Unbekannte Ecken in Prenzlauer Berg (13)

Wie die Nummern an die Häuser kamen

Nachrichten Prenzlauer Berg Zeitung
Besonders anschaulich in der Gleimstraße

Ich möchte in dieser kleinen Reihe heute mal fortfahren mit einer Sache, mit der nicht mal der Berliner Ureinwohner klarzukommen scheint: mit den Hausnummerierungen.
Schon ab 1519 gab es vereinzelt Hausnummern in Deutschland (Augsburg), ab 1737 in Preußen. Man wollte damit, vor allem in Preußen, erreichen, dass sich Militärangehörige in neuen Orten besser zurechtfanden, sei es bei der Einquartierung oder bei der Infrastruktur. „Geh´n ´se mal zum Bauer Grams ...“, wurde eindeutiger mit dem Zusatz „in der Dorfstr 37!“ Die einfachste Art, die man in Berlin aber (hoffentlich) nicht mehr findet, war, in einem Runddorf, von der Kirche ausgehend alle Häuser durchzunummerieren. Jedes weitere gebaute neue Haus bekam eine neue Nummer, sodass dabei oft zwei aufeinanderfolgende Häuser an entgegengesetzten Seiten des Dorfes stehen konnten. Das ab 1737 eingesetzte, sogenannte „preußische System“ war Hufeisenförmig und ist in Berlin noch heute zu finden. Stadtauswärts rechts beginnt man mit der „1“, „2“ usw., kehrt dann am Straßenende wieder um und hat gegenüber der „1“ beispielsweise die Nr. „287“. Dieses System hatte den Nachteil, dass man Straßen nicht verlängern konnte. Verlängerte man eine Straße, so benannte man diese neuen Abschnitte oft um „Schönholzer Straße“ und „Neue Schönholzer Straße“. Diese Nummern begannen, wie gesagt, stadtauswärts rechts mit der „1“. Mit der Gründung von „Groß-Berlin“ per 1. Oktober 1920 gemeindete sich die Stadt ja viele Vororte ein, die alle ihre eigenen Hausnummerierungen hatten. Die Berliner Straße in Pankow beginnt an der Breite Straße mit Nr. „1“. Nach Berliner Str. 75 folgt die Schönhauser Allee 98, denn genau zwischen diesen beiden Häusern war mal die Stadtgrenze Berlins vor 1920. Die Schönhauser Allee beginnt an der Ecke Torstraße mit der Nr. „1“. Die Franzosen führten während ihrer Besetzung Preußens 1807 – 1815 ihre Art der Nummerierungen ein. Diese „Zickzack-Nummern“, eine Straßenseite die ungeraden – links mit der „1“ beginnend, die andere mit geraden Zahlen, rechts mit der „2“ beginnend, setzten sich ab 1927 dann auch für alle neuen Straßen durch, weil dieses System flexibel genug auch für Straßenverlängerungen war. Und jetzt kommt das Durcheinander! Wir haben auf den vielen, alten Hauptstraßen das preußische Hufeisensystem, auf neuen, auf mehrfach umbenannten und auf Nebenstraßen das französische „Zickzack-System“ und die 1920 eingemeindeten Vororte mit ihren eigenen Systemen. Darum ist es in Berlin so schwer, eine Hausnummer zu finden! Die Bernauer Straße beginnt an der Gartenstraße rechts mit „1“, ihre Verlängerung die Eberswalder beginnt an der Schwedter Straße rechts mit „1“ (beide Straßen nach dem preußischen System nummeriert), deren Verlängerung, die Danziger Straße beginnt an der Ecke Schönhauser Allee LINKS mit der „1“ (nach dem französischen System, weil die Danziger Straße mit deren Verlängerungen mehrfach umbenannt und verlängert wurde – so wurden aus Danziger und Elbinger Straße ab 1950 die Dimitroffstraße und diese dann zum 1. November 1995 komplett mit der ehemaligen Elbinger Straße zur Danziger Straße).
Rolf Gänsrich (Nov 2014)