PAPPELALLEE

Von Hinterhöfen, Hüten und Friedhofsgrün

Ach, die Pappelallee. Ist derzeit und noch bis Ende 2017 eine Bauallee. Damit sie fahrradfreundlicher und barrierefreier wird, einen gesünderen Baummix aus Kirsch, Amber und Kastanie bekommt und vielleicht wirklich wieder das wird, wofür ihr Name steht. Eine Allee, zum Schlendern, im für Prenzlauer Berg typischen Mix aus Schick und Nische, Beständigkeit und Wandel. Ein Spaziergang.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Bis 2017 eine Baustelle: Die Pappelallee wird freundlicher für alle Verkehrsteilnehmer.

An der „Meldestelle“ scheiden sich die Wege. Links geht’s mit der U-Bahn die Schönhauser Allee hinauf Richtung Pankow, rechts die Pappelallee hinein, auch Richtung Pankow. Wer Tempo; Lautstärke und Dynamik will, entscheidet sich für links. Wer Hinterhof-Flair, stille Denkmale und mal keine Touristen will, entscheidet sich für rechts. 

Der Spaziergang wird zum Gang zwischen Geschichte und Gegenwart. Es folgt schon, wenige Schritte hinter der „Meldestelle“, die ihren Namen nach der Pass- und Meldestelle trägt, in der einst DDR-Bürger ihre Dokument-Angelegenheiten klärten, da folgt ein roter Backstein-Schornstein. Sichtbares Zeichen der Hutfabrik, die auf dem Grundstück Pappelallee 3 und 4 einmal firmierte. 1886 entstand sie, zum Gelände gehörten ein Fabrikhaus, Kesselhaus, Pferdestall und Hofstall. Im Jahre 1896 erwarben die Kaufleute Aloses Silber und Ephraim Brandt die Hutfabrik, die unter dem Namen "Hutfabrik Silber & Brandt" bis in die 30er Jahre hinein existierte. 

Heute sind Hofbereich, die beiden Fabrikgebäude, das Kesselhaus und der Schornstein in die Berliner Denkmalliste eingetragen. Nach umfassender Sanierung dieses Ensembles ist hier ein schickes Wohnquartier entstanden. Der historische Backstein-Schlot, der im Hinterhof thront, blieb als Zeugnis einer über 100jährigen Geschichte erhalten.

Noch ein paar Schritte weiter gen Pankow, in der Pappelallee 15, riecht es nach Berliner Hinterhof und internationaler Kunst. Hinter einer Toreinfahrt öffnet sich wie ein Tableau das „Ballhaus Ost“. Das Haus, 2006 von Regisseuren und Schauspielern gegründet, ist Kooperationshaus für Gruppen und Künstler aus sämtlichen Sparten der darstellenden Kunst. Als Experimentierbühne für unterschiedlichste Formen zeitgenössischen Theaters lädt das Ballhaus Ost dazu ein, neue Wege der künstlerischen Auseinandersetzung mit heutiger Lebenswirklichkeit zu entdecken und zu erleben. 

Vor der Wiederbelebung als Spielstätte wurde der Ballsaal zu DDR-Zeiten als „Casino des Handwerks“ genutzt, nach der Wende war er Billardsalon und Club, bis in den 2000er Jahren Theaterleute und Performer einzogen.

Einst gehörte das Haus gar als Feierhalle zum benachbarten Friedhof der Berliner Freireligiösen Gemeinde. Seit den 90er Jahren ist der Friedhof eine öffentliche Grünanlage mit Spielplatz, in unmittelbarer Nachbarschaft zum „Ballhaus Ost“. Zuvor war er reichlich 150 Jahre lang letzte Ruhestätte von Mitgliedern der Freireligiösen Gemeinde. Er wurde im Jahre 1845 von der innerkirchlichen Opposition der preußischen Hauptstadt als Abgrenzung zur bestehenden katholischen Kirchengemeinschaft gegründet. Das Grundstück von etwa 6000 m² hatte die Gemeinde vom Gutsbesitzer Wilhelm Griebenow geschenkt bekommen. 

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Schöne rote Backsteinbauten: Ab der Buchholzer Straße beginnt die Bremer Höhe mit ihren Genossenschaftsbauten. Fotos (2): al

1920/21 wurde auf dem Grundstück Pappelallee 15 ein Verwaltungsgebäude mit Ledigen- und Altenheim errichtet. Mitte der 30er Jahre lösten die Nationalsozialisten die Freireligiöse Gemeinde auf, beschlagnahmten ihr Vermögen und verstaatlichten den Friedhof. Nach dem Krieg wurde er zum städtischen Friedhof. Bis 1970 gab es hier Bestattungen. Nach Restaurierungsarbeiten an insgesamt 35 noch erhaltenen Grabmälern wurde der Friedhof am 24. März 1995 als öffentlicher Friedhofspark seiner Bestimmung übergeben. 

Allein auf diesen knapp 200 Metern der Pappelallee drängen sich also großstadttypisch Industriegeschichte und Grünfläche, Multi-Kulti-Kunst und Wohnen. Oder anders: Leben, Arbeiten und Sterben. Rund 800 Meter sind es noch hinauf bis zur Wichertstraße, danach wird die Pappelallee zur Stahlheimer Straße. Rund 800 Meter sind es, möglich wären weitere historische Ausflüge in Berliner Finanzgeschichte und Besuche von Boutiquen, Ateliers und Cafes links und rechts der Straße. 

Zu berichten sei hier aber nur noch vom kleinen Quartier zwischen Pappelallee und Schönhauser Allee/Gneiststraße und Buchholzer Straße. Die schönen roten Backsteinbauten der „Bremer Höhe“ mit ihren freien Hinterhöfen entstanden um 1900 und stechen aus den Gründerzeitbauten ihres Umfeldes hervor. 

Kurz vor der 2000er Jahrtausendwende gründeten die Bewohner eine Genossenschaft und nahmen die Geschicke ihrer Häuser in die Hand. Selbstbestimmt und selbstverwaltet, ist die „Bremer Höhe“ damit zum Modell genossenschaftlichen sicheren Wohnens in Prenzlauer Berg und Berlin geworden. Zu berichten ist, was einen Spaziergang entlang der Pappelallee flankiert, von den Bauarbeiten, die seit Sommer des Jahres aus der Straße tatsächlich wieder mehr eine Allee machen sollen. Das Vorhaben, die Straße als Straße für Auto-, Fahrrad und Tramverkehr gleichermaßen auszurichten, fand unter früher und langfristiger Bürgerbeteiligung statt. Damit gilt es dem Bezirk Pankow als Vorzeigemodell, was Bauen mit Bürgern betrifft. Vorgesehen sind in der Pappelallee neue Radwege, die sicher sind und nicht die Straßenbahnschienen und Haltestellen kreuzen. Die Gehwege werden erneuert und barrierefrei gestaltet, Parkplätze neu geordnet und die Straßenbeleuchtung erneuert. Vor allem aber erhält die Allee einen zum Großteil neuen Baumbestand, da die alten Pappeln und anderen Baumsorten krank und morsch waren. Per Bürgerabstimmung entschieden die AnwohnerInnen und Anwohner über neue Baumsorten wie Kirsch und Amber, Kastanie und Pappel, die schon während der bis 2017 währenden Bauarbeiten teilweise gepflanzt werden.

-al- (Jan 2016)

Informationen über die Bauarbeiten entlang der Pappelallee: www.berlin.de/ba-pankow

Ein Porträt der Wohnungsgenossenschaft „Bremer Höhe“: www.bremer-hoehe.de

Hier geht’s zum „Ballhaus Ost“: www.ballhausost.de