IDEENSCHMIEDE PRENZLAUER BERG (1)

Im Dienst der Kunst

Es geschieht immer wieder: In Prenzlauer Berg wird eine Idee geboren, die deutschlandweit einzigartig ist. Für Wirtschaft, Gesellschaft oder Kultur bringen Menschen des Stadtteils etwas ins Rollen. Die Macherinnen und Macher von Prenzlauer Berg und ihre Ideen. Heute: Eine Kunstgenossenschaft.

 

Kunstgenossenschaft klingt zunächst einmal gar nicht so innovativ. Und tatsächlich gibt es Kunstgenossenschaften auch bereits, als Interessen- oder Lobbyverbände bildender oder darstellender Künstlerinnen und Künstler. Die Innovation der neuen Kunstgenossenschaft, die vor wenigen Tagen das Licht der Welt erblickte, besteht in ihrem Markt-Gedanken. Sie will die Werke ihrer Künstler-Mitglieder an Interessierte und Kunden bringen. Anders als in einer Galerie oder Agentur erhalten die Künstler den kompletten Preis ihres Gemäldes, ihrer Skulptur oder Installation. Die Kosten der Genossenschaft werden durch eine Provision bzw. Mitgliedsbeiträge gedeckt.

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Eine Genossenschaft im Dienste der Kunst: Susann Blickensdorff (links), eine der Gründerinnen, engagiert sich seit vielen Jahren für Künstler aus Prenzlauer Berg.

Privates Engagement 

Hinter dem Modell stecken vier Menschen, die hauptberuflich zunächst wenig mit Kunst zu tun haben. Eine der Initiatorinnen, Susann Blickensdorff, ist Bewährungshelferin. Ihr Berufsalltag besteht aus der Beratung und Betreuung von Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Ihre Mitstreiterin Marie-Therese Huppertz ist Rechtsanwältin. Beide Frauen aus Prenzlauer Berg werden in der Genossenschaft als Kuratorinnen tätig sein. Die beiden weiteren Initiatoren und Vorstandsvorsitzenden Reinhold Hahn und Paul Rehfeld sind Unternehmer bzw. arbeiten für einen Verband der mittelständischen Wirtschaft. 

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„Die Liegende“, Holzschnitt von Klaus Kellner, dem eine Ausstellung in seinem 80. Geburtsjahr in der Gaudystraße gewidmet ist.

Das Engagement der vier Genossenschafts-Köpfe entstammt, wenn man so will, dem Ehrenamt, einer hohen Kunst-Affinität und einem Bedarf. „Wir kennen so viele Künstler, die keinen eigenen Vertrieb haben“, beschreibt es Reinhold Hahn, „und wir kennen viele Leute, denen wir die Kunst und die Künstler nahebringen wollen“. Diesen Kontakt und die Vermittlung von Kunstwerken will die Kunstgenossenschaft nun leisten. Im Dienste beider Seiten – der Kunstschaffenden und derjenigen, die Kunst genießen und erwerben können. Im Dienste vor allem der Künstler, denen die Vermarktung ihrer Werke schwerfällt bzw. denen die Kanäle dafür fehlen. Mit Fairness. Hahn: „Über die Preisvorstellung der Künstler wird nicht verhandelt.“ 

Ein wenig Eigennutz steckt indes auch in der Idee, wie Reinhold Hahn schmunzelnd verrät. Er und Paul Rehfeld wollen mit ihrem Engagement einfach eine sinnvolle Freizeit-Beschäftigung haben.   

Künstler und Künstlerinnen zu fördern, Kunst an Menschen zu verkaufen, die bislang nie daran gedacht hatten, ist auch die Intention von Susann Blickensdorff. Seit vielen Jahren organisiert sie Ausstellungen vor allem für Künstler und Künstlerinnen aus Prenzlauer Berg. Dabei findet sie immer wieder neue und ungewöhnliche Orte, an denen sie die Werke, etwa von Petra Schramm, Peter Brasch, Volker Mehner oder Klaus Kellner, präsentiert. Unterstützung erhält sie dabei von Wohnungsbaugenossenschaften, Maklerinnen oder Geschäftsführerinnen. Wichtig an der Kunstgenossenschaft ist Blickensdorff die Mitbestimmung aller: „Die Eigentumsform Genossenschaft ist eine sehr demokratische Sache. Egal, wieviel Genossenschaftsanteile jemand erwirbt - jedes Mitglied hat nur eine Stimme.“.

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Kauft Kunst – die neue Kunstgenossenschaft bringt Künstler und Kunden zusammen. Fotos (3): S. Blickensdorff

Die Mitglieder

Die Kunstgenossenschaft nimmt nun, nach ihrer Gründung, Mitglieder auf. Rund 35 Maler, Bildhauer, Grafiker, Videokünstler haben bereits ihr Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet. Die Initiatoren rechnen mit weit mehr Mitgliedern, die Resonanz war bereits im Vorfeld der Gründung positiv. Eine Aufnahmegebühr und zu erwerbende Genossenschaftsanteile ermöglichen den Zugang zur Kunstgenossenschaft. Offen ist die Vereinigung für Mitstreiter jeglicher Branchen und Genres. Vermarkten will sie zunächst Künstlerinnen und Künstler aus Berlin und Brandenburg.

Dafür baut die junge Initiative ihre Aktivitäten nun Schritt für Schritt auf. In den nächsten Wochen und Monaten entsteht zum Beispiel eine Web-Plattform. Lager- und Auktionsräume werden gesucht und eingerichtet. Die ersten Workshops werden angeboten. Ideen, was genau im Dienste der Kunst zu tun ist, gibt es viele. Das Engagement der Gründungsmitglieder nimmt Gestalt an.

Werkschauen

Kuratorin Susann Blickensdorff will über ihr Engagement in der Genossenschaft hinaus weiter Ausstellungen organisieren. „Für eine der großartigsten Malerinnen des Prenzlauer Berges, Petra Schramm, möchte ich erreichen, dass sie beim Bezirk die Beachtung findet, die sie verdient hat und eine Personalausstellung im Museum Pankow erhält.“ Werke von Petra Schramm zeigte Blickensdorff bereits an unterschiedlichen Orten in Prenzlauer Berg. 

Ganz aktuell läuft ab 17. März eine Ausstellung mit Holzschnitten von Klaus Kellner, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert, in der Weingalerie Rong in der Gaudystraße 25. „Kauft gute Kunst und trinkt guten Wein.“ heißt die Schau, die einen Künstler aus Prenzlauer Berg würdigt, der u.a. für seine Holzschnitt-Zyklen in den Programmheften des Berliner Ensembles bekannt wurde, zahlreiche Bauten mit seinen Werken schmückt und noch heute Kinder in der Technik des Holzschnittes unterrichtet. Im Herbst soll sich eine große Werkschau Klaus Kellners anschließen. Zur Vernissage am 17. März lässt sich beim Wein auch mehr über die Kunstgenossenschaft erfahren.

-al-, März 2017

Informationen zur Kunstgenossenschaft unter: kunstgenossenschaft@e.mail.de