DIE BEZIRKSGRENZE (39)

Die Gormannstraße

Bevor wir uns im Januar mit der für uns unlogischen Grenzziehung an der Torstraße befassen, dreht es sich in dieser Folge der Reihe um den Zweig der Gormannstraße, der nicht am Prenzlauer Berg endet.

„Jips jips inne Jipsstraße bei Jips!“, pflegte mein Vater, der kam „vom Bau“, immer zu sagen, wenn er vor meinen staunenden Kinderaugen „Gips“ einrührte, um irgendwelche Löcher oder Risse in Wänden zu verspachteln. Die Gormannstraße beginnt im Scheunenviertel an der Gips- / Weinmeisterstraße und führt über die Torstraße bis an den Prenzlauer Berg.

Dabei läuft die Gormannstraße an der Rückseite des „Alter Garnisonfriedhof“ vorbei. Dessen Eingang ist in der „Kleine Rosenthaler Straße“. An der Ecke zur Linienstraße befindet sich ein besetztes Haus, die „Linie 206“, ein alternatives Wohnprojekt. Es wirkt in diesem Schicki-Micki-Kiez mittlerweile wie aus der Zeit gefallen, aber es lebt. Und das ist gut so! Besetzt wurde es im Zug der politischen Wende 1990, geräumt wurde es in den dreißig Jahren seines Bestehens einige Male, aber tot gesagte, leben länger und so halten die Besetzer weiter tapfer durch.

Der „Alter Garnisonfriedhof“, kaum fünfzig Meter vom Prenzlauer Berg entfernt, ist einer der ältesten Berliner Friedhöfe. Er wird ähnlich genutzt, wie der Friedhofspark zwischen Pappelallee und Lychener Straße. Es ist ein offenes Gelände mit sehr vielen Ehrengräbern. Freiräume wie dieser müssen in der Stadt als Kälteinseln in den immer heißer werdenden Sommern erhalten bleiben. 

Gormannstraße Berlin  Prenzlauer Berg
Die Gormannstraße beginnt im Scheunenviertel an der Gips- / Weinmeisterstraße und führt über die Torstraße bis an den Prenzlauer Berg.

Der Friedhof wurde bereits um 1706 gegründet, wobei die genauen Zeitangaben hierzu nicht überliefert sind. Damals erhielt die schon 1655 gegründete evangelische Garnisongemeinde Berlins auf Anweisung des Königs Friedrich I. für die Bestattung ihrer Toten ein Grundstück am damaligen Stadtrand, zwischen dem Rosenthaler und dem Schönhauser Tor. Dieses Grundstück war wesentlich größer als der heute erhaltene Friedhof, da er auch das Gelände östlich der heutigen Gormannstraße beinhaltete. Dieser östliche, der „Soldatenfriedhof“ oder „Gemeinen-Friedhof“ genannte Teil wurde 1867 geschlossen und anschließend bebaut, während der westliche Teil an der „Kleine Rosenthaler Straße“ vornehmlich als Begräbnisstätte für Offiziere des preußisch-deutschen Heeres genutzt wurde. Zum Kriegsende 1945 entstanden hier noch Massengräber. Ab 1951 sollte er geschlossen werden, allerdings fanden bis 1961 noch Erbbegräbnisse statt. Der Friedhof gilt heute als denkmalgeschützte Parkanlage und steht unter der Verwaltung des Bezirks Mitte. Nur 180 von ursprünglich insgesamt 489 Grabmälern sind erhalten. Dazu zählen unter anderem viele gusseiserne Kreuze und Bronzereliefs.

Die Alte Garnisonkirche stand zwischen heutigem Litfaßplatz und Garnisonkirchplatz in der Verlängerung der Spandauer Straße zum Bahnhof Hackescher Markt (dort wo heute die Straßenbahnlinie M4 einsetzt). Die Kirche wurde 1720, nachdem eine Pulverexplosion den Vorgängerbau an gleicher Stelle zerstört hatte, neu gebaut, brannte nach einem Bombentreffer am 23. November 1943 komplett aus und die Ruine wurde 1962 abgerissen.

Erhalten ist das Predigerhaus (Frommel-Haus) in der Anna-Louisa-Karsch-Straße und der berühmte Spruch in goldenen Buchstaben über dem Eingangsportal von 1720: Ein Adler mit NON SOLI CEDIT (lateinisch: Er weicht der Sonne nicht) – der preußische Adler weicht dem Machtanspruch des Sonnenkönigs (Ludwig XIV. von Frankreich) nicht.

Rolf Gänsrich, Dez. 2019

www.rolfgänsrich.wordpress.com