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Im Oval der Stille

Im Umfeld von Kirchen, so will es die allgemeine Wahrnehmung, herrscht eine besondere Stille. Als hätten die Erbauer nicht nur die Gotteshäuser selbst, auch das Drumherum zu Orten der inneren Einkehr gestaltet. In der Elias-Gemeinde herrscht in der eigentlichen Kirche die turbulente Aktivität von Hunderten von Kindern. Der Ort der Einkehr hat sich hinter das „Göhrener Ei“ zurückgezogen.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Nur die schlagende Kirchturmuhr erinnert an ihren ursprünglichen Sinn: Die einstige Kirche in der Senefelder Straße.

Das Göhrener Ei ist eine städtebauliche Besonderheit. Etwa in ihrer Mitte formt sich die Göhrener Straße, die zwischen Senefelder und Raumer Straße verläuft, zu einem Oval. Das Oval schließt einen Spielplatz ein und wird gerahmt von gründerzeitlichen Häusern, errichtet 1906. An seiner Stirnseite thront ein roter Backsteinbau mit seltsamen Ornamenten. Das Gemeindezentrum der Elias-Gemeinde.
Ein Ort der Ruhe. Der imposante Bau strahlt Stille aus und mit ihm sein Umfeld. Vor Jahren wurde das Oval verkehrsberuhigt.  
Der Backsteinbau birgt eine eigenwillige Geschichte, die viel Berliner Geschichte erzählt: Von Aufbruch in der Gründerzeit, von ideologischer Umkehr nach dem Zweiten Weltkrieg, von Improvisation nach dem Mauerfall. Das Gemeindezentrum ist heute, seit über zehn Jahren, zugleich die Kirche. Die eigentliche Kirche, schräg gegenüber auf der Senefelder Straße, ist das Kindermuseum „MACHmit!“. Im Kirchturm nisten Falken, nur die Kirchturmuhr erinnert täglich 12 und 18 Uhr und regelmäßig zu den Gottesdiensten an die ursprüngliche Bestimmung des Gemäuers.
Die Kirche selbst wurde vor 115 Jahren eingeweiht. Ihr Erbauer ist Gustav Werner, der das Gotteshaus als roten Klinkerverblendbau errichtete. Ihren Namen erhielt sie nach dem Propheten Elias aus der frühen israelitischen Zeit, dessen Geschichte im Alten Testament erzählt wird. Weil die Gemeinde die Kosten für eine notwendige Sanierung nicht aufbringen konnte, verpachtete sie Anfang der 2000er Jahre die Kirche an das MACHmit!Museum und zog mit Sack und Pack ins Gemeindezentrum. Der alte Taufstein wurde mit umgesiedelt.

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Ein Ort der Stille: Das Elias-Gemeindezentrum an der Göhrener Straße. Fotos (2): al

Das Gemeindezentrum ist 17 Jahre jünger als seine Kirche, erbaut wurde es in den Jahren 1927/28, es schloss die letzte Lücke im baulichen Ensemble des Göhrener Eis. Otto Werner entwarf das Ensemble im spätexpressionistischem Stil und gestaltete die Aussenfassade des Hauses mit rotbraunen Klinkern. Am Eingang des Hauses und der Durchfahrt schuf er spitzbogige Portale, um die Zusammengehörigkeit mit der Kirche zu betonen.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich im Vorderhaus vier Pfarrwohnungen mit dazugehörigen Konfirmandensälen, die Küsterei und im Seitenflügel der Kindergarten und die Diakonissenstation. Der Große Saal, der heutige Kuppelsaal, war ein Theater- und Kinosaal. Nach Kriegsende beschlagnahmte die sowjetische Militäradministration das Gemäuer. Die Redaktion des sozialistischen Blattes „Tägliche Rundschau“ zog im Mai 1945 ein und blieb bis zum Sommer 1946. Danach wurde das Haus zum „Grand Hotel“ umfunktioniert, die Gemeinde durfte zumindest Gottesdienste im Saal abhalten, weil die benachbarte Kirche durch Kriegsschäden unbenutzbar war. Damit war 1947 Schluss, denn die Sowjets beschlagnahmten das ganze Gebäude und gaben es erst fünf Jahre später an die Kirche zurück.
Das Gemeindehaus, das 2003 komplett saniert wurde, birgt heute ganz unterschiedliche Nutzungen: Mietwohnungen, Gemeindesäle, Büroräume und eienn Kindergarten. Zentrum des Gemeindelebens ist wieder der mit Kupfer gedeckte Kuppelsaal, ein Rundbau mit Bühne und bleiverglasten, gelblich getönten Fenstern. Sein Oberlicht aus Glassegmentscheiben lässt warmes Licht an diesen stillen Ort.
So ruheheischend das Ensemble von außen erscheint, so lebendig zeigt sich sein Innenleben. Die Gemeinde wächst und ergeht sich in vielfältigen Aktivitäten in ihrem Haus. Alle Gottesdienste, Taufen und Trauungen, Konzerte und viele festliche Veranstaltungen finden im Kuppelsaal statt. Die Kinderarbeit hat hier ihr Zuhause, verschiedene Gemeindekreise und der Elias-Chor treffen sich in den Räumen.
-al- (Demzeber 2015)