AUF DEN SPUREN DER VERGANGENHEIT

Hier war `ne Drehorgel-Werkstatt

Der Stadtteil als die Wiege ganz besonderer Musikalität: Auf der Schönhauser Allee gab es einst Drehorgel-Werkstätten. In alle Welt gingen die mechanischen Musinstrumente made in Prenzlauer Berg. Eine Gedenk- und Informationsstele erinnert jetzt an ein ausgestorbenes Kunsthandwerk.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Vom kleinen Leierkasten mit 20 Pfeifen bis zur großen Jahrmarktsorgel mit über 100 Pfeifen und mehreren Registern reicht das Repertoire der mechanischen Musikinstrumente. Repro: Museum Pankow

Auf Initiative des Clubs Deutscher Drehorgelfreunde (CDD) und getreu seiner Devise „Mit Musik geht alles besser“ weihte der Bezirk Pankow vor kurzem in der Schönhauer Allee 80 eine Gedenk- und Informationsstele in Erinnerung an die Werkstätten zur Herstellung mechanischer Musikinstrumente in Prenzlauer Berg ein. Stilgerecht untermalten Mitglieder der Internationalen Drehorgelfreunde Berlin die Feier. Die Leierkasten-Freunde aus Berlin und aus Deutschland pflegen ein uraltes musikalisches Kulturgut, dass sich im Ambiente historischer Feste immer noch großer Beliebtheit erfreut. Am Standort Prenzlauer Berg wurde ein Großteil dieser Musik-Geschichte mitgeschrieben.
Angezogen von der Aufbruchstimmung in der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches kamen Ende des 19. Jahrhunderts auch Italiener nach Berlin. Viele von ihnen ließen sich vor den Toren der Stadt nieder, wo auf dem Gebiet des späteren Bezirks Prenzlauer Berg eine kleine italienische Kolonie entstand. Zu dieser Gemeinschaft gehörten Gastwirte, Wein- und Straßenhändler, Gipsfigurengießer, Musikanten sowie Musikinstrumentenbauer aus der Nähe von Genua.
Die bekanntesten Hersteller mechanischer Musikinstrumente stammten aus der Familie der Bacigalupo. Gemeinsam mit dem Gastwirt Antonio Graffigna hatten die Orgelbauer Giuseppe Cocchi und Giovanni Battista Bacigalupo im Jahre 1891 in der Schönhauser Allee 78 (später 79) eine Firma zur Herstellung mechanischer Musikwerke wie elektrische Klaviere, Orchestrions und Drehorgeln gegründet.
Bereits seit 1883 existierte in der Schönhauser Allee 73 mit der Firma Frati & Co. die Drehorgelfirma eines weiteren Italieners, in der Cocchi und Bacigalupo zunächst gearbeitet hatten. Heute befinden sich an dieser Stelle die Schönhauser Allee Arcaden. Die handwerkliche Begabung der italienischen Drehorgelbauer ergänzte sich mit ihrer Musikalität. Die Instrumente aus der Werkstatt der Bacigalupo waren gefragt und verkauften sich bis nach Übersee.
Mit dem Tod des letzten Firmeninhabers endete 1967 eine jahrzehntelange Unternehmensgeschichte und mit der Schließung der Werkstatt in der Schönhauser Allee 74a erlosch die Familientradition an diesem Ort endgültig. Die von den Bacigalupo gefertigten Instrumente aber erfreuen sich noch heute großer Wertschätzung und sind begehrte Sammlerstücke.
-al - (August 2015)