Zwischen Spielwiese und Architekturmuseum

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Teutoburger Platz
Stille Idylle am Teutoburger Platz.

Auf den Seiten „Kieze vorgestellt“ haben wir bisher vor allem aus der Vergangenheit des Prenzlauer Berg geplaudert. Informativ, ausführlich, unterhaltsam. Ab heute begeben wir uns auch auf zeitgenössische Spu­ren­suche in den Kiezen, schildern Entdeckungen des All­tags. Zum Auftakt: Der Teutoburger Platz.
 
Eigentlich sind die Samstagvormittage die schönsten in Prenzlauer Berg. Das beginnende Wochenende liegt schon in der Luft, die Alltagswoche ist noch nicht ganz zu Ende. Es sind die Stunden zwischen Ruhe und Bewegung. Die einen sind schon in Wochenend-Stimmung und bummeln durch die Straßen, den anderen haften die letzten Arbeitsstunden und Besorgungen an.
Samstagvormittag am Teutoburger Platz. Hier hat das Wochenende bereits begonnen. Es ist eine ungewohnte Stille, in der nur die Geräusche der Nachbarn zu hören sind. Am Teute gibt es keine Läden und schicken Shops, hierher verirren sich auch selten Touristen. Das macht ihn zu einem Kiez, in dem die Nachbarn in aller Ruhe einfach leben. Miteinander und ganz unspektakulär.
Der Teutoburger Platz war auch in der Vergangenheit ein Kiez, in dem das Prenzlauer-Berg-Leben, jene typische Mischung aus Arbeitern, Künstlern, Aussteigern, auf ganz unspektakuläre Weise blühte. Diese ruhige, selbstverständliche Art des Miteinanders hat er sich in die Gegenwart gerettet. Anders als sein Nachbar, der Kollwitzplatz, dessen Ökomarkt am Samstagvormittag Bewohner, Berliner und Touristen bevölkern. Sie füllen die Straßen und Sitzbänke, die Restaurants und Cafes. Am Teutoburger Platz sitzt ein einzelner Mann in Badeschlappen vor dem noch geschlossenen „Cafe am Teutoburger Platz“, liest Zeitung und genießt die Spätsommersonne.
Vielleicht liegt diese Ruhe an der territorialen Rander­schei­nung des Platzes: In Sicht­wei­te, die Christinenstraße den Berg herunter, verläuft die Torstraße, dahinter steht die Volksbühne. Die Chris­tinen­straße selbst ist in ihrer Zugehörigkeit zweigeteilt: Die südlichen Häuser liegen bereits im Bezirk Mitte. Ein „Grenz­gebiet“ also, verwaltungspolitisch und kulturell.

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Teutoburger Platz
Das Platzhaus ist ein Treff der Nachbarschaft, betrieben von der Anwohnerinitiative „Leute am Teute“.

Der Teutoburger Platz ist ein urwüchsiger Platz mit kleinen Hügeln und Sitzgruppen, mit Wiesen und Spielflächen. Ein schönes, alternatives Grün – eines der idyllischeren in Prenzlauer Berg. Vor dem Platz­­haus sitzen sie zum Kaffeplausch und Picknick, während die Kinder sich auf den Spielflächen austoben. Samstagvormittag-Idylle, bis am Nachmittag der größere Ansturm kommt.
Um Platzhaus und Platz kümmern sich die „Leute am Teute“, eine Anwohnerinitiative, die  auf 20jährige Geschichte zurückblickt. Sie haben den Platz zu dem gemacht, der er ist: Ein Ort der Begegnung und des Abenteuers. „Hier gibt es Raum für Kinder, Eltern, Jugendliche, Rentner, Liebespaare, Obdachlose und Alkoholiker, Bas­ket­ball- und Tischtennisspieler“, so das Postulat der Initiative (www.leute-am-teute.de).
Es ist eine gewachsene Nach­bar­schaft. An der südlichen Stirn­seite haben Begegnung und Kom­mu­ni­kation der Menschen im Kiez einen weiteren Ort. Das Nach­bar­schaftshaus vereint Initiativen ganz unterschiedlicher Art und Generationen. In der Ökowerkstatt gibt es Vorträge und Kurse, die Theatergruppe 50plus trifft sich, ein Cafe lädt in den stillen Innenhof. An den Kreativkursen nehmen Kinder und Erwachsene teil (www.pfefferwerk.de).
In dem Haus Fehrbelliner Straße 92 hat auch der erste Berliner Leih­laden „Leila“ seinen Platz. In ihm kann man Gewöhnliches und Ungewöhnliches ausleihen – vom Apfelpfücker bis zum Schlitten, von der Bohrmaschine bis zum Zelt. Der Laden praktiziert Sharing als ökonomisches und nachhaltiges Lebens-Konzept, er lädt auch zu Info-Veranstaltungen über sinnvolle Ressourcen-Nutzung (www.leila-berlin.de).
Der Teutoburger Platz ist ein Ort, an dem nachbarschaftliches Leben und künstlerische Kreativität in enger Symbiose existieren. Die Ostseite des Platzes dominiert der „Pfefferberg“, jenes alte Brauerei-Areal, auf dem sich Galerien, Werkstätten, Ateliers und Museen angesiedelt haben. Die schöne alte Backstein-Architektur wird seit kurzem durch einen urbanen Beton- und Glasbau ergänzt, der sich harmonisch in das Ensemble fügt. Hier hat im Juni das Museum für Architekturzeichnung eröffnet.
Das Haus des Architekten Sergei Tchoban will ein Ort sein, der dem Architektennachwuchs in Zeiten digitaler Entwürfe die Kunst des Handzeichnens nahebringt. Es will auch die Öffentlichkeit für die Ästhetik planerischer Entwürfe vergangener Jahrhunderte begeistern. Tchoban stellt hier künftig in vier Ausstel­lun­gen jährlich Zeichnungen aus seiner privaten Sammlung und Leihgaben aus (www.tchoban-foundation.de).
Vis a vis dem neuen Bau, im Architekturforum „Aedes“ führt eine Ausstellung in die jüngere Ge­schich­te des Teutoburger Platzes. „18 Jahre Stadt­erneuerung“ schlägt den Bogen zurück ins Jahr 1994, als der Kiez um den Platz bis zur Kastanienallee und Oderberger Straße zum Sanierungsgebiet erklärt wurde. Die städtebaulichen, sozialen und kulturellen Veränderungen, die durch die finanzielle Förderung des Berliner Senats ermöglicht wurden, sind in Bildern und Texten dokumentiert (bis 17. Oktober, www.ancb.de).
Zurück auf dem Teutoburger Platz, lassen sich Wandel und Gewachsenes in der Realität erfahren: Ein alter brauner „Wart­burg“ steht startklar am Straßen­rand, eine historische Litfass-Säule plakatiert die aktuellen Konzerte und Straßen­feste. Und der zeitungslesende Mann vor dem geschlossenen Cafe genießt noch immer die Spätsommersonne.
✒ Katharina Fial (Sep 2013)