DEUTSCHE WOHNEN ENTEIGNEN

Volksentscheid Ja, Senat Nein

Knapp 360.000 Unterschriften sammelte die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“. Voller Erfolg, damit votieren wir in Berlin im September per Volksentscheid zur Vergesellschaftung von bis zu 240.000 Wohnungen. Der Senat zeigt sich indes skeptisch.

 

Ja, mehr Wohnraum in Berlin soll von öffentlichen Gesellschaften bewirtschaftet werden. Doch, naja, unterstützen will der Berliner Senat die Enteignungsforderung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ nicht. So lautet zumindest die Stellungnahme der Rot-Rot-Grünen Landesregierung von Ende Juli. Kurz zuvor hatte die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ rund 360.000 Unterschriften für einen Volksentscheid zur Vergesellschaftung von Wohnraum übergeben. Damit ist das monatelange Bemühen der Initiative erfolgreich. Der Volksentscheid wird nun im September – gemeinsam mit Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl – stattfinden. 

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Wie werden Mieten in Berlin wieder bezahlbar? Per Volksentscheid stimmen wir im September über die Vergesellschaftung von Wohnraum ab. Foto: al

Das Land Berlin will lieber mit mietenpolitischen Instrumenten statt der geforderten Enteignung einen Mietenanstieg stoppen und bezahlbaren Wohnraum ermöglichen, so verlautbarte der Senat. Warum ist er der Enteignungs-Forderung der „Deutsche Wohnen und Co“ gegenüber so skeptisch? In einer Stellungnahme verweist er auf die Risiken, die das geforderte Vergesellschaftungsgesetz mit sich bringen würde. An erster Stelle: anstehende Entschädigungsleistungen für die bis zu 240.000 betroffenen Wohnungen. Insgesamt sollen dies 29 bis 39 Milliarden Euro sein, die aus Landesgeldern zu finanzieren wären. Dazu Ralf Hoffrogge von der Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“: „Falschinformation! Laut Grundgesetz ist die Entschädigung deutlich unter Marktwert möglich. Das im Gesetz genannte „Interesse der Allgemeinheit“ bedeutet für uns, dass auch Geringverdienende günstig wohnen können.“ Die Initiatoren des Volksentscheids schätzen die Kosten auf 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro – also deutlich weniger als die Hälfte der vom Senat veranschlagten Summe.

Ein weiteres Risiko sieht das Land Berlin in den rechtlichen Folgen. Schließlich sei ein solches Gesetz juristisches Neuland, biete Raum für Debatten und Auslegungen. Da steckt dem Senat wohl noch der ambitionierte Mietendeckel in den Knochen, den das Bundesverfassungsgericht vor einigen Monaten gekippt hatte. Stattdessen will Berlin den Bestand kommunaler Wohnungen durch Neubau und Ankauf erhöhen – auf insgesamt 400.000 Wohnungen. Zudem soll so schnell wie möglich ein weiteres mietenpolitisches Instrument geschärft werden. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen soll dann in ganz Berlin nur noch mit Genehmigung möglich sein, eine entsprechende Rechtsverordnung soll noch vor dem Volksentscheid auf den Weg gebracht werden.

Wie geht es nun weiter? Am 26. September entscheidet das Volk darüber, ob große Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen gegen eine Entschädigung enteignet werden sollen. Ein Votum ist für den Senat indes rechtlich unverbindlich. Die Entscheidung über den Erlass eines Vergesellschaftungsgesetzes obliegt dem Abgeordnetenhaus.

-red-, August 2021