HUMANNPLATZ

Der Heimelige

Rund um den Humannplatz triffst Du Menschen, die irgendwie etwas Besonderes haben – so eine Mischung aus Exaltiertheit, Gemeinsinn und einer Gelassenheit, die in Prenzlauer Berg eher selten ist. Woran liegt das? Am Namensgeber des Quartiers?

Bauingenieur, Architekt und Archäologe – was für eine Mischung. Kosmopolit, als es das Wort vermutlich noch nicht gab. Entdecker des Pergamonaltars, Abteilungsleiter der königlichen Museen in Berlin mit Wohnsitz im Orient. Die Biographie Carl Humanns (189 bis 1896) liest sich wie ein zeitgenössischer Abenteuerroman. Viele Jahre suchte Humann in der heutigen Türkei nach dem antiken Pergamonaltar, lange bemühte er sich um Grabgenehmigungen, setzte schließlich aus dem Trümmerfeld den Altar zusammen, dessen Marmorfries den Kampf der griechischen Götter mit ihren Giganten-Vorfahren zeigt. Als das antike Unikat 1879 erstmals in Berlin gezeigt wird, ist es eine Sensation und Humann schlagartig berühmt. Weitere Ausgrabungen folgen, Ehrungen und die Chef-Position. Nach seinem Tod, der sich in diesem Jahr zum 125. Mal jährt, erhält Humann eine Büste im Pergamonmuseum, in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wird der gerade fertiggestellte Platz nach ihm benannt.

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Im alten Toilettenhäuschen hat der Humannplatz ein Cafe. Foto: Schülerexpedition

VOM GEMÜSEGARTEN ZUM PARK

118 mal 152 Meter groß, von geraden Wegen durchzogen, mit einem Spielplatz in der Mitte, mit Sitzbänken. Ein typischer Stadtplatz im Kiez, dem es ansonsten eher an Grün mangelt. Deswegen wird er gut und gern genutzt – von den Kindern der angrenzenden Kitas und Schulen, von den Familien, die hier leben. Im Jahr 2011, vor zehn Jahren, erhielt der Platz eine umfassende Sanierung. Seine Grundgestalt wurde beibehalten – die geradlinige Wegeführung und die symmetrische Anordnung der Grün- und Wegeflächen, die Mittelfläche, die von einer Baumreihe gerahmt wird. 

Auch die Schulen und Kitas drumherum erhielten eine denkmalgerechte bzw. energetische Sanierung. Denn der Humannkiez ist architekturgeschichtlich gesehen, ein zweigeteilter Kiez. Umsäumt ist der Platz von den typischen kaiserzeitlichen Bauten. Stuckgeschmückte stolze Gebäude mit Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude. Nordöstlich liegen Blocks des Reformwohnungsbaus der 1920er und 1930er Jahre, mit großen grünen Innenhöfen. Diese Baublöcke stehen flächendeckend unter Denkmalschutz. Bis auf wenige Ausnahmen ist das Quartier zwischen Prenzlauer Allee und Schönhauser, Wichert- und Wisbyer Straße ein Wohngebiet und bietet ein weitgehend geschlossenes Ensemble.

In der Nachkriegszeit erlebte der Humannplatz übrigens ein kurzes Zwischenspiel für den Gemüseanbau. Wegen knapper Lebensmittel pflanzten die Einwohner:innen hier Kartoffeln und Co. an. Der auf den großen Stadtplaner James Hobrecht zurückgehenden Platzgestalt tat dies keinen Abbruch. 

Die Menschen vom Humankiez mögen ihren Platz auch heute, engagieren sich beispielsweise für neue Spielgeräte. Und auf der Gudvanger Straße, die den Platz westlich säumt, gibt es in der Draußen-Saison einmal monatlich eine Temporäre Spielstraße. Ins Leben gerufen von jenen gelassenen Menschen, die ihren Kiez zum Kiez mit umfangreicher Lebensqualität machen wollen.

 

KLEINER BRUDER IM NORDEN

Es gibt noch den kleinen Lewaldplatz, nördlich der Kuglerstraße. Seit 1962 ist er eine Parkanlage, vor einem Ärztehaus in einer ehemaligen Poliklinik. Drumherum haben sich Arztpraxen, eine Apotheke, ein Seniorenzentrum angesiedelt. Der Platz ist Treffpunkt für ältere Menschen wie für Kinder. Fünf Jahre nach dem Humannplatz erhielt auch der kleine Lewaldplatz, die zweite Grünfläche im Quartier, eine Sanierung, als „Kieztreffpunkt für Alle“, mit  Spiel- und Klettergeräten für verschiedene Altersstufen. An der Neugestaltung beteiligen sich die Anwohner:innen, es fließen auch Ideen der Schliemann-Schüler:innen ein. Im Unterricht bauen sie Modelle. In einem mehrjährigen Projekt begleiten die Kinder des Schliemann-Gymnasiums zudem die Sanierung des gesamten Quartiers, mit Schülerexpeditionen.

Neue Grünflächen, Büsche und Bäume bieten auch an sonnigen Tagen Schattenplätze. Ein begrünter Zaun soll Hunde abhalten. Auf Bänken sitzen gern die älteren Menschen. Eine bronzene Tierplastik, Wolf und Kranich, schmückt den Platz. Der Künstler Stefan Horota erschuf die Skulptur nach der Fabel von Aesops Wolf und Kranich.

 

CAFE IM TOILETTENHAUS

Der große Bruder Humannplatz, nur knapp 500 Meter entfernt, trägt an der Stahlheimer Straße eine Besonderheit. Ein schönes Cafe in einer einstigen Bedürfnisanstalt. Der Toilettenbau von Mitte der 1930er Jahre war bis Mitte der 1990er Jahre in Betrieb. Danach verfiel er. Vor sechs Jahren wurde das Häuschen komplett saniert – ist seitdem ein schöner Sonnenort und beliebter Treffpunkt.

Und die Menschen des Platzes, ihre Gelassenheit? Im „Frau Mittenmang“ sitzen abends wieder vergnügte Gäste. Das Lokal ist eine schöne Mischung aus Schrägheit und Exklusivität. Es gibt edle Speisen, der Wirt läuft schon gern mal im Bademantel herum. Beim Tanz in den Mai – einer schönen Institution aus einer längst vergangen geglaubten Zeit – begegnen sich Anwohner:innen und Gäste in fröhlicher Ausgelassenheit.

-red-