JUBILÄUM

Die Kiezkantine

Eine besondere Einrichtung in Prenzlauer Berg feierte jüngst ihr 15-jähriges Jubiläum. In der Kiezkantine in der Oderberger Straße bereiten psychisch erkrankte Menschen gutes und günstiges Essen für alle. Einblicke in Geschichte und Anliegen dieser Gastwirtschaft.

 

Wie Orte sich wandeln und sich dennoch treu bleiben können: Die Kiezkantine – gelegen mitten auf der Oderberger Straße zwischen dem Stadtbad Oderberger und der ältesten Feuerwache Berlins – entstand bereits kurz nach dem Mauerfall in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Damals betrieben sie Mitglieder des Bürgervereins „So Oder So“ und der jungen Mietergenossenschaft „Selbstbau“ als Lokal für Genuss und Begegnung in der Nachbarschaft. Die ersten zehn Jahre war sie ein ABM-Projekt. Seit 2003 fungiert die Kiezkantine nun als Beschäftigungsprojekt für psychisch erkrankte Menschen. 

Der Name ist durchaus Programm geblieben. Wochentags gibt es verschiedene Gerichte zu günstigen Speisen – vegetarisch und mit Fleisch, regional und saisonal. Steckrüben-Eintopf steht ebenso auf der Karte wie Chili con Carne oder Auberginen-Auflauf. Dazu frische Salate. Die Speisekarte ist, den Besuchern entsprechend, zweisprachig in deutsch und englisch. Auch ein Catering bietet die Kiezkantine an. Das lässt sich ordern oder direkt in den eigenen Räumlichkeiten genießen.

Kiezkantine, Berlin Prenzlauer Berg
In der Kiezkantine Oderberger servieren psychisch Erkrankte wochentags Mittagessen. Grafik: Pinel

Betreiber der Kiezkantine ist die gemeinnützige Pinel-Gesellschaft. Sie betreibt in mehreren Berliner Bezirken unterschiedliche Einrichtungen der psychosozialen Versorgung. Wie in der Oderberger Kiezkantine bieten sie psychisch erkrankten Menschen Beschäftigung – und Dienstleistungen für die Berliner Bevölkerung. Das Spektrum reicht von Gastronomie über Shops und Kioske, Wäschereien, Hausmeister- und Garten-Service. 

„Wir orientieren uns in unserer Arbeit an der Vorstellung von einem ganzheitlichen Menschenbild.“, heißt es im Selbstverständnis der Gesellschaft, die ihren Hauptsitz in Schöneberg hat. „Wir betrachten Heilung nicht allein aus der Perspektive der Wiederherstellung von Leistungsfähigkeit, sondern vielmehr als Eingliederung des Menschen in die Gemeinschaft.“ Die ersten betreuten Wohngemeinschaften der Pinel wurden vor fast 40 Jahren im Jahr 1979 gegründet. In einer Zeit, in der hitzige Debatten über die Reformbedürftigkeit der Psychiatrie stattfanden und die Auflösung psychiatrischer Kliniken diskutiert wurde. Im Laufe der Jahre entwickelte Pinel ein vielseitiges Spektrum der Betreuung von Menschen mit psychischer Erkrankung. Es reicht von Wohngemeinschaften und Einzelwohnen, intensiv betreutem Wohnen und Appartementwohnen, über Arbeiten in Tagesstätten und den Zuverdienst bis zu Kontaktstellen. Aus der reinen Betreuung wurde Beschäftigung – und mit dem Vertrauen in die Arbeitsfähigkeit Erkrankter kommt das ganzheitliche Menschenbild zum Tragen. 

Gemeinsam mit Gästen aus Politik und Gesellschaft und MitarbeiterInnen feierte die Pinel im Dezember 2018 das 15-jährige Bestehen ihrer Kiezkantine in der Oderberger Straße 50. Neben kulinarischen, kulturellen und musikalischen Genüssen, von den Mitarbeitenden selbst zubereitet und dargeboten, gab es auch Gespräche über die Bedeutung von Arbeit – nicht nur für psychisch Leidende  – über soziale Verantwortung, gesellschaftliche Integration und sozialen Zusammenhalt.

-red-, Jan. 2019