ZEITGESCHICHTE

Sprachzeiten und Erinnerungskultur

In einer unscheinbaren Wohnung im Erdgeschoss in der Schönfließer Straße 31 verbinden sich Gegenwart und Geschichte. Liederstube, literarischer Salon, Geschichten-Erzählungen. Hier lebt Ekkehard Maaß, seit nahezu 40 Jahren lebt er für die Poesie und die Wahrheit.

Ekkehard Maaß, der im Zusammenhang mit der Biermann-Ausbürgerung von der Universität relegiert worden war, etablierte ab 1978 in seiner Wohnung in der Schönfließer Straße einen Literarischen Salon. Dieser entwickelte sich zu einem der wichtigsten Treffpunkte von Künstlern, die sich schon zehn Jahre vor dem Mauerfall von der kommunistischen Ideologie und den staatlichen Strukturen der DDR lossagten. 

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Ekke Maaß - in seinem Literatursalon in der Schönfließer Straße versammelte sich ab 1978 die unangepasste Szene. Foto: E.M.

Hier lasen junge Autoren wie Uwe Kolbe, Katja Lange, Bert Papenfuß, Eberhard Häfner, Hans-Eckardt Wenzel, Peter Brasch, Jan Faktor, Detlef Opitz und viele andere im Beisein von Elke Erb, Christa und Gerhard Wolf, Franz Fühmann oder Heiner Müller, die als Mentoren eine wichtige Schutzfunktion ausübten. Hier wirkte auch der Dichter und Stasimitarbeiter Sascha Anderson als wichtiger Initiator künstlerischer Projekte, gleichzeitig lieferte er seine Freunde der Stasi aus.

 

Literatur, Grafik, Keramik

In Zusammenarbeit mit jungen Künstlern entstanden Einladungsgrafiken für die Lesungen sowie Künstlerbücher, die die Zensur unterliefen. An den Wänden des Salons hängen bis heute Bilder von Penck, Conny Schleime, Ralf Kerbach, Christine Schlegel, Hans Scheib, Gerd Sonntag neben Arbeiten von Künstlern aus Litauen, Tatarstan, Georgien und Usbekistan.

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Seit 1978 traf sich bei Ekke Maaß die junge, aufrechte Literaten-Szene der DDR, später auch der Sowjetunion. Foto: E.M.

Im Hinterhaus gab es die Keramikwerkstatt von Wilfriede Maaß, die viele Künstler aus der Szene unterstützte, indem sie sie ihre Keramik bemalen und verkaufen ließ.

Seit den achtziger Jahren öffnete sich der Salon auch Autoren und Künstlern aus Osteuropa: Es kamen Bulat Okudshawa, Andrej Bitow, Tschingis Aitmatow, Jewgeni Jewtuschenko, Wiktor Jerofejew, Wladimir Sorokin, Nino Haratischwili, der deutschsprachige georgische Schriftsteller Giwi Margwelaschwili und Apti Bisultanow. Aber auch Allen Ginsberg und Ernst Jandl besuchten die Schönfließer Straße 21.

 

Zeitzeuge und Aktivist

Ekke Maaß, Gründer des Salons und Hausherr bis heute, ist ein vielgefragter Zeitzeuge, Liedersänger, literarischer Übersetzer, Publizist und in der von ihm geleiteten Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft auch Menschenrechtsaktivist. 

Das jüngst erschienene Buch „sprachzeiten. Der Literarische Salon von Ekke Maaß“ versucht, alle Facetten seines Wirkens zu würdigen. Herausgeber ist Peter Böthig. Er gehörte in den achtziger Jahren zu den Protagonisten der unabhängigen Literaturszene Berlins. Unter anderem war er Mitherausgeber der selbstverlegten literarischen Zeitschrift „Schaden“ und Organisator der Ausstellung „Wort & Werk“ in der Samariterkirche in Friedrichshain. Sein Engagement hatte Folgen: 1986 Kündigung seiner Assistentenstelle an der Humboldt-Universität und schließlich 1988 Verhaftung und Verurteilung durch die Staatssicherheit; Ausreise in die Bundesrepublik.

Nach 1989 arbeitete und lehrte Dr. Peter Böthig an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der University of Pittsburg; seit 1993 leitet er das Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum auf Schloss Rheinsberg.

-al-, Aug 2017

Die nächste Lesung des im lukas Verlag erschienenen Buches „sprachzeiten“ ist am 13. September im Buchlokal in der Ossietzkystraße 10. Mehr über Ekke Maaß auf: ekkemaass.de