BÖTZOWKIEZ

Vom Stein aufs Papier

Wie Kunst aufs Papier kommt, dafür gibt es viele Möglichkeiten. Im Atelier von Eberhard Hartwig wird gedruckt – Radierungen, Schnitte, Lithographien. Zum Selbstmachen – und in wechselnden Ausstellungen zum Anschauen. Eine Exkursion zu den künstlerischen Drucktechniken.

 

Drinnen Druckerpressen, Werkzeug, Platten, Buchstaben und Papier – draußen das ein wenig altertümlich anmutende Schild „Druckgraphik-Atelier“ im Schaufenster, davor eine Holzbank. Das Atelier von Eberhard Hartwig in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße 3 im Bötzowkiez ist vieles in einem und darin einzigartig in Prenzlauer Berg: Werkstatt, Workshop-Ort, Ausstellungsraum und Verlag. Kinder, Jugendliche und Erwachsene können sich hier in den verschiedenen künstlerischen Drucktechniken ausprobieren. 

 

HOLZ- UND LINOLSCHNITTE

Doch was sind das für künstlerische Drucktechniken, die in ein- oder auch mehrtägigen Workshops erlernt werden können? Zum Hochdruck beispielsweise gehören die künstlerischen Techniken Holzschnitt oder Linolschnitt. Bei beiden wird mit speziellem Werkzeug ein Negativmuster in in eine Holz- oder Linoleumplatte geschnitten. Das Material lässt sich leicht und in jede Richtung schneiden. Das fertige Negativmuster wird mit Farbe überwalzt und dann auf Papier gedruckt. Dabei wird die an den erhabenen Stellen haftende Farbe auf das Papier übertragen. 

Holz- und Linolschnitt wurden von expressionistischen Künstlern geschätzt. Maurice de Vlaminck, Christian Rohlfs, Henri Matisse, M. C. Escher und Pablo Picasso arbeiteten damit. Bei Eberhard Hartwig können zudem noch Bleibuchstaben per Hand gesetzt werden – für Visitenkarten oder Plakate. Gedruckt werden die Blätter dann auf einer kleinen Tiegelpresse und auf einer Abziehpresse. Dazu gibt es Theoretisches zu erfahren von der Schriftgeschichte über Satztechniken bis zur Druckmaschinenentwicklung.

Druckgrafik Atelier Berlin Prenzlauer Berg
Selbst drucken und Wissenswertes über Druck erfahren lässt sich im Druckgraphik-Atelier. Foto: al

LITHOGRAPHIE

Ausprobieren kann man sich auch in der Lithographie, dem ältesten Flachdruckverfahren überhaupt. Dabei wird die Kunst per Feder oder Stift auf Stein gezeichnet – mit Tusche oder Kreide entsteht das Bild auf einem Kalkschieferstein. Anschließend wird auf Papier gedruckt. Im Atelier werden die Steine unterschiedlicher Größe zunächst per Hand geschliffen. Gedruckt wird dann auf einer Sutter-Reiberpresse. Dazu gibt es Wissenswertes über die Geschichte der Lithographie und über den Offset-Druck, der das ältere Verfahren zunehmend ablöste.

Als Einmaldruck-Verfahren bezeichnet man die Monotypie. Paul Klee nannte sie auch Ölfarbenzeichnung. Mittels einer Walze oder eines Pinsels wird die Farbe auf eine Metall- bzw. Glasplatte aufgetragen und von dort auf das Papier übertragen.

 

KUPFERSTICHE

Zum Tiefdruck gehören Kaltnadelradierungen oder Kupferstich. Beim Kupferstich wird das zu druckende Bild mit einem Grabstichel in eine Kupfer- oder Zinkplatte gegraben, Spänchen für Spänchen. Die gegrabenen Linien nehmen dann die Farbe auf. Mit einer Walzenpresse wird auf das Papier gedruckt. 

Bei der Kaltnadelradierung wird die Zeichnung mit einer in Holz gefassten Stahlnadel oder einer massiven Stahlnadel direkt in die Druckplatte eingeritzt. Das erfordert einiges an Kraft. Auf die Platte wird anschließend wie bei der Radierung vollflächig Druckfarbe aufgetragen und wieder blankgewischt. In den feinen Linien und Graten bleibt die Farbe haften. Bei Hartwig wird auf feines Kupferdruck-Büttenpapier auf Radierpressen gedruckt. 

Auch Papierschöpfen lässt sich in der Bonhoeffer-Straße. Mit kleinen Sieben und Bütten kann individuelles Papier, zum Beispiel mit Einschlüssen, geschöpft werden. Dazu gibt es Wissenswertes über Papierherstellung und Papiersorten. Und: last not least: Ein Zeichen- und Malkurs gibt Einblicke in freie Ausdrucksformen, in Techniken und helfen bei der zur Auseinandersetzung mit Perspektive, Fläche und Komposition und mit Farben.

 

VERLAG UND AUSSTELLUNGEN

Eberhard Hartwig, der Atelier-Inhaber, ist ausgebildeter Schriftsetzer, Drucker, Gestalter und Maler und studierte an der Universität der Künste in Berlin. Seit knapp 30 Jahren betreibt er eine eigene Werkstatt. In seinem Atelier gibt es zudem den Verlag Edition keller-druck. Der Eigenverlag existiert seit 1995 und brachte als erstes Buch „Eberhard Hartwig – Holzschnitte“ heraus, später Graphik-Kalender. Er gibt Unikate und Kleinauflagen heraus.

Und wer sich fertige Druckgraphiken unterschiedlicher Künstler anschauen oder erwerben möchte, hat dazu bei den wechselnden Ausstellungen im Atelier Gelegenheit. Derzeit läuft eine Präsentation von Arbeiten Eberhard Hartwigs selbst. Es ist bereits die 111. Ausstellung der Einrichtung. Sie vereint Lithographien, Monotypien und Radierungen – entstanden in den vergangenen 20 Jahren. 

-red-, Juni 2019