Ein Ort der Selbermacher

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Das war mal eine Tankstelle, jetzt ist es Markt und Kunst und ein verwunschener Ort: Schwedter Straße/Ecke Templiner.

Es ist das offene Geheimnis von Geheimtipps: Sobald sie als Geheimtipps bezeichnet werden, sind sie schon keine mehr. Das ist manchmal schade, manchmal ist es gutes Marketing. Dem Makers Market in der Schwedter Straße ist beides zu wünschen: Sich seine gelassene, nahezu intime Atmosphäre zu bewahren und gleichzeitig Publikum zu halten und zu finden, das diese zu schätzen weiß.

Es ist ja ein fast verwunschener Ort, dieses kleine Quadrat an der Ecke Schwedter/Termpliner Straße. Die alte Tankstelle, schon in den 80ern geschlossen, ist bunt bemalt und verströmt noch immer Geruch nach altem Öl. Oder narrt die Kulisse bloß die Sinne? Dahinter, am Fachwerkhaus, wuchert wilder Wein. Blumen wachsen an abblätternden Mauern, verblichene Orientteppiche liegen auf alten Holzbänken zum Sitzen ausgebreitet. Fehlen nur noch die streunenden Katzen. 
Es ist ein Ort, den wir inzwischen eher in Kreuzberg vermuten würden denn in Prenzlauer Berg, gewachsen in stiller, kreativ-urtümlicher Gelassenheit der Großstadt. Irgendwie übersehen von Verdichtungswillen und Urban Living, von Trends und Styles und all diesem anderen Schnickschnack.
Das also ist der Rahmen. Drinnen treffen wir auf Kunst und Kunstgewerbe und lernen darüber die Menschen kennen. Und manchmal, nein häufiger, ist es andersrum.
Da wäre zum Beispiel von jenem Pfälzer zu erzählen, der kleine Möbel und Wohnaccessoires aus alten Weinkisten baut. Nichts besonderes eigentlich, es ist ja gerade hipp, seine Schuhe in ein Regal aus alten Weinkisten zu stellen oder seine Einkäufe in einer alten Weinkiste hinten auf dem Fahrrad zu transportieren. Zu etwas Besonderem machen diese Teile die Erzählungen des Mannes. Wie die Kisten vor 30 Jahren schon Weinflaschen bargen, dass die Winzer mit den alten Kisten nichts anzufangen wussten, dass heutzutage die Weinkisten aber rar werden. Unikate sind sie also, die Weinkisten-Gewürzregale und Fernsehtruhen, eine aussterbende Spezies gewissermaßen, die Küchenrollenhalter und Garderobenhaken. Und ihre Geschichten sind schön und amüsant und verkaufsfördernd, ohne dass sie absichtsvoll daher kommen.

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Ledertaschen direkt vom Fahrrad: Künstler auf dem Makers Market. Fotos (3): al

Nach einigen solcher Begegnungen wissen wir ohnehin nicht mehr, ob die Menschen eher Geschichten erzählen wollen oder plaudern oder ihre Werke verkaufen. Das wird dann auch unwichtig, weil sich Menschen und Markt und Geschichten zu etwas Unvermutetem vermischen. Wie die Erzählung des Holzbauers, der Spielzeug aus verleimten Spanplatten anbietet. Presslufthämmer und Schraubenschlüssel, Küchenmixer und Bügeleisen. „Ich mache all das zum Spielzeug, was Kinder im Original noch nicht benutzen dürfen“, sagt der Mann mit leichtem sächsischen Akzent. Das ist pädagogisch sicher nicht besonders korrekt und möglicherweise hängen sich viel mehr Erwachsene die hölzernen Technik-Dinge als Deko in die Wohnung, in einem Anflug von hipper Nostalgie. Aber sei' s drum. Wieder eine schöne Geschichte, was Menschen so machen, wenn sie sich inspirieren lassen. Und wieder schöne Dinge dazu.
Es ist ein Markt von Menschen, die stolz auf ihr Selbstgemachtes sind und untrennbar mit ihren Arbeiten verbunden scheinen. Der Ledertaschen-Näher oder die junge Ungarin, die Fahrrad-Lenker-Handtaschen herstellt. Die englisch sprechende junge Mutter, die Postkarten und Poster mit Füchsen und Großvätern bemalt, die aussehen, als wären es Illustrationen für russische Kinderbücher. Auf die Frage, ob sie denn Kinderbücher illustriere, antwortet sie: „I wish it.“ Viel Glück ist ihr für diesen Wunsch zu wünschen, ebenso wie der schüchternen Polin, die Muscheln als Kühlschrankmagneten verkauft. „Ich gehe so oft am Strand spazieren und kann nicht aufhören, Muscheln zu sammeln. So finden sie wenigstens eine Verwendung.“ sagt sie und gibt die Einzelteile für zwei Euro her. „Wenn der Magnet nicht hält, dann bringen Sie es wieder zurück. Ich habe noch nicht so viel Erfahrung.“

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Schöne Poster, schöne Postkarten, schöne Visitenkarten gibt es auf dem Makers Market.

Es fehlen die üblichen Marktstände mit den üblichen marktkonformen Angeboten. Das ist gut so und bleibt hoffentlich auch so. Der Makers Market lebt von und durch seine Macher, jeden Monat sind es andere, kommen neue hinzu. Die Möbelmacherin, die aus alten Schränken neue Schränke herstellt oder alte Koffer aus Holz. Die Strickerin und die Hula-Hoop-Reifenmacherin. Die Frau, die kleine Taschen mit Bildern rothaariger Frauen bedruckt. Die Seifenhersteller, und der Schokoladenmann mit kandierten Kakaobohnen aus Fair-Trade. Das passt alles hierher und alles zusammen. Und ganz oft kommt uns der Gedanke, dass wir solch schöne Dinge auch selbst machen könnten. Also ist es nicht nur ein Markt der Geschichten und Begegnungen, es ist auch ein Markt der Inspirationen. Mehr will der Makers Market vielleicht gar nicht sein.
Am Ende dann, nach zweistündigem Marktbummel mit Espresso-Pause und Spargel-Knackwurst, noch einmal eine schöne Geschichte. Von einer Frau mit schönem Schmuck und flotten Sprüchen: „Zweimal am Tag gehen diese Uhren richtig“, sagt sie über ihre Ohrringe aus Uhrenzifferblättern, auf denen es zehn nach zehn ist. „Immerhin, andere Uhren gehen nie richtig.“
Der Makers Market an der Tankstelle ist ein bisschen das, was wir Großstädter suchen, wenn wir im Sommer und Herbst aufs Brandenburger Land fahren: Dass die Taxifahrerin ihrem Fahrgast die Hand zur Begrüßung gibt und sich namentlich vorstellt, oder dass jemand gut gelaunt anhält, wenn wir mit Reifenpanne am Radweg stehen. Der Fernsehmoderator Max Mohr, der einmal Dieter Mohr hieß, hat eine ganze Serie von diesen sehnsüchtigen Begegnungen in Brandenburg für den rbb gedreht. Ist doch irgendwie beglückend, dass sich diese Sehnsucht auch mitten in Prenzlauer Berg stillen lässt. Es duftet nur nicht so gut nach Heu und Honig.
Dafür atmet es Kreativität. Wie auch die ganz nebensächlichen Fundstücke vom Makers Market. Die vielen schön gestalteten Visitenkarten als Zeugen vieler eindrücklicher Begegnungen. Hängen zusammengefügt als kleines Bilder-Mosaik unter dem neuen Weinkisten-Gewürzregal in der Küche. Den schönen Schrank aus einem alten Schrank hat uns eine junge Frau mit Babybauch weggeschnappt. Schade, den gabs auch nur einmal.
Katharina Fial (Sep 2014)

Makers Market, jeden 1. Sonntag im Monat ab 12 Uhr an der

Schwedter Straße/Templiner Straße. Infos: www.makersmarket.de