ZUKUNFTSTHEMEN MIT DER GRÜNEN LIGA

Startpunkt kleines Glück

Zuversicht. Das Wort dieser Zeit. Zuversicht impliziert Zukunft. An einer lebenswerten Zukunft – vor der eigenen Haustür wie in der großen Welt – arbeitet die Grüne Liga seit nunmehr 30 Jahren. Wie kann diese gelingen? Eine Begegnung mit der Berliner Co-Geschäftsführerin Claudia Kapfer.

Freie Räume, grüne Mobilität und saubere Luft – die Pandemie spült diese Ur-Themen ökologischen Denkens und Handelns auf neue Weise in die Aktualität. Es sind auch die Ur-Themen der Grünen Liga. Als sich im Jahr 1990 Umwelt-AktivistInnen der untergehenden DDR zur Gründung dieses Netzwerkes treffen, postulieren sie die Grüne Liga als „gemeinsames Dach zur Rettung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und zur Stimulierung alternativer Denk- und Verhaltensweisen.“ Ein großes, hehres Ziel, an dem seitdem die Landesverbände in Ostdeutschland arbeiten. In Berlin, in Prenzlauer Berg, hat das Öko-Netzwerk einen Doppel-Sitz. Bundesverband und Landesverband residieren nur wenige Meter Luftlinie voneinander entfernt.

FOKUS GESUNDHEIT

„Eigentlich hat sich an unseren Themen seit 30 Jahren nichts geändert.“, sagt Claudia Kapfer, die seit November 2020 Co-Geschäftsführerin des Berliner Landesverbandes ist. Das spiegelt einerseits eine langlebige gesellschaftliche Routine, andererseits auch die visionäre Voraussicht der Grünen Liga. Die Rettung der natürlichen Lebensgrundlagen hat mit dem Klimawandel und der globalen Pandemie ein neues Zentrum bekommen, ein neues Ziel: Die menschliche Gesundheit. Allenthalben ist von der Zerbrechlichkeit der Menschheit angesichts tödlicher Viren die Rede. Die den Menschen zu Leibe rücken, weil die Menschen der Natur, ihrer Lebensgrundlage, zu nahe kommen. 

Und was machen wir Menschen? Claudia Kapfer nimmt eine Verhaltensänderung wahr. Etwa, dass mehr Menschen, auch in Prenzlauer Berg, Baumscheiben bepflanzen – oder sich am neuen Grüne-Liga-Projekt „Das summende brummende Fensterbrett“ beteiligen. So viel Grün wie möglich, auch auf der kleinsten Fläche. Dass Freiräume, Grünflächen sich positiv auf körperliche und seelische Gesundheit auswirken, haben wir im  Frühjahr und Sommer 2020 auf besondere Weise erfahren. „Die Menschen nehmen das kleine Glück selbst in die Hand“, nennt das Claudia Kapfer. 

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Kleines Grün, wo immer möglich: Der Nachbarschaftsgarten der Grünen Liga auf dem Friedhof an der Heinrich-Roller-Straße. Foto: al

FESTIVAL NEU PRÄSENTIERT

Das kleine Glück als Mini-Baustein einer Veränderung. Grün, das Lebensqualität für uns Menschen, für Insekten und andere Lebewesen schafft. Auch und erst recht in der Stadt, wo die Räume enger zu werden scheinen. Also aufs Fensterbrett, dort begrünen und mit Insektenhotels für Artenvielfalt sorgen. Oder auf den Friedhof an der Heinrich-Roller-Straße, wo die Grüne Liga seit 2015 einen Nachbarschaftsgarten mit Hochbeeten und Lehrpfad geschaffen hat. Oder in die Hinterhöfe, an die Baumscheiben, Fassaden. Die Stadtgrün-Projekte des Netzwerks sind zahlreich.

Ebenfalls zahlreich sind die BesucherInnen des alljährlichen Umweltfestivals am Brandenburger Tor, das im vergangenen Jahr seinen 25. Geburtstag feierte – komplett digital über mehrere Monate hinweg. Wer jemals an der dazugehörigen Stern-Fahrradfahrt teilgenommen hat, weiß, wie schön still und sicher Großstadt-Verkehr sein kann. In diesem Jahr wird das Umweltfestival möglicherweise als Mischform stattfinden – live an kleinen dezentralen Orten und mit digitalen Angeboten – oder in einer anderen pandemieangepassten Weise.

So zahlreich sind die grünen Mini-Bausteine wie die BesucherInnen auf den Ökomärkten der Grünen Liga, wo es neben biologisch und nachhaltig erzeugten Produkten auch immer Informationsangebote zu einer ressourcenschonenden Lebensweise gibt. 

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Erscheint seit 30 Jahren: Die Umweltzeitung „Der Rabe Ralf“. Repro: RR

ÜBER LEGISLATUREN HINAUS

Die ewigen Themen und die Verhaltensänderung. Die Pandemie bringt uns an eine Zeitenwende des Wahrnehmens und Denkens, die der Klimawandel allein nicht geschafft hat. Claudia Kapfer sieht die Chancen und Möglichkeiten. Dass es möglich war, zu Silvester ein Böllerverbot auszusprechen. Dass temporäre Radwege im Frühjahr 2020 plötzlich innerhalb kürzester Zeit geschaffen wurden. Beides hat nachweislich für saubere Luft gesorgt – und damit zu unserer Gesundheit beigetragen. 

Die kleinen Bausteine. Und die großen: Dass es möglich war, die Schwarze Null im Staatshaushalt zu opfern. Mit Staatsverschuldung Wirtschaft und Gesellschaft aufzufangen. Warum sollte dies nicht auch künftig für nachhaltige Zukunftsthemen möglich sein. „Mehr Mut“ wünscht sich Claudia Kapfer. Mehr politischen, institutionellen Mut, Strukturen und Denkweisen für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen, den Schutz unserer aller Gesundheit, dauerhaft zu wagen. Das Radwege-System, soziale, gemeinwohlorientierte Wirtschaftsweisen – gerade Berlin ist voll von zukunftsweisenden Projekten. Doch oft fehlt ein langer Atem. „Politik denkt eben oft in Legislaturperioden“, so Kapfer.

30 Jahre Grüne Liga. Mit dem Netzwerk feierte im Dezember 2020 noch ein Urgestein der ökologischen Szene 30. Geburtstag. „Der Rabe Ralf. Die Berliner Umweltzeitung“. Ein einzigartiges Projekt in vielerlei Hinsicht, beleuchtet Themen in Politik, Gesellschaft aus Sicht der Umwelt, „krächzend“ kritisch in der Selbstbeschreibung der Redaktion. In einer Auflage von 10.000 Exemplaren erscheint der „Rabe“ zweimonatlich kostenlos. Damit dies so bleiben kann, sind Spenden für das Umweltblatt ebenso erwünscht wie Spenden für die Grüne Liga. Damit aus dem kleinen Glück mehr und größere werden können. Können wir ja gut brauchen in diesen Zeiten.

Katharina Fial, Jan. 2021

Mehr: www.grueneliga-berlin.de; www.raaberalf.grueneliga-berlin.de