Gutsbesitzer, Arbeiterführer- und Bauernführer und Regierende

Wer oder was ist „Wins“? Der Vermeh­rungs­koeffizient für die kommenden Euro­bonds? Ein Spitzname für die Schau­spielerin Christine Urspruch, die hier gewohnt hat, bevor sie einem gewissem Prof. Dr. Börne in Münster zur Hand gehen muss? Oder der Vorname des Grün­ders der „Kaufhalle“, die heute dem Herrn Kaiser – Tengelmann gehört? 

 

Wappen von Thomas Wins Quelle: www.luise-berlin.de
Wappen von Thomas Wins Quelle: www.luise-berlin.de

Alles falsch“! 1426 wurde ein gewisser Thomas Wins (* um 1392 – + um 1465) – Spross einer wohl­habenden Patrizierfamilie und einer der reichsten Gutsbesitzer von Berlin und Cölln - Bürgermeister von Berlin.Als 1442 Markgraf Friedrich II. Eisen­zahn – später Kurfürst von Branden­burg – im Rahmen des „Berliner Un­willen“ dafür sorgte, dass der gemeinsame Rat von Berlin und Cölln aufgelöst wurde, wurde Wins am 16. April 1443 als Bürgermeister bestätigt und amtierte bis 1448. Hätten Sie's gewusst?

Wurde der Greifswalder Straße Unrecht getan? Hatte sie nicht mal bessere Zei­ten gesehen? Bunt und abwechslungsreich mit kleinen Einzelhandels- geschäften z.B. der „Zauberladen, angesagten Musikk(c)lubs wie dem „Knaack- Klub“ und dem „Magnet–Club“ und vielfältigen internationalen Futterstellen vietnamesischen, türkischen, ja sogar badischen (schon lange her!) Ursprungs?

Markgraf Friedrich II. Eisenzahn Quelle: wikipedia
Markgraf Friedrich II. Eisenzahn Quelle: wikipedia

Heute findet sich fast eine Spä­tver­kaufsstelle neben der anderen, die unvermeidlichen Dienstleister für Geschäft und Büro, kleine Spezialläden ohne Kunden und wenige alltagstaugliche Angebote wie Apotheken, Drogerien, 'ne Fleischerei und Einkaufsparadiese für den gesunden und gehobenen Anspruch zahlreicher Neubürger. Die besseren Zei­ten reichen zurück in eine Zeit, wo das Führungspersonal eines inzwischen untergegangenen Staates meinte, sich von dem Volk, das es regierte, absentieren zu müssen. Um sich gründlich abzuschotten, wählte die Partei- und Staats­führung für ihr Lager ein großes Stück Wald im brandenburgischen Wandlitz, ließ einen hohen Zaun drum herum aufbauen („Aufbau'n!“) sowie kleine, niedliche und bescheiden wirkende 1 – 2 Fami­lien­häuser errichten, und arrondierte den Komplex mit hochwertigen Frei­zeit­einrichtungen, Exquisit- und Kon­sum­­läden für harte Währungen (hatte man ja genug aus dem kapitalistischen Ausland (u.a. durch Gefangenen­frei­käufe, Transitstraßenbenutzungs­ge­büh­ren, Zwangsumtausch usw.) und Be­wachungseinrichtungen à la Fort Knox.Doch der Weg von den Partei- und Regierungsbüros in der Mitte Berlins ins beschauliche Grün am nördlichen Stadt­rand war weit und ohne hochwertige Pkws Marke Volvo quasi nicht zu bewältigen. Doch halt! Dazwischen lagen ja diverse Wohngebiete des real existierenden Sozialismus, an deren Durchquerung niemand vorbeikam.

Herbst 1989 - Menschenkette in der Dimitroff- E. Greifswalder Straße, Quelle: Bundesarchiv
Herbst 1989 - Menschenkette in der Dimitroff- E. Greifswalder Straße, Quelle: Bundesarchiv

Sollten die Arbeiter- und Bauernführer täglich den Alltag der gemeinen Men­schen in ihrer DDR begucken, mit dem vielen Grau konfrontiert werden? Neben den bunt gestärkten Gardinen in ihren Autos blieb da nur der großflächige Griff zum Farbeimer: Auch die Greifswalder Straße gehörte zur Protokollstrecke“ – damit hatten die im Sichtbereich der vorbeirauschenden Fahrzeugkolonnen liegenden Häuser - maximal 3 auf beiden Seiten - das Recht erworben - im Gegen­satz zum doofen, grauen Rest(!) - bunt angestrichen zu werden. Potjomkinsche Dörfer – diesmal nicht im fernen Russ­land, sondern mitten in der „Hauptstadt der DDR“.Apropos Hauptstadt – die Bürgerinnen und Bürger der Bundeshauptstadt Berlin einschließlich der wahlberechtigten EU-Bürger wählen am 18. September ein neues Landesparlament – in Berlin „Abgeordnetenhaus“ genannt und die 12 Bezirksverordnetenversammlungen. Niemand weiß, wie sich 1426 das Wahl- bzw. Auswahlverfahren für den Bürge­rmeister Berlins Thomas Wins gestaltete.

Klaus Wowereit am 14. August 2011 im Einstein-Park, Berlin – Prenzlauer Berg © Christian Robbe
Klaus Wowereit am 14. August 2011 im Einstein-Park, Berlin – Prenzlauer Berg © Christian Robbe

Wie es heute geht, weiß niemand besser als der seit 2001 amtierende Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der 2006 erst im 2. Wahlgang die erforderliche Zahl von 75 Stimmen zu seiner Wieder­wahl erhielt.Die 149 Abgeordnetensitze werden hälftig durch direkt gewählte Abgeordnete und hälftig von Abgeordneten, die über die Bezirksliste der jeweiligen Partei gewählt werden, besetzt. Als Regierender Bürgermeister/in ist gewählt, wer im Abgeordnetenhaus von Berlin 75 Stim­men auf sich vereinigt. Thomas Wins bestimmte das Schicksal Berlin – mit kleinen Unterbrechungen - fast 22 Jahre lang; Klaus Wowereit peilt aktuell die nächsten 5 Jahre an. Wins beteiligte sich 1447/48 an einem Auf­ruhr gegen seinen Markgrafen Friedrich II. Eisenzahn und musste deshalb, sich vor dem Spandauer(!) Gericht verantworten, kam jedoch glimpflich davon. Niemand weiß derzeit, ob Wowereit sich an einem Aufruhr beteiligen will ...Wenn nicht, könnte er eines Tages – wenn es denn der Wähler will – länger bürgermeistern als der Herr Wins. Sicher ist: Die Winsstraße wird – so oder so - eher nicht in Wowereit-Straße umbenannt!

✒ Christian Robbe (Sep 2011)