Räumliche Geschichtsfälschung an der Bornholmer

Liebe Leser, heute  gehe ich mit Ihnen in jene Ecke, die ich beim Kiezspaziergang am 4. Februar und 3. März nicht anlaufen werde. Denn dann werde ich vom Gleim­kiez zum Arnimplatz unterwegs sein und Sie in dieser recht ruhigen Gegend auch auf die schönen Geschäfte und Einrichtungen aufmerksam machen.

Kommt man aus Richtung Wedding auf die Bornholmer Straße fährt man über die „Bösebrücke“ (um­gangssprachlich meist als Born­holmer Brücke bezeichnet). Am 5. Juli 1948 wurde sie nach dem 1944 hingerichteten Wider­standskämpfer Wilhelm Böse benannt. Sie ist die  erste genietete Stahlbrücke Berlins, steht unter Denkmalschutz und trug von 1916 bis 1948 den Namen Hindenburgs. Die Brücke aus Nickelstahl wurde am 11. September 1916 feierlich eingeweiht.

Der S-Bahnhof Bornholmer Straße war ab dem 13. August 1961 ein so genannter „Geisterbahnhof“ und wurde erst am 22. Dezember 1990 zum Teil wieder eröffnet.

Vom alten Haupteingang rechts, wo sich einst die Grenz­ab­fer­tigungsanlagen befanden, steht seit November 2010 ein neuer Super­markt mit großem Kunden­parkplatz. Genau an DER Stelle, an der sich einst die PKW-Abfertigung der DDR-Grenzer befand.

Der 1990 errichtete Stein, der an den Mauerfall genau an dieser Stel­le am 9. November 1989 erinnert, hat die Straßenseite gewechselt. 2010 wurde dort der „Platz des 9. November 1989” eingeweiht, auf ihm ist eine Bildergalerie mit Fotos der Maueröffnung zu sehen, mit der an die Geschichte des Grenz­über­gangs auf der Bösebrücke erinnert wird, und auch der dorthin versetzte Gedenkstein. So wurde, wohl aus ökonomischen Gründen, eine „räumliche Geschichts­fäl­schung“ vorgenommen, die fast vergleichbar wäre mit Mauergedenkstätten am Bahnhof Zoo, auf der Münchener Festwies'n oder vor dem Dresdener Zwinger ... 

Kulturen anderer Art befinden sich ganz in der Nähe der Bornholmer Straße, an der Esplanade. Genauer in der Stavanger Straße: das sogenannte „Diplomaten­viertel“. Der ganze  Block  zwischen Bornholmer Str. und Esplanade ist so ganz anders Prenzlauer Berg, wie auch das Viertel rund um die Syringenplatz oder der „Volkspark Prenzlauer Berg“ an der Hohenschönhauser Straße. 

In der Stavanger Straße 20 hat die Republik Kuba ihre Botschaft. Trotz großer Armut sind gewisse Erfolge Kubas nicht von der Hand zu weisen. Niemand hungert, es gibt keine Analphabeten und die Gesund­heits­versorgung ist kostenlos. Das Land ist im Ver­gleich zu anderen lateinamerikanischen Ländern auch mit Computern relativ gut ausgestattet. Allerdings wird statt „Windows“ überwiegend die Freeware „Linux“ eingesetzt. Leider ist die deutsche Botschaft von Kuba derzeit im Internet nicht erreichbar.

Die Botschaft von Eritrea befindet sich in der Stavanger Straße 18. Auf der Webseite begrüßt der Botschafter alle Internetnutzer mit den Worten:

„Liebe Besucher, willkommen auf der Website der Botschaft des Staates Eritrea. Auf diesem Wege haben Sie die Möglichkeit Informationen über Eritrea, den jüngsten Staat des afrikanischen Kontinents, zu erhalten - einem Staat, der sich nach 30 Jahren Befreiungs­kampf seinen rechtmäßigen Platz im Kreise der Weltgemeinschaft hart erarbeitet hat.  ...“ Eritrea war lange Zeit Teil einer italienischen Kolonie und später eine „Provinz Äthiopiens“.

Ibsenstraße 14 ist die Adresse der Botschaft von „Bos­nien und Herzegowina“. Die unabhängige Repu­blik ging 1992 aus den jugoslawischen Teilrepubliken Bosnien und Herzegowina hervor und hat fast dieselben Grenzen, die das österreichisch-ungarische Okkupationsgebiet Bosnien und Herzegowina 1878 auf dem Berliner Kongress erhielt. Bosnien und Herze­gowina besteht seit dem Abkommen von Dayton aus zwei weitgehend autonomen Gliedstaaten, der Förde­ration Bosnien und Herzegowina und der Republika Srpska sowie dem Sonderverwaltungsgebiet Brčko-Distrikt.

Eine Besonderheit hier ist sicher die Währung. Die Konvertible Mark, kurz KM, ist seit 22. Juni 1998 in ganz Bosnien und Herzegowina gültiges Zahlungs­mittel. Sie steht im festen Verhältnis 1,95:1 zum Euro, ist an diesen gebunden und entspricht somit dem Wert der früheren D-Mark.

In der Stavanger Straße 17 ist die Botschaft der Republik Ghana. Die frühere „Goldküste“ in Westafrika grenzt an die Elfenbeinküste, Burkina Faso, Togo sowie im Süden an den Golf von Guinea und ist fast so groß wie Großbritannien, mit dessen Geschichte es durch die Kolonialzeit eng verbunden ist.

Benachbart befindet sich die Botschaft der Republik Kap Verde in Nr. 16.  Kap Verde ist ein afrikanischer Inselstaat mit der Hauptstadt Praia, bestehend aus den Kapverdischen Inseln mit neun bewohnten Eilanden im Zentralatlantik, 460 Kilometer vor der Westküste Afrikas. Der Archipel hat eine Landfläche von 4033 km² und etwa 516.000 Einwohner.

Die Republik Moldau sitzt mit ihrer Botschaft in der Gotlandstraße 16. Moldawien oder Moldau (offiziell auf Rumänisch Republica Moldova, deutsch Republik Moldau, vereinzelt auch Moldova) ist ein Staat in Südosteuropa, der im Westen an Rumänien, im Norden, Osten und Süden von der Ukraine umschlossen wird. Historisch gehörte das Territorium zum Einflussgebiet des Osmanischen Reiches sowie des Russischen Kaiserreichs. Als eigenständiger Staat existiert die Republik Moldau erst seit 1991, als sich die ehemalige Sowjetrepublik für unabhängig erklärte. Das Land hat nur etwa so viele Einwohner wie Berlin - ca. 3,5 Millionen. 

Rolf Gänsrich (Feb 2012)