FIRMENGESCHICHTE PRENZLAUER BERG (TEIL 13)

Güterbahnhof Greifswalder Straße

Nachdem wir in der Ausgabe August 2020 über den ehemaligen Güterbahnhof Eberswalder Straße berichteten, geht es diesmal mit einem noch existierenden Güterbahnhof auf dem Gebiet von Prenzlauer Berg weiter.

Entlang der Ringbahn gingen einst die einzelnen Güterbahnhöfe fast in einander über. Am Bahnhof Frankfurter Allee gab es den ersten reinen Containerbahnhof Ostberlins. Auf ihm lagerten ab 1984 die Oberleitungsmasten für die Elektrifizierung der Gütergleise, die dort Helikoptern angehängt wurden. 

Hinter der Greifswalder Straße stehen bis heute die Gebäude der ehemaligen Stückgutabfertigung für den Prenzlauer Berg, ein wiederum eigener Güterbahnhof. Dem schloss sich der Güterbahnhof der Städtischen Gasanstalt an. An der Stettiner- / Nordbahn, kurz vor der Behmbrücke, liegt ein Gelände der BSR. Heute überwiegend ein Recyclinghof, wurde etwa bis zum Mauerbau und dem damit verbundenen Bau der Ulbricht-Kurve der S-Bahn, deren Stromschiene man dort an die Gütergleise nagelte, auf diesen Gütergleisen Schüttgutwagen abgestellt, in die die BSR ihren in der Stadt eingesammelten Müll kippte. Nicht über den Ostring zu erreichen war der Güterbahnhof Eberswalder Straße.

Jeder dieser Güterbahnhöfe benötigte Dampflockinfrastruktur. Dampfloks können zwar rein theoretisch in beide Fahrtrichtungen gleich schnell fahren, aber bei der Rückwärtsfahrt hat der Lokführer dann die Bedienhebel im Nacken, er steht auf der falschen Fahrzeugseite (bei Dampfloks und deshalb auch bei den Vorkriegs-S-Bahnen, ist der Lokführer auf der rechten Seite des Führerstands, um mit seiner linken Hand dem Heizer nebenbei die Feuerbüchse beim Kohle schaufeln zu öffnen und mit der rechten Hand die Fahrthebel zu bedienen) und der Fahrtwind würde sich im Führerstand fangen. Deshalb gehörte idealerweise eine Drehscheibe zu einem Güterbahnhof, auf der die Loks umgedreht werden konnten.

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Am 21.10.2020 zieht eine V60 der einstigen Reichsbahn unter der Kniprodebrücke einen Güterzug in Richtung Landsberger Allee über den Ablaufberg. Foto: rg

Werks- und Anschlussbahnen fuhren oft mit Oberleitung oder verdieselt, wodurch man das etwa zwei Stunden dauernde Anheizen einer Dampflok sparte. Wo es auf keinen Fall Funkenflug geben darf, den hat man sowohl bei der Dampf- als auch bei der Diesellok und beim Stromabnehmer, setzt man bis heute zum Beispiel in Raffinerien, Gaswerken und Munitionsfabriken sogenannte Dampfspeicherloks ein.

Der Rollberg ist ein künstlich aufgeschütteter Hügel bei der Bahn. Über ihn werden komplett gekuppelte Züge gezogen. Hinter diesem Hügel werden die einzelnen Wagen von einem Rangiermeister voneinander abgekuppelt und der Zug mit weit unter Schrittgeschwindigkeit zurück über diesen Hügel geschoben. Dabei lösen sich die einzelnen Wagen und sie rollen durch ihr eigenes Gewicht, nur mithilfe des Beharrungsvermögens der eigenen Masse, langsam den Hügel herab. Im Stellwerk beobachtet man das und stellt die entsprechenden Weichen, sodass nun jeder der Wagen auf ein anderes Gleis geleitet werden kann.

Am heutigen Güterbahnhof mit seinem Betonwerk glaubt man, in Richtung Kniprodestraße Stumpfgleise zu haben. Dem ist aber nicht so. Dieser Rollberg befindet sich etwa 50 Meter hinter der Kniprodebrücke Richtung Landsberger Allee und ist als solcher kaum noch zu erkennen. Zwischen den S-Bahn-Gleisen befand sich eines der Stellwerke.

Die Eisenbahngesellschaft Potsdam, die den überwiegenden Teil des Güterverkehrs auf und zum Betonwerk übernimmt, kooperiert in Berlin in der Norddeutschen Eisenbahnfachschule, die sich in der Storkower Str. 132 befindet, mit der DB AG und bildet an diesem Standort Lokführer, aber auch Wagen- und Rangiermeister im Güterverkehr aus.

Rolf Gänsrich, November 2020