„Gehen Snapps saufen on the Helmi”

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Helmholtzkiez
Kunst auf dem Helmi

In der Lychener Straße gibt’s seit Jahren eine Kita. Ursprünglich mal in einer Baracke auf einer Brache untergebracht, zeigt sie sich heute modern. Das Areal liegt quasi hinter der Berufsschule in der Pappelallee. Ich staunte nicht schlecht über die frisch sanierten, schön ordentlichen Innen­höfe. Die Kita ist nun in einem modernen, neuen Lückenbau. Der dazugehö­rende Spielplatz ist übersichtlich und für meinen Geschmack zu ordentlich. Gehört nicht zu einem Spielgarten auch 'ne „verwunschene“ Ecke mit Brennnesseln und dornigem Gestrüpp, in dem Kobolde, Prinzessinnen und Hexen hausen? Nein, statt dessen ein Splitter freier Kletter­baum, puffig weicher Sand, garantiert antibakteriell und seidenweiche Seile, damit sich die lieben Kleinen gar nicht erst verletzen. Dabei sind es doch gerade solche Erfahrungen, die im Leben zählen. Dagegen sehen die Wege hart wie Beton aus.

Gut dann also ein paar Tage später mit unserem Fotografen Bernd Kähne bei Regen Mal draußen kurz „Luft schnappende“ Erzieher zu den Wegen gefragt: Ist es Beton?

Nein, gleich die Antwort, das ist so ein Belag, wie er in Stadien verlegt wird. Ja, wie die Laufbahnen im Olympiastadion! … Halt federnd, weich, verletzungssicher. Da rutschte gleich meine eigene Jugend wieder in die Erinnerung, mit den ständig aufgeschlagenen Knien und der brennenden Jodtinktur. Ist alles besser heute ...

Weiter in Richtung Mach-Mit-Museum, denn da hab ich einen Termin.

Auf dem Mittelstreifen des Helmholtz­platzes ist gerade wieder mal „Tanz mit Gesang“ angesagt. Der Platz ist in der Alkoholikerszene mindestens europaweit ein Begriff und sie lässt sich, zum Glück, dort auch nicht vertreiben. „Gehen Snapps saufen on the Helmi“ ist angeblich sogar in London ein Begriff, erzählte mir Ranny letztes Jahr! Heute intoniert bei Nieselregen eine „Dame“ zeitlosen Alters schon um dreizehn Uhr in den schiefsten Tönen, die es gibt, … einen beim zweiten Hinhören mir doch nicht ganz unbekannten Schlager von „Cindy & Bert“ aus vollster Kehle. Dazu setzt mehr oder weniger rhythmisch ein gleichfalls schon angetrunkener Herr seine Beine, einen Tanz andeutend und klatscht dazu über dem Kopf, etwas asynchron und unrhythmisch, in die Hände. … A moards Gaudi! …

Im Mach-Mit-Museum sind wir mit dem Leiter der Einrichtung, Herrn Wobig, verabredet. Sehr enthusiastisch berichtet er und führt uns herum. „Laut!“, denke ich im ersten Moment. Wenn man an andere Museen denkt, gibt’s da nur ein gedämpftes Grund­murmeln, hier ist lautes, übermütiges Kinderge­kreisch. Offenbar ist diese Einrichtung genau das Richtige in diesem Sommer. Hier können Kinder spielen und bekommen, quasi nebenbei, noch Wissen vermittelt.

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Das "Ausland", nichtkomerzeilles Kunstprojekt

Was mir auch auffällt, sind die fehlenden Personen in der Uniform von Hungerlohn zahlenden Wach­per­sonal-“-Dienstleistern“, die die Besucher ständig daran hindern müssen, die Ausstellungsstücke zu berühren. Eine Bekannte von mir arbeitet so im „Zeughaus“ Unter den Linden. Viele Überstunden, kaum Zuschläge und am Monatsende muss sie noch mit „Hartz-IV“ aufstocken. Also solche Leute fehlen hier, denn wie der Name es vermuten lässt, soll man im „MACHmit! Museum für Kinder” anfassen, mitmachen, teilnehmen, selber probieren.

Die Einrichtung wurde vor zwanzig Jahren als „Kinder & Jugend Museum Prenzlauer Berg“ in einem Bau­wagen auf dem Kollwitz platz gegründet. Im Jahr 1993 ging es erst in die Kapelle in der Fröbelstraße und dann in die Grundschule in der Ibsenstraße. 1994 ein erneuter Umzug, nun in einen Projektraum in der Schivelbeinerstraße, der 1995 auf insgesamt 230 m² erweitert wurde. Die Örtlichkeiten platzten bald aus allen Nähten und so machte man sich 1999 auf die Suche nach größeren Räumen. Man wurde fündig in der Eliasgemeinde. Der Gemeindekirchenrat bewertete das Museumskonzept positiv für die Umnutzung der Eliaskirche und im Jahr 2001 übertrug die evangelische Landeskirche das Erbbaurecht für die Eliaskirche auf die „JugendMuseum im Prenzlauer Berg gGmbH“.

In diesem Monat, am 25. August, feiert man im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“ das 20-jährige Bestehen der Einrichtung.

Interessant ist vielleicht noch, dass die ursprüngliche Kirchen­orgel aus dem Jahre 1910, von der Stettiner Firma „Barnim Grüne­berg“ gebaut, denkmalgerecht wieder hergestellt werden soll.

Was mich im Innern des Hauses so faszinierte, war das riesig hohe Kletterregal im Kirchturm. Überhaupt sieht man im Inneren von der eigentlichen Kirche so gut wie gar nichts mehr.

Weitere Highlights sind, neben vielen anderen Dingen, ein im Frühjahr im Turm brütendes Turm­falkenpaar, das man via Bildschirm im Café der Einrichtung direkt beobachten kann. Auch ein eigener Bienenstock gehört zum Objekt. Die Eintrittspreise sind für meine Begriffe human gehalten. Das Museum ist täglich, außer montags, geöffnet.

Die Eliaskirche wurde als „Roter Klinkerverblendbau“ 1908/10 nach Plänen von G. Werner erbaut. Flankiert ist er von zwei ungleichen Türmen mit Schieferhelmen. Nach der Beseitigung von Kriegsschäden wurde der Altar­raum 1960 neu gestaltet.

Dass in Deutschland immer mehr Kir­chen „umgewidmet“ werden, hängt u. a. damit zusammen, dass den großen Konfessionen schon seit Jahrzehnten die Mitglieder weglaufen. Deshalb sieht sich die Kirche immer häufiger gezwungen, sich von Immobilien zu trennen. Wenn dabei dann solche Institu­tionen wie dieses Museum in ehemalige Kirchengebäude einziehen, kann man das sicher Für durchaus vertretbar halten.

Rolf Gänsrich (Aug 2012)