SOMMERHITZE

Der trockene Stadtteil

Kein See, kein Fluss, nicht mal ein Bächlein – allein der Wasserturm lässt in diesen Hitzemonaten des Sommers erahnen, dass Prenzlauer Berg durchaus auch seine feuchte Seite haben kann. Doch sonst: Staubtrocken. Auf der Suche nach Wasser.

 

Das Wasser fehlt. Seit Monaten. Berlin und Brandenburg liegen trocken. Prenzlauer Berg, der einzige Stadtteil Berlins ohne Wasserfläche oder Schwimmbad, dürstet. Es dürsten die Menschen, die Straßenbäume, die Vögel. Trockenheit im Mai, der einer der wärmsten Monate seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 ist. Trockenheit im Juni. Staubtrockene Hitze im Sommermonat Juli. Ein Stadtteil wartet auf Regen. 

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Ausgetrocknet – auch auf dem Wasserspielplatz an der Marienburger Straße gibt es kein Wasser mehr.

Unterm Regenschirm

Den Kindern unterm Regenschirm tröpfelt das Wasser über den Schirmrand, läuft ihnen sacht in die erwartungsvoll gefalteten Hände. Es ist kühler im Umfeld des Brunnens, kühler als nur wenige Meter weiter auf der staubtrockenen Kreuzung Prenzlauer Allee/Danziger Straße. „Kinder unterm Regenschirm“  - die Freude der beiden Skulpturen, Freude und Anmut des Mädchens und seines kleinen Bruders über den künstlichen Brunnen-Regen, scheinen an diesen trockenen Tagen wie eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten. Und wie ein Sinnbild dafür, wie lebensnotwendig Wasser ist. Mitte der 70er Jahre stellte der Bildhauer Stefan Horota den Brunnen auf dem Fröbelplatz auf. 

Vor reichlich einem Jahr, Ende Juni 2017, erlebte Berlin den heftigsten Starkregen aller Zeiten. 200 Liter pro Quadratmeter stürzten damals binnen 24 Stunden auf die Hauptstadt nieder. Dem Rekord am 29. Juni folgten unzählige Tage mit Dauerregen. Das Wasser strömte in die Keller, zerstörte Souterrain-Wohnungen und -Läden. Und noch ein Jahr zuvor, Ende Juli 2016, überschwemmten Regenfluten den Gleimtunnel, rissen Autos mit sich, brachen das Mauerwerk des Tunnels ab und den Straßenbelag auf. Die Bilder der verkeilten Fahrzeuge im Tunnel bleiben ebenso in Erinnerung wie das Bild eines Menschen, der durch die überfluteten Straßen schwimmt. Viel zu viel Wasser, Lebensgefahr.

Die Wetterextreme. Was Meterologen und Klimaforscher seit langem immer vehementer prognostizieren, es ist spürbar. Das Pendel schlägt stärker aus. Der Sommer wird tropisch, der Regen seltener – und wenn, dann kommt er als Sturzflut in unbekannten Mengen herunter.

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Wasser für Notzeiten: Handpumpen an den Gehwegen von Prenzlauer Berg.

Bad im Brunnenbecken

Auf der kleinen rechteckigen Wasserfläche des Löwenbrunnens spiegelt sich der Wasserturm. Abends, nach 20 Uhr, ist es hier menschenleer. Und das Wasser, das tagsüber aus den drei Rohren sprudelt, ist abgestellt. Tagsüber wird der Brunnen zum Schwimmbad für die Kinder. Im Schatten des Wasserturms spielen sie und spritzen sich mit Wasserpistolen aus Plastik nass. Und ihre Eltern gleich mit. Alle wollen wenigsten ein bisschen Wasser. 

Der Wasserturm selbst speichert schon lang kein Wasser mehr. 1852 errichtet als Reservoir für das Trinkwasser der wachsenden Metropole, wohnen und arbeiten in ihm heute Menschen. An das schöne, im Sommer 2018 so seltene Nass, erinnert nur noch der Name. 

16 solcher öffentlicher Brunnen wie den Löwenbrunnen am Wasserturm oder „Die Kinder unterm Regenschirm“ besitzt Prenzlauer Berg. Der imposanteste ist der Stierbrunnen auf dem Arnswalder Platz. Die gleichnamige Anwohner-Initiative kümmerte sich vor einigen Jahren darum, dass auch aus dem Stierbrunnen wieder Wasser sprudelt. 16 Brunnen sind nicht viel – der Stadtbezirk Mitte beispielsweise hat fast 40 Fontänen und kunstvoll gestaltete Becken.

 

Öffentliche Trinkwasserbrunnen

Wasser. Erst sein Fehlen macht auch in unseren Breitengraden deutlich, wie lebensnotwendig das Nass mit der nüchternen chemischen Formel H2O ist. Normalerweise haben wir in Mitteleuropa Wasser im Überfluss. Viele Millionen Menschen auf der Erde haben das nicht. Allen 7,5 Milliarden Weltbürgern Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, ist eines der Ziele der Vereinten Nationen für das Jahr 2030. Das sind noch zwölf Jahre.

Ein erwachsener Mensch braucht täglich zweieinhalb Liter Wasser. Bei Hitze raten MedizinerInnen zu noch mehr. Das Berliner Trinkwasser für Hitzetage öffentlich zugänglich zu machen, ist eines der Anliegen der Berliner Wasserbetriebe. Seit einigen Jahren stellt das Unternehmen Trinkwasserbrunnen auf – nostalgische kleine Becken oder schlichte silberne. Sie spenden denen, die Durst haben, kostenlos Flüssigkeit. Weil wir laut Klimaprognosen mit einer Zunahme der heißen trockenen Sommer rechnen müssen, soll es in den kommenden Jahren rund 140 Trinkwasserspender geben. 40 sind bereits über die ganze Stadt verteilt. Auch Prenzlauer Berg soll einen Wasserspender an den Schönhauser-Allee-Arcaden bekommen.  Der Stadtteil-nächste steht derzeit im Volkspark Friedrichshain.

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Auch die Vögel leiden unter dem Wassermangel. Wir Menschen können ihnen kleine Tränken hinstellen. Fotos (3): al

Wasser für die anderen

Und dann sind da noch die dunkelgrünen Pumpen, die manche Gehwege zieren. Die historischen „Straßenmöbel“, so das Amtsdeutsch, stammen teilweise aus dem 19. Jahrhundert. Damals lösten sie die alten Ziehbrunnen in den Hinterhöfen ab. Lebenswichtig wurden sie beispielweise nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Damals standen die Menschen Schlange, um hier ihr Trinkwasser zu holen – weil das Wasserversorgungssystem zusammengebrochen war. 

133 Wasserpumpen zählt Pankow. Sie sind nicht nur eine nostalgische Zierde, sie sollen auch heute als Wasserspender im Katastrophenfall dienen. Trinkwasserqualität pumpen nicht alle von ihnen nach oben. Doch können sie jetzt, in den trockenen Sommertagen, zum Gießen der Straßenbäume und Baumscheiben genutzt werden. Dazu ruft der Senat von Berlin im Juli mehrmals die Bevölkerung auf, denn die grünen Riesen und Pflanzen auf den Gehwegen darben. Ebenso wie die Stadtvögel. Gebt den Vögeln Wasser, appelliert deswegen auch der Naturschutzbund an die Berlinerinnen und Berliner.

Die Wetterextreme, die Hitze und Trockenheit. Möglicherweise bringt der August wieder Unwetter mit viel zu viel Regen. Der wird nicht nur lang ersehnt, er kann auch für die trockenen Tage nutzbar gemacht werden. „Blau-grüne Infrastruktur“ nennt der Senat von Berlin das Konzept, mit dem er die Stadt an den Klimawandel anpassen will. Viel Grün soll das Blau für heiße Tage speichern. Grün auf dem Dach, auf den Balkonen, an den Fassaden. Begrünte Mulden und Rinnen an neu erbauten Gebäuden. Dafür wurde vor einigen Monaten extra eine Regenwasser-Agentur gegründet, die erste derartige Einrichtung in Deutschland. Wir warten auf Regen.

-al-, Aug. 2018