IM SPIEGEL DER ANDEREN

Fluchtgeschichten und Drehbücher

Ja, stimmt. Für uns, die „Prenzlberger Ansichten“, ist der Prenzlauer Berg der Nabel unserer Kiezzeitungs-Welt. Logisch. Deswegen betreiben wir an dieser Stelle nun häufiger eine Nabelschau und blicken dabei über den eigenen Zeitungsrand: Was berichten die Anderen über den Prenzlauer Berg? Was steht im „Spiegel“ oder im „stern“? Heute u.a.: Prenzlauer Berger Autoren und Filmkulissen.

Doch zunächst ein reales, tragisches Ereignis aus Prenzlauer Berg. Der „Spiegel“ porträtiert den letzten Mauertoten der geteilten Stadt. Winfried Freudenberg, der in Prenzlauer Berg wohnte. Am Abend des 7. März 1989 verlässt er gemeinsam mit seiner Frau Sabine seine Wohnung und steigt in seinen Trabi, in dem ein zusammengefalteter Ballon verborgen ist.

Den Ballon hat Freudenberg, ein Ingenieur, aus zusammengekauften Folien konstruiert. Er soll ihn und seine Frau nach West-Berlin tragen. In einer Pankower Kleingartenanlage wollen sie starten. Die beiden werden von der Polizei überrascht. Freudenberg fliegt los, seine Frau bleibt zurück. Denn der Ballon ist noch nicht komplett mit Gas gefüllt. Noch ist unklar, ob er überhaupt flugfähig ist.

Er ist es: Freudenberg erreicht West-Berlin, doch dort stürzt er ab. Offensichtlich ein Konstruktionsfehler. Er stirbt bei dem Absturz, im Alter von 32 Jahren. Seine Frau wird wegen „versuchten Grenzdurchbruchs“ zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Winfrieds Bruder Reinhold erfährt erst am Abend aus den „Tagesthemen“ vom Tod seines Bruders, berichtet er dem „Spiegel“ 30 Jahre danach. Am nächsten Morgen lässt ihn die Staatssicherheit nach Berlin bringen und verhört ihn stundenlang. Als potenziellem Mitwisser einer Flucht drohen ihm Repressalien. Doch Reinhold Freudenberg, zu dem sein Bruder aus eben diesen Gründen den Kontakt abgebrochen hatte, bleibt straffrei.

Medien Berlin Prenzlauer Berg
Was schreiben die anderen über Prenzlauer Berg? Die Medien mögen den Stadtteil. Foto: pixabay

DIE PRENZLAUER BERGER AUTORIN

Was entscheidet über Glück und Unglück? Wie kommen Menschen eigentlich zusammen? Und warum wären wir oft „lieber woanders“? Große Fragen des Lebens – und radioeins-Moderatorin und Schriftstellerin Marion Brasch erzählt die Geschichten dazu in ihrem neuen Roman „Lieber woanders“. Den hat sie vor allem im Wins-Kiez in Prenzlauer Berg erdacht, denn hier lebt die 58jährige. Der Kosmos des Buches entstammt der Prenzlauer Berger Sehnsucht, die Handlung spielt woanders: Toni und Alex kennen sich nicht und sind doch auf verhängnisvolle Weise miteinander verbunden. Toni leidet unter dem Verlust ihres kleinen Bruders, für dessen Tod sie sich verantwortlich fühlt. Alex führt ein Doppelleben und trägt an einer Schuld, über die er nie gesprochen hat. 24 Stunden bewegen sich die beiden aufeinander zu, bis sich ihre Wege trotz skurriler Begegnungen und komischer Zwischenfälle schließlich kreuzen. Marion Brasch erzählt diese Story vom Leben und Überleben in einem klaren, aufmüpfigen und warmen Ton und mit großem Gespür für die entscheidenden Augenblicke im Leben. 

Die Radiomoderatorin Marion Brasch ist seit Anfang der 2010er Jahre auch Schriftstellerin. Drei Bücher hat sie vor ihrem neuen Roman veröffentlicht: „Ab jetzt ist Ruhe“ (2012) und „Wunderlich fährt nach Norden“ (2014) und die Erzählungssammlung “Die irrtümlichen Abenteuer des Herrn Godot“ (2016).

 

DER PRENZLAUER BERGER DREHBUCHAUTOR

Der „stern“ erinnerte vor kurzem, am 13. März an den 88. Geburtstag des Berliner Drehbuchautors Wolfgang Kohlhaase, einem der wenigen Filmkünstler, der auf beiden deutschen Seiten Filmgeschichte geschrieben hat. Und einige seiner besten und berühmtesten Filme spielen in Prenzlauer Berg. „Solo Sunny“ von 1980 beispielsweise, die Geschichte der trotzigen, eigenständigen Sängerin Sunny. Die Innenaufnahmen der Wohnung Sunnys wurden in einem Abrisshaus in der Malmöer Straße gedreht. Ein weiterer Drehort war ein unrenoviertes Mietshaus in der Kopenhagener Straße 13. Und auch die Gleimstraße, damals noch Sackgasse Richtung Westen, gehört zur authentischen Filmkulisse.

Im Halbstarkenfilm „Berlin-Ecke Schönhauser“, 1957, hat Kohlhaase den Schauplatz komplett rund um den U-Bahnhof Schönhauser angesiedelt. Die Story um ein paar Jungs und ein Mädchen, die sich mit der Enge und dem Dogmatismus der Nachkriegs-DDR nicht abfinden wollen, wurde 1995 zu einem der 100 wichtigsten deutschen Filme aller Zeiten gewählt. Dabei war zur Entstehungszeit nicht klar, ob der Film überhaupt die DDR-Zensur überstehen und gezeigt werden durfte. Als die Erlaubnis endlich erteilt wurde, sahen ihn binnen kurzem 1,5 Millionen Zuschauer. Damit ist „Berlin-Ecke Schönhauser“ einer der erfolgreichsten DEFA-Filme. 

Und noch ein großartiger, erfolgreicher Film mit Prenzlauer-Berg-Kulisse stammt aus dem Stift von Wolfgang Kohlhaase. „Sommer vorm Balkon“ von 2005. Die Geschichte um zwei Freundinnen und deren Suche nach einem glücklichen Leben ist vor allem wegen einer Szene legendär. Dem gemeinsamen Abend auf dem Prenzlauer Berger Balkon – mit Blick auf die Apotheke am Helmholtzplatz.

-red-,  April 2019