto aus beruflichen Gründen zulegte, hatte ich sogar das Glück, auch eine Garage mieten zu können. Das gibt es hier schon lange nicht mehr.“ Und Frau Kanz meint: „Wir haben unser Leben lang schwer gearbeitet, drei Kinder groß gezogen und möchten unserem Lebens­abend zufrieden in Ruhe und Freiheit genießen! Das, was in den letzten Mona­ten hier passiert, ist nicht mehr feier­lich. Erst wird für viele Tausend Euro ohne besonderen Grund die Kreuzung umgebaut, dann verschwinden laufend Parkplätze und die Gehwege gefährden unsere Gesundheit! Sind wir Älteren lästig? Müssen wir uns alles gefallen lassen und dürfen nur noch den Zahlemann spielen?

Der Kiezbäcker Mustafa Öztürk klagt über manche Verhaltensweisen der Mit­arbeiter des Ordnungsamtes: „Ich muss ja meine Waren anliefern bzw. anliefern lassen. Alles ist zugeparkt bzw. so umorganisiert worden, dass es keinen Platz mehr gibt zum Be- und Entladen. Wenn ich in der 2. Reihe anhalte, werde ich schnell verwarnt oder muss zahlen! Monatelang habe ich auf Parkerlaubnisse für meine Mitarbeiter warten müssen und jetzt muss ich unverschämt viel Geld für die Genehmigungen bezahlen. Das ist sehr ungerecht, weil die kleinen Gewerbetreibenden und deren Kunden über Gebühr belastet werden. Offen­sicht­lich wollen unsere Politiker keinen Han­del und Wandel, sondern nur sich selbst die Taschen vollstopfen.“
Der Gastronom Wulfhardt Putbrese („Das Wins“): „Das Leben ist zu kurz für ein gutes Essen, wenn meine Gäste vorher stundenlang 'nen Parkplatz suchen müssen. Die hier im Kiez angerichtete Ver­kehrssituation spottet jeder Be­schrei­bung und quält Fußgänger, Rad­fahrer, Autofahrer, Lieferanten. Niemand weiß, was sich die Verantwortlichen dabei gedacht haben – vermutlich haben sie es absichtlich unterlassen.“

 

Das Bezirksamt Pankow am 14. Juni 2011: „Durch den ... Umbau ... an zwei Knotenpunkten der Winsstraße sowie durch die ... Maßnahmen des Bezirkes wird die Verkehrsberuhigung unterstützt und die Aufenthaltsqualität verbessert. Weiterreichende baulich und straßenverkehrsbehördliche Maßnahmen zur Ver­kehrs­beruhigung sind ... aktuell weder möglich noch erforderlich.“(Antwort auf einer Anfrage der Bezirks­verordnetenversammlung zum Thema: „Maßnahmen gegen den Schleichverkehr in der Winsstraße“ vom 02. März 2011 – Drucksache Nr.:VI-1201)

Autobesitzer Bernd Schmidt schreibt an den Polizeipräsidenten: „Darf ich Sie bitte, Ihre Fürsorgepflicht gegenüber Ihrem Mitarbeiter ANGPKR H.R: wahrzunehmen? Dringend ist eine betriebsaugenärztliche Untersuchung; ersatzweise eine Einweisung in die Taschen­lampen­benutzungsverordnung es Landes Berlin. Seit Einführung der Parkraum­bewirt­schaftung in der Zone 42 befindet sich vorschriftsmäßig die von mir bezahlte (20,40 € f. zwei Jahre) an Ort und Stelle in meinem Pkw. Leider war der von mir genannte Mitarbeiter nicht in der Lage, diesen Sachverhalt zu erkennen. Aus diesem Grunde haben Sie bitte Ver­ständ­nis dafür, dass ich das Verwarnungs­geld nicht zahlen werde.“

 

Zusammengestellt von Christian Robbe (Sep 2011)