KULTURELLES LEBEN

Das Colosseum stirbt

Ein Kino macht dicht. Es ist nicht irgendein Kino, was schlimm genug wäre, es ist das Colosseum. Premierenkino, Berlinale-Kino. Eines der traditionsreichsten Häuser Berlins. Die Belegschaft kämpft für den Weiterbetrieb.

Das Colosseum an der Schönhauser Allee stellt den Betrieb ein, der Eigentümer hat Insolvenz angemeldet. Was steckt hinter der Schließung des Colosseums? Die offizielle Begründung des Insolvenzverwalters Sebastian Laboga lautet: Corona. Wegen der Hygiene-Auflagen zum Schutz vor Infektionen sei ein rentabler Betrieb auf absehbare Zeit nicht mehr möglich, zumal das Haus wie alle Kinos in Berlin rund drei Monate geschlossen bleiben musste. Um die Kosten einzuspielen, müssten durchschnittlich 70 Prozent der Plätze belegt sein. Dies sei nicht zu erreichen, wenn Besucher 1,50 Meter Abstand voneinander halten sollen. Der 43köpfigen Belegschaft wurde bereits zu Ende Mai gekündigt, Gehälter für den Mai nicht mehr ausgezahlt. Seit Mitte Juni ist das Team von der Arbeit freigestellt. Einen Sozialplan soll es laut Auskunft des Insolvenzverwalters Sebastian Laboga nicht geben. 

#Colosseum #PrenzlauerBerg
Kann das Colosseum-Team das Kino retten? Der Besitzer hat Insolvenz angemeldet. Foto: Team Colosseum

„Nun zeigt sich, dass wirtschaftliche Gründe infolge der ausbleibenden Einnahmen während der Corona-Krise nicht oder nur teilweise für die Schließung des geschichtsträchtigen Hauses verantwortlich sind.“,  so Daniela Baumann und Michel Rieck, die SprecherInnen des Colosseum-Teams. Vielmehr soll das Grundstück samt Gebäude veräußert werden, ein Bürokomplex statt des Kinos am Standort Schönhauser Allee/Gleimstraße ist im Gespräch. Dass der Hauseigentümer den Pachtvertrag zum Jahresende gekündigt hat, bestätigt auch der Insolvenzverwalter. An einen anderen Kinobetreiber soll nicht vermietet werden, ein neuer Film-Investor sei nicht erwünscht. Beim Hauseigentümer handelt es sich um Sammy Brauner, den Sohn des Filmmoguls Atze Brauner.

Atze Brauner hatte das Haus 1992 erworben, 1997 wurde es als Multiplex-Kino wieder eröffnet, seit 2006 gehört es zur UCI-Kinogruppe. „Die emotionale Bindung an den Ort, sowohl für die Belegschaft, die BesucherInnen und die AnwohnerInnen, ist groß.“, so das Colosseum-Team. „Um eine Schließung zu vermeiden, haben die MitarbeiterInnen auf der letzten Betriebsversammlung einstimmig beschlossen, den Spielbetrieb fortzuführen.“ Und sie machen mobil, mit vielerlei Mitteln. Sie kontaktierten Bezirksbürgermeister Sören Benn und Pankower Abgeordnete, flaggten Hilferufe am Portal des denkmalgeschützten Hauses. Auf den Social-Media-Kanälen bittet das Kino-Team unter „#RettetDasColosseum“ um Unterstützung. Eine öffentliche Trauerfeier am 2. Juli vor dem Colosseum liegt genau an dem Tag, an dem Kinos in Berlin wieder öffnen dürfen. 

Mit seinem Protest hat das Team unzählige UnterstützerInnen hinter sich. Nicht nur die KinobesucherInnen, 2019 kamen 350.000 Menschen zu den Filmvorführungen. Auch die InhaberInnen der Cafes, Restaurants und Läden rund um das Haus unterstützen den Kampf um den Erhalt. Sie profitieren schließlich von der kulturellen Anziehungskraft des Kinos. Bleibt das Publikum aus, fehlt es auch an Leben im Kiez. 

Und nicht zuletzt, es fehlt ein traditionsreiches Kino: Hinter dem Colosseum steht eine fast hundertjährige Kinogeschichte. Die ehemalige Straßenbahn-Wagenhalle aus dem Jahr 1894 wurde 1924 als Kino eröffnet – mit bis zu 1.000 Plätzen. Nach dem Krieg diente das Colosseum zunächst als Kriegslazarett, später als Wärmehalle und schließlich als Theaterspielstätte. 1957 wurde die Wiedereröffnung als Kino gefeiert. Viele Jahre lang war das Colosseum das Premierenkino Ost-Berlins und damit der gesamten DDR. Nach der Wende nutzte auch die Berlinale das Kino für Vorführungen.

-red-, Juli 2020

Mehr Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten: instagram.com/rettetdascolosseum oder facebook.com/RettetDasColosseum