ARCHITEKTUR

Expressionismus und Sehnsüchte

Zwei ganz unterschiedliche Ausstellungen präsentiert das AEDES Architekturforum in der Christinenstraße in diesem Monat. Eine Hausgeschichte und die Historie eines Architekturbüros anhand seiner Entwürfe zeigen die Bandbreite gestalterischen Schaffens.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Ein Haus als Kunstwerk: Die Geschichte des Berliner Hauses Buchthal zeigt eine AEDES-Ausstellung.

Noch bis zum 6. Dezember ist im AEDES Architekturforum „Expressionismus und Neue Sachlichkeit“ zu sehen. Die Ausstellung präsentiert in Bildern, Plänen und Zeitdokumenten die Geschichte des Hauses Buchthal in Berlin-Westend. Das Haus aus den Jahren 1922/23 war in seiner Urform eine der wenigen Villenarchitekturen des Expressionismus in Berlin.  

Niemand geringeres als die Brüder Hans und Wassili Luckhardt – später berühmt geworden durch die weißen Häuser am Rupenhorn – zeichneten gemeinsam mit dem Architekten Franz Hoffmann für dieses gebaute Manifest der Avantgarde verantwortlich. Und sie zogen alle Register: kantige, kristalline Räume, starke, kontrastreiche Farben, Ausstattung durch expressionistische Künstler wie Oswald Herzog und Moriz Melzer, schließlich ein Garten, wie ihn Berlin noch nicht gesehen hatte. Blumenrabatten zeigten wie Pfeile auf das Haus, der Rasen wurde im Grundriss eines Ahornblattes gesät. Auftraggeber und Bewohner war das kunstsinnige jüdische Ehepaar Eugen und Thea Buchthal. An den Wänden hing ihre Kunstsammlung mit Werken von Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Emil Nolde und vielen anderen. Doch bereits nach wenigen Jahren war die Familie mit ihren drei Kindern des Wohnens in einem Kunstwerk überdrüssig. 

Es folgte der erste, durchgreifende Umbau durch den Loos-Schüler Ernst Ludwig Freud, den Sohn Siegmund Freuds, der das Haus 1929 im Stil der Neuen Sachlichkeit von allen Ecken und Kanten befreite. Von der Geschichte des Hauses nicht zu trennen ist das Schicksal der Familie Buchthal, die nach 1933 aus Deutschland emigrieren und Villa und Kunstsammlung verkaufen mussten. Weitere bauliche Veränderungen nahm nach 1945 der nunmehrige Eigentümer, der Opernsänger Dietrich Fischer-Dieskau, vor. 

Entlang der Zeitschichten

Entdeckt wurde die Geschichte des Hauses durch einen Zufall. 2015 wurde Ursula Seeba-Hannan mit dem Umbau des renovierungsbedürftigen Hauses beauftragt. Die folgenden Recherchen führten tief in Archive in Berlin und London. Behutsam wurden die Zeitschichten des Hauses freigelegt. Die daraus gewonnenen vielfältigen Erkenntnisse flossen in das Sanierungskonzept ein. Es gelang, aus Erinnerungsscherben ein schillerndes Mosaik zusammenzusetzen, das die Bedeutung dieses außergewöhnlichen Hauses und seiner früheren Bewohner zu verdeutlichen vermag. 

Die Ausstellung zeigt nicht nur die faszinierende Geschichte des Hauses und seine komplexe Baugeschichte. Sie schildert auch die Bewohner und ihre Gäste in den verschiedenen Epochen. Mit historischen Fotos und Plänen sowie Aufnahmen des aktuellen Sanierungsprozesses demonstriert sie zudem auf eindrückliche Weise den beispielhaften Umgang mit einem bedeutenden Baudenkmal, das in seiner Urform eine faszinierende Ikone expressionistischer Architektur gewesen ist.

Kiezblatt Prenzlauer Berg Magazin
Orte für die Sehnsüchte der Menschen: Bauten des Büros Gerber Architekten sind ab Mitte Dezember im AEDES zu sehen. Repros (2): al

Meilensteine aus fünf Jahrzehnten 

„50 Jahre Gerber Architekten“ heißt die zweite Ausstellung, die ab 11. Dezember im AEDES Architekturforum zu sehen ist. Vor 50 Jahren begann Eckhard Gerber in Meschede seine selbstständige Tätigkeit als freischaffender Architekt. Grundlage der Bürogründung mit dem Namen „Werkgemeinschaft 66“ waren gewonnene Wettbewerbe, an denen er schon während seines Studiums arbeitete. Über die vielen Jahre erfolgreicher Arbeit ist das Büro, das seit 1979 in Dortmund ansässig ist, stetig gewachsen. Gerber Architekten zählt heute rund 170 Mitarbeiter mit weiteren Büros in Hamburg, Berlin, Riad und Shanghai. 

Die Ausstellung zum 50-jährigen Jubiläum von Gerber Architekten präsentiert am Beispiel von ausgewählten Bauten die verschiedenen Strategien und Herangehensweisen des Büros, dessen erklärtes Ziel es ist, Orte zu schaffen, die die Menschen berühren und ihre Sehnsüchte wecken.

Anhand von Zeichnungen, Modellen, Fotos, Renderings, Büchern und Filmen werden die Projekte im Kontext des jeweiligen Zeitgeistes und den immer wieder neuen Bauaufgaben aufgezeigt, die sich mit unterschiedlichsten städtebaulichen, funktionalen, kulturellen und gestalterischen Themen auseinandersetzen. Das Herleiten aus der Besonderheit des Ortes, seiner Geschichte, seiner Topographie und der umgebenden Bebauung, das Klima und die Erschließung, aber auch - und heute besonders - die energetisch-ökologischen Belange sind weitere wichtige Parameter in der jeweiligen Projektarbeit. Die Verknüpfung von Architektur und Landschaft bzw. dem Stadtraum steht dabei immer im Mittelpunkt der gestalterischen Arbeit. Dabei kann das Gebäude in die Landschaft oder den Stadtraum eingebettet sein, die Umgebung in das Gebäude hinein fließen oder über formulierte Blickbeziehungen eine Verbindung beider geschaffen werden. 

Gezeigt werden u. a.: die Staats- und Universitätsbibliothek in Göttingen 1993, das Harenberg City-Center in Dortmund 1994, die Neue Messe in Karlsruhe 2003, die Biologischen Institute der TU Dresden 2005, der RWE Tower Dortmund 2005, der U-Turm-Zentrum für Kunst und Kreativität in Dortmund 2010, die King Fahad Nationalbibliothek in Riad 2013, die Kopfbauten des Weltquartiers Wilhelmsburg in Hamburg 2014, die Justus-Liebig-Universität in Gießen 2016, das Koranmuseum in Al Madinah al Munawarah und die Haram Intermodal Metrostation in Riad/Saudi-Arabien, sowie das Bürogebäude HEHE Holdings in Taiyuan/China, die sich in Planung befinden. 

Zum 50-jährigen Firmenjubiläum erscheint das Buch „Eckhard Gerber Baukunst 2 – Gerber Architekten Projekte und Bauten“, herausgegeben von Frank R. Werner, im Jovis Verlag.

Mehr auf: www. aedes-arc.de

-red-, Dez 2016