Flüchtlinge in Pankow

„Wir können voneinander profitieren“

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Verstärkt kommen Menschen aus den neuen und alten Kriegs- und Krisen­gebieten der Welt auch nach Berlin und suchen hier Schutz. Pankow und mit ihm Prenzlauer Berg nehmen, wie alle Berliner Bezirke, die Flüchtlinge in Unterkünften auf. Wie kann sich ein Zusammenleben mit den Menschen gestalten, die ihre Heimat verlassen mussten, um ihr Leben zu retten? Berit Schröder von moskito, der Netzwerkstelle gegen Rechtsextre­mis­mus der Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH, skizziert im Gespräch eine Willkommens­kultur.

Frau Schröder, im Prenzlauer Berg werden Flüchtlinge in einem Heim in der Straßburger Straße aufgenommen. In der Pan­kower Mühlenstraße entsteht derzeit eine weitere Unterkunft. Woher und in welcher Verfassung kommen die Flüchtlinge?
Derzeit vor allem aus den Kriegsgebieten in Syrien, Afghanistan, dem Iran und Irak. Die zweite große Gruppe sind politisch oder religiös verfolgte Menschen aus Ländern der russischen Förderation, aus Tschetschenien, Serbien. Ihre Erleb­nisse und Fluchtwege sind ganz unterschiedlich. Manche sind schwer traumatisiert, manche kommen nur mit dem, was sie auf dem Leib haben.

Moskito und andere Initiativen machen sich für eine Pankower Will­kom­mens­kultur stark. Wie kann diese aussehen?
In erster Linie müssen wir ein politisches Signal senden: Wir sind dafür, dass die Flüchtlinge bei uns leben. Aggres­sion und Ablehnung wie in Hellersdorf gibt es bei uns nicht. Die Unterstützung lässt sich in drei Phasen gliedern. Die vorbereitende Phase, die jetzt für das neue Heim in der Pankower Mühlen­straße ansteht, wo im Dezember Flücht­linge erwartet werden. Die zweite Phase ist die Phase der Ankunft der Flücht­linge.  Die dritte Phase umfasst die Unter­stützung, wenn die Flüchtlinge länger hier sind. Da geschieht etwa in der Unterkunft an der Straßburger Straße schon sehr viel.

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Lassen Sie uns konkret über diese Phasen sprechen. Was kann vorbereitend geschehen?
Wichtig sind Transparenz und Infor­mation der Anwohner, wo Unterkünfte entstehen. In Pankow hat sich z.B. ein Unterstützerkreis gegründet, der Betrei­ber des Heimes bietet Sprechstunden für Interessierte an. Auch bei Moskito kann man sich informieren: Was bedeuten Flucht und Migration eigentlich? Mit diesen Themen können sich Schulen und Einrichtungen auseinandersetzen. Es gibt dazu Informations­veranstaltungen, etwa des Berliner Flüchtlingsrates. Viele der Flüchtlinge sind politische Aktivis­ten. Wir können von ihnen viel erfahren, wie sie ihren Widerstand organisiert haben. Wir können voneinander profitieren.

Und, wenn die Flüchtlinge kommen?
Es ist wichtig, Orte der Begegnung und des Kennenlernens zu schaffen. Wir denken in Pankow z. B. über eine Lange Tafel der Nachbarschaft mit Will­kommens­frühstück nach. Es braucht Pro­jek­te, damit die Flüchtlinge die Um­gebung und Berlin kennenlernen können. Hier bieten sich z. B. gemeinsame Kiezspaziergänge an. Auch Sprach­kurse sind wünschenswert. Die Flücht­linge dürfen in der Phase, in der sie auf ihr Bleiberecht warten, Deutsch lernen. Doch es gibt dafür keine Finanzen.
Ganz konkret braucht es auch materielle Hilfen wie Kleidung und Spielzeug. Aktuell fehlt es zum Beispiel an Kleidung für junge und ältere Männer.
Aus diesen Intitiativen sollten sich gemeinsame Arbeitskreise bilden. Denn je länger die Flüchtlinge da sind, umso mehr werden sie auch alleingelassen.

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Die Wartezeit auf den Asyl-Status kann viele Monate dauern. Wie gestaltet sich der Alltag der Flüchtlinge bis dahin?
Je nachdem, welchen Kulturen oder sozialen Schichten die Flüchtlinge entstammen, gestaltet dieser sich unterschiedlich. Manche strukturieren sich ihren Tag, für manche ist das schwieriger. Sie dürfen ja nicht arbeiten. Da sind solch kleine Sachen wie selbst die Wä­sche zu waschen oder zu kochen, schon sehr wichtig. Weil Sie ihnen auch ein Stück Würde bewahren. Viele Flüchtlinge sind sehr dankbar für Begegnungen oder auch nur die Möglichkeit, sich in anderen Räumen auszutauschen. Wir haben bei uns im Nachbarschafthaus am Teutoburger Platz, in dem auch Moskito ansässig ist, regelmäßig Begegnungs­kreise und Kreativangebote, etwa für die Flüchtlingskinder aus der Unterkunft in der Straßburger Straße.

Wie kann eine Unterstützung weitergehen, wenn die Menschen ihr Bleibe­recht erhalten haben, also in Phase drei?
Sobald sie als Verfolgte anerkannt sind, können sie sich eine Wohnung suchen und dürfen auch eine Arbeit annehmen. Da kann man sie z. B. bei den notwendigen Behördengängen oder der Woh­nungs­suche unterstützen. Sie sollen mög­lichst im Bezirk wohnen bleiben, eine Wohnungssuche ist hier schwierig. Unterstützung richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen der Menschen.

Wohin können sich die Bewohner vom Prenzlauer Berg wenden, wenn sie die Flüchtlinge unterstützen bzw. ihnen auf die eine oder andere Art begegnen möchten?
Gern an Moskito, mit allen Fragen am besten per email: 
moskito@pfefferwerk.de
Das Gespräch führte Katharina Fial (Okt 2013)


Flüchtlingsheime im Bezirk
Prenzlauer Berg hat seit Ende vergangenen Jahres eine sogenannte Notunterkunft in der Straßburger Straße, in der knapp 200 Flüchtlinge verschiedener Nationen leben. Da die Verweildauer in Notunterkünften etwa drei Monate betragen soll, ist diese sehr sporadisch eingerichtet. Die Menschen bleiben dort deutlich länger als drei Monate, sodass der Standard des Heimes derzeit verbessert werden muss.
Ein weiteres Flüchtlingsheim, das den Asylsuchenden einen längerfristigen Aufenthalt gestattet, entsteht derzeit in der Mühlenstraße in Pankow. Bis Dezember wird ein ehemaliges Bürogebäude als Gemeinschaftsunterkunft für 220 Menschen hergerichtet.
Ein weiteres Heim soll im Prenzlauer Berg entstehen.
Betreiber der Einrichtungen ist die PRISOD Wohnheimbetriebs GmbH, die sich um das Management und die sozialpädagogische Betreuung der Einrichtungen kümmert.
Mehr Infos auf den Seiten des Bezirksamtes: 
www.berlin.de/ba-pankow/aktuelles/asylheim.html
Kontakt für Infos, Spenden, Unterstützung bei: moskito@pfefferwerk.de