FIRMENGESCHICHTE PRENZLAUER BERG (8)

Die Schokoladenfabrik Gustav Cyliax

„Wenn über Berlin düstere Nebel wehen, dann wissen wir: bei Bahlsen backen sie wieder Kekse!“, schwadronierte einst Kabarettist Wolfgang Neuss. Bahlsen ist aber noch immer der größte Süßwarenhersteller, der in Berlin produziert und mittlerweile fast der einzige Industriebetrieb dieser Art in der Stadt.

 

Das war mal anders. Die Schokoladenfabrik Sarotti wurde 1868 in der Mohrenstraße gegründet und übernahm von dieser Straße ihr Werbelogo, das heute „Sarotti Magier“ heißt und eine goldene Hautfarbe hat. Sie wurden 1998 von Stollwerck in Köln übernommen, die verkauften es 2002 an „Barre Callebaut“ und die an „Barronie“. Der Firmensitz ist nun in Belgien, produziert wird aber weiter in Berlin.

Die Firma Trumpf  produzierte ab 1921 in Berlin-Weißensee in der Gustav-Adolf-Straße hinter dem Hamburger Platz auf dem Gelände, wo heute das DGZ und die Kunsthochschule sind. Das Unternehmen gehört heute zur „Ludwig-Schokolade“, damit zur „Krüger-Gruppe“ und produziert unter anderem noch in Hohen Neuendorf nördlich Berlins. Die Weißenseer Fabrik wurde 1948, wie auch die Cyliax-Fabrik, enteignet, beides als „VEB Trumpf“ weitergeführt und die gingen 1954 in „VEB Elfe Berliner Schokoladenfabrik“ auf. Dieser Betrieb wurde zu einem der drittgrößten Schokoladen- und Süßwarenhersteller in der DDR. In Weißensee produzierte man bis 1991. Eine weitere ehemalige Fabrik von Trumpf in Saalfeld wurde zu „Rotstern“. Unter dem Label von „Zetti“, in dem „Rotstern in den 90er-Jahren aufgegangen ist, hat mit der „Schlager Süßtafel“ sogar ein ehemaliges DDR-Produkt bis heute überlebt.

Meine Urgroßmutter hatte ab 1920 einen Süßwarenladen in der heutigen Konrad-Wolf-Straße 72, in dem sie Schokoladen von Cyliax, Trumpf und Sarotti und der in Sichtweite stehenden Zuckerwarenfabrik Georg Lempke verkaufte und Weihnachtsmänner und Osterhasen in Manufakturarbeit aus Rohschokolade von Cyliax und Sarotti selbst herstellte. Den Laden schloss sie 1962, weil sie zu diesem Zeitpunkt schon 63 Jahre alt war.

Gustav Cyliax Berlin Prenzlauer Berg
Durchfahrt zum Gewerbehof in der Schwedter Straße 35-37- diese Industrie- gebäude haben zur Schokoladenfabrik gehört, Foto: rg

Gustav Cyliax meldete am 15.10.1892 seine „Chocoladen- und Confitürenfabrik“ beim Handelsregister an. Damit war er schon so groß, dass er seinen kleinen, handwerklichen Manufakturbetrieb auf industrielle Produktion umstellen musste. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Deutschen Kaiserreich bereits 68 Fabriken, die dieses Marktsegment unter sich aufgeteilt hatten, darunter bekannte Firmen wie Fresöni, Th. Hildebrand, Kranzler, Lindt & Sprüngli, Sarotti, Sawade, Gebr. Stollwerck, Suchard und Trumpf.

Durch die Entdeckung des hohen Zuckergehalts der Runkelrübe, deren Selektion ab 1801 und Napoleons Kontinentalsperre 1807 bis 1813, was zu einem Wegfall des Rohrzuckers führte und die Verbreitung der Zuckerrübe begünstigte, war ab 1850 Zucker so billig geworden, dass ihn sich auch ärmere Bevölkerungsschichten leisten konnten. Deutschland heute ist der weltweit viertgrößte Rübenzuckerproduzent.

Gustav Cyliax erwarb vom Bildhauer Sander Gebäude und Grundstück in der Kastanienallee 31, das er bis zur Schwedter Straße 35a erweiterte. Hier entstand eine moderne Fabrik mit einer breiten Angebotspalette. Nur fünf Jahre später, 1897, gab es Filialen in der Dresdener Straße 24, in der Kommandantenstraße 67, zwei in der Friedrichstraße (115 und 227) sowie in der Königstraße 12. Auf dem Höhepunkt besaß Cyliax 87 Filialen in Groß-Berlin und drei in Stettin. Die Geschäftsbeziehungen reichten bis Amerika. Nach dem Tod von Gustav Cyliax 1939 übernehmen Walter und Ewald Cyliax die Leitung. Während des 2. Weltkrieges lieferte man zu 95 Prozent der Produktion von Dauerbackwaren, Marmeladen und Nährmitteln an die Wehrmacht. Die Produktion teilte sich auf in Keks- und Lebkuchenbäckerei, Zuckerwaren, Früchte-, Marzipan-, Pralinen- und Einlagenherstellung, Waffelproduktion und Figuren-Formerei.

1948 wurde die Firma enteignet. Die Eigentümer verlegten ihren Firmensitz daraufhin in die Potsdamer Straße 98 im ehemaligen Bezirk Tiergarten und beschäftigten bald wieder 45 Mitarbeiter. Es gelang ihnen erneut ein kleines Filialnetz mit 6 Geschäften im Westteil Berlins aufzubauen. Die Cyliax ging 1973 in den Besitz der Firma Etzler über. (Quelle: Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv)

Was nun wiederum aus der einstigen Firma Etzler geworden ist, habe ich auch nach mehrtägiger Recherche im Netz nicht mehr herausfinden können.

Rolf Gänsrich, Jan. 2019

www.rolfgaensrich.wordpress.com