MIETENPOLITIK

Adieu für Vorkaufsrecht

Da bangen schon wieder Mieter:innen um ihre Wohnungen, derweil kippt das Bundesverwaltungsgericht weitgehend das Berliner Vorkaufsrecht. Der Mieterverein zeigt sich entrüstet und plädiert für entsprechende Bundes-Gesetze. 

Ironie von ihrer bitteren Seite: „Habgier ist ansteckend“ – dieser Schriftzug prangt seit einiger Zeit an der Fassade des Wohnhauses Prenzlauer Allee 19. Die Hausfassade ist grau-braun, in dieser typischen nahezu unsanierten Farbe, links und rechts scheinen die Wände in weiß und gelb. Das Haus ist verkauft, unter den Eigentümer:innen gibt es Streitigkeiten. Nun droht die Zwangsversteigerung. Auf instagram postet die Hausgemeinschaft: „Wir kämpfen um unser Zuhause.“ Schon wieder so ein Fall, da die angestammte Mieter:innenschaft sich um ihren Verbleib sorgt. 

Es hört also nicht auf. Die Anzahl derjenigen, denen durch Hausverkauf der Rausschmiss droht, oder eine Mieterhöhung, die möglicherweise nicht leistbar ist, sie nimmt nicht ab. Social-Media-Hilferufe, Transparente oder gar Demonstrationen geben Zeugnis davon, dass in Prenzlauer Berg Menschen immer noch Angst vor Verdrängung haben bzw. auch verdrängt werden können.

#prenzlauerberg
Haus verkauft, Mieter:innen in der Prenzlauer 19 bangen um ihre Wohnungen. Foto: al

Dafür, oder besser dagegen, hatte das Land Berlin 2015 das Vorkaufsrecht eingeführt. Dies bietet die Möglichkeit, Häuser in Milieuschutzgebieten stellvertretend für gemeinnützige Eigentümer:innen wie Genossenschaften etc. zu kaufen – und sie damit dem Spekulationsmarkt zu entziehen. Auch in Prenzlauer Berg wurde das Vorkaufsrecht angewandt, wenn auch nicht in jedem notwendigen Fall. Damit könnte nun Schluss sein. Denn das Bundesverwaltungsgericht kippte den Berliner Anspruch auf Vorkauf. Es gab der Klage einer Immobiliengesellschaft statt, die ein Haus in Friedrichshain-Kreuzberg erwerben wollte und nahm das Gebäude dem Bezirk wieder weg. Die Begründung: Es könne den Käufer:innen nicht unterstellt werden, dass sie die Mieter:innen künftig verdrängen wollen. Die Begründung weiter: Das Vorkaufsrecht sei ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und ein auf ihm errichtetes Gebäude keine Mängel aufweist. Im Klartext: Ein Milieuschutz spielt keine Rolle.

Das Urteil ist die zweite Schlappe der Berliner Mietenpolitik, nachdem vor einigen Monaten bereits der Mietendeckel juristisch gekippt wurde. Entsprechend entsetzt zeigte sich nicht nur der Berliner Mieterverein, auch der zuständige Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel. Mietervereins-Chef Reiner Wild forderte die Bundesregierung auf, das Bundesbaugesetz zu ändern. Fälle wie der Milieuschutz seien darin nicht geregelt. Was indes klar scheint: Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat vor allem Folgen für künftige oder noch nicht abgeschlossene Fälle. Häuser, die bereits von der öffentlichen Hand vor-gekauft wurden, scheinen sicher.

Und was macht der Senat? Er beschließt einige Tage nach dem Urteil, ganz Berlin als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt auszuweisen. Der neue Rechtsrahmen ermöglicht zumindest ein Vorkaufsrecht auf bestimmte brachliegende oder unbebaute Grundstücke.

-red-, Dez. 2021