THÄLMANNPARK

„Hier wegziehen würde mir schwerfallen“

Im Thälmannpark wird um Neubauten geschachert. 400 oder 600 Wohnungen – die Bezirkspolitik ist bei der Anzahl gespalten. Die Anwohnerinitiative will Grün für alle statt neuer Hochhäuser. Was tut sich um und hinter den denkmalgeschützten Platten? Eine Begegnung mit Markus Seng von der Anwohnerinitiative Thälmannpark.

 

Auf dem Tisch liegt, nicht zufällig, eine Streitschrift. „Verbietet das Bauen“, das Buch des Architekten Daniel Fuhrhop, mahnt – mit historischem Exkurs bis zum Turmbau von Babel – zum heutigen Umdenken. Statt immer mehr und immer höher neu zu bauen, solle lieber die vorhandene Substanz genutzt werden, so die These Fuhrhops. Diese These kommt dem Gesprächspartner am Tisch gerade recht. 

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Die Platten im Thälmannpark stehen unter Denkmalschutz. Gegen einen Zuwachs an Hochhäusern wehren sich Anwohner und Bürgerinitiative.

Herr Seng, das Bezirksamt hat eine Machbarkeitsstudie vorgelegt, die 600 neue Wohnungen im nördlichen Thälmannpark und an den S-Bahn-Gleisen vorsieht, plus einem Hotelhochhaus an der Greifswalder Straße. Ihre Initiative streitet für einen Grünzug auf dem Gelände bis hinüber zum Anton-Saefkow-Park. 

Die sogenannte Machbarkeitsstudie ist ja nicht mehr als eine Powerpoint-Präsentation. Und zum Glück hat sich die SPD-Fraktion unlängst dafür ausgesprochen, den Neubau auf 400 Wohnungen zu beschränken. Wir haben die stärkste Fraktion im Bezirk auf unserer Seite, auch die Linke. Wobei man natürlich vorsichtig sein muss, wir befinden uns ja schon fast im Wahlkampf.

 

Nun soll ein städtebaulicher Wettbewerb für das Gebiet ausgerufen werden. Wie realistisch ist noch ihre Forderung eines Grünzugs für alle?

Ich sollte sogar in die Jury, aber ich habe abgelehnt. Wenn man gesagt hätte, es sollen zwischen 0 und 400 Wohnungen entstehen, dafür machen wir einen Wettbewerb, dann hätte ich es mir überlegt. So ist die Größe von 400 Wohnungen bereits gesetzt.

Die Chance, eine Bebauung zu verhindern, ist dennoch da. Wenn alle es wollen, wenn es einen politischen Willen gibt. Der Grundstückseigentümer hat ja noch kein Baurecht. Und das Gelände direkt an den S-Bahn-Gleisen ist ohnehin nicht attraktiv, aus Lärmschutzgründen nicht. Es gibt auch Studien, die eine Verseuchung des Bodens bescheinigen, weil da jahrzehntelang Güter für das Gaswerk verladen wurden. 

Ich bin ja schon mal froh, dass der größte Irrsinn zunächst verhindert wurde: 600 Wohnungen, zwei Hochhäuser und eine Bebauung an der Danziger/Greifswalder Straße.

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Kunst, Grün und Neues Wohnen. Rund 360 Wohnungen sind am Rande des Thälmannparks bisher entstanden. Nun sollen es noch einmal 400 bis 600 mehr werden.

Ihre Initiative hat mit der Kampagne teddyzweinull Unterschriften gesammelt, sie hat Einwohneranträge gegen die Bebauung gestellt. Immer mit der Warnung, dass neue Wohnungen die Mietpreise der alten Wohnungen in die Höhe treiben. Wie machen Sie jetzt weiter? 

Wir werden mit unseren Aktivitäten auf jeden Fall weiter machen. Möglicherweise durch neue Einwohneranträge in der Bezirksverordnetenversammlung. Der Grünzug, der uns vorschwebt, ist ja auch für die Menschen im Winskiez oder im Helmholtzkiez wichtig. Man könnte die Bauten auf dem Güterbahnhofsgelände auch erhalten für Jugendklubs, Flüchtlinge etc. Wenn Verbände wie die Grüne Liga oder Eltern-Initiativen mitmachen, die das Gelände für urban gardening nutzen wollen, dann ist das schon wieder mehr Kraft. Und für das innerstädtische Klima ist eine zusammenhängende Grünfläche enorm wichtig.

 

Die Anwohnerinitiative Thälmannpark gibt es seit vier Jahren, seit den ersten Bauplänen. Hat sich seitdem etwas verändert im Quartier?

Vorsichtig kann man sagen, wir sind zusammengewachsen. Das ist ein zartes Pflänzchen, ja. Es ist auch ein offenes Miteinander mit den neuen Anwohnern, die in den 360 hochpreisigen neuen Wohnungen um den Thälmannpark leben. Es gibt Flohmärkte und Feste, es gibt AGs, die sich um das Quartier kümmern. Der harte Kern der Anwohnerinitiative sind 20 bis 30 Menschen, aber wir können rund 200 Menschen mobilisieren.

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Seit 30 Jahren Kultur: Die Wabe gehört zum Kulturareal Thälmannpark. Fotos (3): al

Im Thälmannpark leben Alt- und Neubewohner, mehrere Generationen, gemeinsam in den Plattenbauten. Diese soziale Durchmischung wird oft als einzigartig für den Prenzlauer Berg bezeichnet. Wie lebt es sich denn so miteinander?

Das Lebensgefühl ist toll, so mittendrin. Hier mischt sich Ost mit West. Die Geschichte des Parks, für den das alte Gaswerk weichen musste, ist einzigartig. Traurig schön. 

Wir hatten einen Nachbarn, der ist vor kurzem mit 94 Jahren gestorben. Anfangs hat er mit uns nur geredet, wenn er sich über unseren Hund beschwert hat. Später haben wir öfter einfach so geplauscht. Das ist hier wirklich ein besonderes Lebensgefühl. Wenn ich manchmal abends von der Greifswalder Straße komme und die Hochhäuser so im Mondlicht sehe, das hat etwas sehr Erhabenes. Hier will ich nicht weg.

Das Gespräch führte Katharina Fial (April 2016)

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