Annäherung an die „Marie“

Die „Marie“ entstand in den 90er Jahren nach dem Abriss des Rettungsamtes Ost-Berlins. Dort stand die Einsatzzentrale, von dort wurden alle nötigen Kräfte informiert, wenn sich von irgendwo in Ost-Berlin jemand über die damalige Notrufnummer 115 meldete. Wir erinnern uns, früher waren Feuerwehr mit der Nummer 112 und Arztnotruf über 115 getrennt.

Vor einiger Zeit, bei einem meiner Kiezspaziergänge durch die Oderberger Straße, entdeckten wir an der dortigen Feuerwache ein großes Schild mit der Aufschrift „nun auch bei Facebook“ und wir fragten uns darauf hin, ob man nun einen Notfall, ein Feuer, auch auf diesem Wege melden könne.

 

Die „Marie“, der Marienburger Platz, wurde nach dem Abriss dieses Rettungsamtes unter Einbeziehung der Anwohner und mithilfe der Entwicklungsgesellschaft „S.t.e.r.n.“ in den heutigen Zustand ge­bracht. Keine „schnuckeligen“ Lofts wurden gebaut, sondern die entstandene Brache zu einem großen Platz, zu einem lebendigen Lebens­mittelpunkt für Familien umgewandelt. Also fragen wir doch mal rum ...

Martin spreche ich zuerst an. Er sitzt mit seinen zwei Kindern friedlich in einer Ecke und isst Sushi. Er findet den ganzen Platz sehr schön, kennt und nutzt ihn schon lange. Dass sie sich heute hier aufhalten, hängt damit zusammen, dass er mit den Kindern soeben beim Zahnarzt war und da ist nun dieser Besuch und die Rast auf der „Marie“ so eine Art Belohnung für sie drei.

Auf dem Weg zum Abenteuer­spielplatz fallen mir drei Leute auf, die mitten auf dem Platz mit großen Unterlagen unter dem Arm, Arbeits­kladden und Schreibblock stehen und die über irgendetwas diskutieren. Bin neugierig und so frage ich sie, was sie denn da gerade machen.

Ja, bekomme ich zur Antwort, sie planen gerade eine „Papa-Party“ für den 15. September auf dem Platz, so mit Kinderspielen, kleinem Unterhaltungs-Programm und so weiter. Was genau kann man mir noch nicht verraten. 

Den durch Zäune abgetrennten Abenteuerspielplatz an der „Marie“ gibt es schon seit vierzehn Jahren. Er wurde von einer Bürgerinitiative und von ABM-Kräften angelegt. Die Verantwortlichen dort sind auskunftsfreudig und kompetent. Der Spielplatz ist sehr beliebt. Es gibt unter anderem eine Töpferwerkstatt, eine Kleintierzucht, einen Raum, in dem man Kickern kann. Auch eine Holzwerkstatt gibt es. Der große tönerne Backofen ist aber schon seit einiger Zeit nicht mehr in Betrieb. Wie lange, weiß man nicht zu sagen, ich weiß nur, dass er auch schon letztes Jahr nicht genutzt werden konnte und sich sein Erscheinungs­bild in dieser Zeit leider nicht verändert hat. Auch eine Schmiedewerkstatt gibt es.

Am Interessantesten finde ich aber, dass es zweimal pro Woche ein Lagerfeuer auf dem Platz gibt.

„Lagerfeuer und Stockbrot“ stehen jeden Mittwoch und jeden Freitag auf dem Plan. Ich frage, ob es denn da keinen Ärger mit der Feuerwehr gibt, aber ich bekomme zu hören, dass man dafür eine spezielle Genehmigung hat. Gerade diese Lagerfeuer würden die Menschen auf dem Platz zusammenbringen. Singles, Eltern mit kleinen Kindern genauso wie Kinder, die schon groß und selbstständig genug sind, hier allein her zu dürfen.

Das Areal mit den selbst gezimmerten Blockhütten ist dagegen gerade, so scheint es im Umbruch. Eine der Hütten ist instabil geworden und wird deshalb abgebaut. Das anfallende Holz wird recycelt und später von den Kindern zu neuen Hütten verarbeitet. 

Träger des ganzen Spielparadieses ist der Bezirk.

Nun suche ich das „Gartenhaus“. In meiner Vor­stellung ist ein „Gartenhaus“ ein überwiegend aus Holz gezimmertes, kleines Etwas mit großen Fenstern in der Art einer Loggia. Aber ich irre mich ja öfter mal im Leben. Das „Gartenhaus“ an der Marie ist aus rotem, märkischen Backstein, drei Etagen hoch und grenzt genau an die Schule in der Christburger Straße.

Zuerst will ich, der Mensch ist wohl von Natur aus faul, nur in die untere Etage. Aber dort ist die Chefin gerade nicht da, sie braucht noch zehn Minuten, aber ich soll mal nach oben in gehen, in den Hort in der dritten Etage. Dort ist, wegen der Hausauf­gaben­betreuung, immer jemand Kompetentes ansprechbar. Nach dem Aufstieg frage ich, ob sich ein eigenständiger Hort, der nicht direkt zur daneben liegenden Schule gehört, überhaupt trägt. Zum besseren Ver­ständnis, die Schule daneben hat ihren eigenen Hort und dann gibt’s in diesem „Gartenhaus“ noch diesen einen weiteren. Natürlich wird mit erklärt. Das Ganze hat wohl so etwas wie eine Mischfinanzierung aus freier Trägerschaft, Teilnehmergebühren und Bezirks­zuschüssen, erfahre ich. Täglich gibt es verschiedene Ange­bote für die Kids. Auch ein umfangreiches Veran­stal­tungsangebot während der Sommerferien ist aufgelegt, das im Internet zu finden oder direkt vor Ort zu erfragen ist. Erstaunlich finde ich das „Kinder­parlament“, das regelmäßig tagt und in dem alle Probleme und Belange des Hortes durch die Kinder und die Erwachsenen gemeinsam geklärt werden. Kein aufoktroyieren von Anweisungen, im Gegenteil haben in erster Linie die Kinder das Wort und die Verant­wortung, und diese entscheiden für sich immer wieder erstaunlich logisch.

Von dem Theater und dem Atelier in der obersten, vierten Etage und auch von den Band-Probenräumen im Keller erfahre ich bei der Gelegenheit gleich mit.

Nach dieser Informationsflut wieder runter in den Jugendclub, die Chefin Frau Albert ist da. Ja, ich verstehe, die „Presse“ unangekündigt, könne man da nicht mal vorher einen genauen Termin ...? Mensch, bin doch nur icke. Keine Gefahr, … bin nicht tollwütig und beiße nur ganz selten … Frau Albert berichtet:

„Der Träger der Einrichtung ist das „BA Pankow Abt. Jugend und Facility Management Fachdienst 1, allg. Förderung von jungen Menschen und Familien in Kooperation mit Netzwerk Spielkultur e.V.“! 

Die Angebote richten sich an Kinder und Jugendliche ab Klasse 5, die in ihrer Freizeit kreative Be­schäf­tigung suchen, die ihre Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Begegnung mit Gleichaltrigen im selbstbestimmten Umfeld entwickeln wollen. Täglich kommen 40 bis 60 Kinder und Jugendliche aus dem näheren und weiteren Umfeld.

Neben der offenen Kinder- und Jugendarbeit prägen unterschiedlichste Angebote, Kurse (z.B. Hip-Hop, Theater, Capoeira, Malerei, Graffiti) und Projektarbeit den Tagesablauf.“

Die Öffnungszeiten sind enorm! Montag bis Don­ners­tag, 13 bis 20 Uhr, Freitag, 13 bis 21 Uhr, 1 x monatlich Sonnabend, während der Ferien, 10 bis 18 Uhr. Infos unter www.gartenhaus-wins49.de

 

Rolf Gänsrich (Juli 2012)