Wo das Licht des Frühlings wohnt

Wo lässt sich das erste Knopsen des Jahres entdecken, wo riecht es nach feuchter Erde und wachsen knorpelige Bäume? Im dicht bebauten und besiedelten Winskiez gibt es zweimal Grün. Urwüchsig ist das Grün nur im Leise-Park. 

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Es gibt wieder Schatten, die Sonne ist wieder da. Im Leisepark.

Hinaus, die Sonne einfangen. Sie kehrt ja nun zurück und wird heller, jeden Tag ein wenig mehr. Im Juli, wenn wir in der Sommerwärme des Abends auf unseren Balkonen sitzen und Richtung Westen in den Sonnenuntergang schauen, im Juli haben wir den Moment des ersten Frühlingslichtes längst vergessen. Aber jetzt, in diesen Tagen, ist jeder Moment Sonne ein Zauber-Moment. Das Licht ist im langen Großstadt-Winter kostbar geworden.    

Jetzt zaubert das Licht wieder Schatten auf die Wege im Leise-Park. Die Bäume, noch blattlos, erscheinen doppelt. Die Originale riechen nach feuchter Rinde und Moos. Ihre Schatten-Doppelgänger liegen geräuschlos auf dem Sand des Weges. Vor mehr als 200 Jahren hat der Dichter Adelbert von Chamisso die wundersame Geschichte Peter Schlemihls erfunden, der seinen Schatten verkaufte und dafür einen Sack Gold erhielt, der sich nie erschöpfte. Schlemihl wurde reich und einsam. Mit seinem Schatten-Doppelgänger war ihm auch seine menschliche Identität genommen. Die Menschen fürchteten sich vor ihm und mieden den Kontakt. Adelbert von Chamisso, gebürtiger Franzose, liegt auf einem Kreuzberger Friedhof begraben. Seine wundersame Geschichte adaptierten nachfolgende Dichtergenerationen, später auch Filmemacher.

Die Schatten der Bäume im Leise-Park haben harte Konturen. Das liegt an der ungewohnten Helligkeit des Frühlingslichtes. Auch das Eichhörnchen, das im noch welken Grün der Wiese scharrt, wirft einen harten Schatten. Flink beugt es sich nieder, flink richtet es sich lauschend auf. Sein Eichhörnchen-Schatten rast mit der Eichhörnchen-Bewegung mit. Gebückt – kerzengerade – gebückt – kerzengerade. Bis die menschlichen Geräusche das scheue Tier den Baum hoch flitzen lassen.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Ein bisschen Dickicht: Frühlingslicht und -schatten im Leisepark. Fotos (2): al

Der Leise-Park in der Heinrich-Roller-Straße ist eine der beiden Grünanlagen im Winskiez. Der Platz an der Marie ist die zweite. Urwüchsig, zumindest im urbanen Maßstab, ist nur der Leise-Park. Auf der Marie warten die kleinen Bäumchen noch ein paar Jahre auf ihr Wachstum, der Wasserspielplatz noch ein paar Wochen auf Wasser. Über die Freiflächen weht der Wind den Müll großstädischen Familienlebens. Der Platz an der Marie, von den Anwohnern einst selbst erfunden und mitgeschaffen, vermüllt zunehmend. Jetzt liegt, nach viel Aufregung und TamTam, die Müll-Frage beim zuständigen Bezirksstadtrat auf dem Tisch. Die für einen Öko-Kiez doch recht eigenwillige Frage lautet: Wer kümmert sich um mehr Mülleimer für dieses immer Mehr an Müll?

Wer in diesen ersten Lichttagen des Jahres die Sonne einfangen will, der muss in den Leise-Park. Hier wirft sie Schatten und zeichnet im Wechselspiel von Hell und Dunkel die kleine Landschaft nach, teilt sie in kultiviert und urwüchsig. Vom Süden her, vom Fernsehturm, scheint die Sonne mittags über die Friedshofsmauern unterhalb des Parks. Einige der hölzernen Spielgeräte samt Grünfläche drumherum liegen im Licht. Ins Unterholz des kleinen Walddickichts rechts hinter dem Eingang dringen nur wenige Strahlen. Hier riecht es am stärksten. Nach feuchter Erde, die das bisschen Frost des Winters abschüttelt und nach dem Fuchs, der hier wohnt. Ein Schild weist darauf hin. Jetzt, in der kleinen Mittagswärme, hockt da eine stolze Krähe wie eine einsame Skulptur.

Vor rund dreieinhalb Jahren wurde der Leise-Park eröffnet, auch er ein Mitmach-Produkt der Anwohner. Uralte Kastanienbäume, dicht stehende Nadelbäume und Sträucher, Spielgeräte, Sitzbänke und schmale Wege machen den Charme des einstigen Friedhofgeländes aus. Ein paar alte Grabsteine und Stelen erinnern noch an die frühere Ruhestätte. Um sie, so scheint es, macht das Licht einen Bogen. 

Der Hauptweg führt bis zum Gittertor, hinter dem noch Friedhof liegt. In Sichtweite fast die bunten Kindergräber, jedes von ihnen mit den Utensilien und der Liebe der zurückgebliebenen Eltern geschmückt. Vor dem Tor zum Friedhof teilt sich der Hauptweg des Leise-Parks. Rechts führt er im Halbkreis um das kleine Dickicht. Dicht hinter der Mauer ragen die Hinterhäuser der Heinrich-Roller-Straße empor und rahmen das Grün. 

Links ist der Weg zunächst ein Pfad über eine Freifläche, bis er zum angelegten Weg entlang von Gräbern und Bänken wird. Den Weg nach rechts ums Dickicht gehen die, die ihre Ruhe und eine Ahnung von Wald haben wollen. Den Weg nach links um die Freifläche gehen die Licht-Sucher. Am Ende beider Wege, die zurück zum Eingang des Leise-Parks führen, am Ende treffen alle wieder auf die Schatten-Doppelgänger der uralten Kastanienbäume.

-al- (März 2016)

IMMANUELKIRCHGEMEINDE

Kita hat sich vergrößert

Sie liegt gut geschützt hinter der Immanuelkirche: Die evangelische Kita der Gemeinde. 80 Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren aus dem Winskiez werden hier täglich betreut. Seit Anfang des Jahres hat die Kita dafür ihre Räume erweitert, einen zweiten Garten geschaffen und neues pädagogisches Personal angestellt. 

Mehr Drei- bis Sechsjährige konnten so in die Kita aufgenommen werden, bevorzugt aus Familien, die zur Immanuelkirchgemeinde gehören. Sie lernen und spielen selbstbestimmt in offenen Gruppen, sie können je nach Bedarf lesen, bauen, malen oder in unterschiedliche Rollen schlüpfen. Darüber hinaus gibt es altershomogene Treffs sowie einen geschützten Krippenbereich für die unter Dreijährigen. 

Das Profil der evangelischen Kita enthält christliche Rituale und religionspädagogische Themen. So wird z.B. zu den Mahlzeiten gebetet, einmal monatlich gibt es einen Kindergottesdienst in der benachbarten Immanuelkirche. Auch die Feste des Kirchenjahrs gestalten die Kinder gemeinsam mit anderen Gemeindemitgliedern.