ÖFFENTLICHER RAUM

Wem gehört die Straße?

Immer mehr Menschen, die sich auf immer engeren Straßen drängeln. Ein Verkehrs-Wirrwarr. Das Verschwinden und Wiederauftauchen von Bänken, die zum Verweilen einladen. Und ein Fest, das für einen Tag lang die Straße den Menschen schenkt, nicht den Autos. Über eine ganze eigene Prenzlauer Berger Straßenordnung.

 

Das ist ja das Schöne an Ferien. Wir verreisen, entdecken und genießen fremde Regionen, Länder, Kulturen. Kehren entspannt und gesättigt zurück und legen diese Erlebnisse wie eine Folie über Prenzlauer Berg. Was war in den Ferienorten anders, was hätten wir hier gern auch? Was hat sich in der Zwischenzeit verändert? Und: worauf freuen wir uns? Betrachten wir den Straßenraum, den wir gerade jetzt im Sommer auf vielfältige Weise nutzen könnten. 

Chroriner Straße Berlin Prenzlauer Berg
Die Straße ein einziges Fest: Am 24. August feiert die Choriner Straße. Foto: elgerart

Wie in Kopenhagen beispielsweise. Die grüne Vorzeige-Metropole ist Berlin ja nicht nur in Sachen Fahrrad-Komfort um viele Radweg-Kilometer voraus. Dennoch sei dies hier auch erwähnt, weil Kopenhagen praktisch zeigt, was es noch bedeutet, wenn mehr Menschen in einer Stadt Fahrrad als Auto fahren. Rund 63 Prozent der KopenhagenerInnen nutzen für den Berufsverkehr das Rad, auch zum Pendeln von außerhalb. Die Radwege sind zwei-, manchmal dreispurig. Zwei Lastenräder und ein E-Roller haben bequem nebeneinander Platz. Kein Stress, kein Gemecker, kein Beiseite-Geklingel. An den Ampeln gibt es einen Sicherheitsvorsprung durch Haltelinien und vorzeitige Grünschaltung. Das System Vorfahrt für Radfahrende schafft auch für Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, ein gutes Gefühl. Es gibt Sicherheit.

 

GRÜN MARKIERTE RADWEGE

Zurück in Berlin fällt neues Grün auf der Straße auf – auf Radwegen. Drei Radstreifen sind plötzlich grün markiert – auf der Greifswalder Straße, der Wichert- und der Wisbyer Straße. Insgesamt 6,6 Kilometer Fahrradwege. Die Kastanienallee hat schon seit Frühjahr 1,2 Kilometer Grünstreifen. Die farbigen Radwege sollen der Sicherheit dienen – grün wird besser gesehen als betongrau, so die Idee des Landes Berlin. An Kreuzungen sind die Radwege rot. Autofahrenden soll das Grün das Halten und Parken auf den Streifen erschweren. 

Greifswalder Straße Berlin Prenzlauer Berg
Vier grün markierte Radwege gibt es jetzt in Prenzlauer Berg. Sie sollen für mehr Sicherheit sorgen.

Die vier grünen Wege in Prenzlauer Berg gehören zu einem Modell, mit dem das Land Berlin die Qualität des grünen Belags testen und erforschen will. In vier Jahren, mit den Ergebnissen, sollen dann sukzessive alle Radwege der Hauptstadt ergrünen. Breiter, wie in Kopenhagen, werden die Radwege dadurch leider nicht. Vielleicht ein wenig sicherer.

Zurück noch einmal in die dänische Hauptstadt, der Frage folgend: Wem gehört die Straße? Den Menschen. Kopenhagen stellt Sitzbänke in den öffentlichen Raum, pflanzt Bäume drumherum. Die kleinen Bäumchen, die bequemen Holzbänke, schaffen Aufenthaltsqualität. Wo, in Prenzlauer Berg, gibt es noch Bänke – außer an Tram-Haltestellen und in den Parks? Da, wo die AnwohnerInnen selbst welche vors Haus stellen. Aber: offizielle, an den Straßen? Kaum noch. Das war vor einigen Jahren noch anders. Eine eingeborene Prenzlauer Bergerin sagte vor einigen Jahren mal: Erst verschwinden die Bänke, dann die älteren Menschen. Entweder sie ziehen weg oder sie bleiben zuhause und drinnen, weil sie draußen keinen Raum mehr zum Ausruhen haben.

Friedhof Berlin Prenzlauer Berg
Wo gibt es noch Bänke – außer zum Beispiel auf dem Friedhof? Fotos (2): al

DAS CHORINER STRASSENFEST

Wem gehört die Straße? Die Choriner Straße gehört wieder einmal, für einen Tag, allen Menschen, die dort wohnen und ihren BesucherInnen. Die gute alte Tradition des Choriner Straßenfestes jährt sich 2019 bereits zum 23. Mal. Ursprünglich entstand das Fest aus genau diesem Grund: Der Eroberungen des öffentlichen Raums durch die Menschen, der Selbstbehauptung gegenüber dem Autoverkehr. Am 24. August ist es in diesem Jahr soweit: Die Wimpelkette spannt sich dann wieder kreuz und quer über den Aktionen, die NachbarInnen für NachbarInnen schaffen: Spielen und Spielzeug für die Kinder; Massagen, Bücher, Flohmarkt, Musik und Theater. Kein Abgas, kein technischer Lärm – bis in die Sommernacht hinein. Eingeladen dazu sind laut dem Organisationsteam alle „Freunde und Freundinnen der gepflegten Straßenfestkultur.“

-al-,  Aug. 2019