MENSCHEN IN PRENZLAUER BERG

Wasserfassen, Panzersperren und Zwangsumzug

Robert Frank, ein Urgestein aus dem Prenzlauer Berg, erinnert sich

PA: Robert, Du feierst bald Deinen 78. Geburtstag. Dein ganzes Leben – mit Ausnahme der Ausbildung zum Gärtner in Pommern – lebst Du in Prenzlauer Berg; seit 1942 bei Deiner Oma in der Heinrich-Roller-Straße. Deine ältesten Erinnerungen gehen zurück auf das Kriegsende 1945. Was fällt Dir ein?

Robert: „Wasser holen!“ In der Bötzow-Brauerei jenseits der Prenzlauer Allee ging um 6 Uhr der öffentliche Hydrant außer Betrieb. Aus allen Ecken strömten die Menschen dorthin. Mein Weg führte über den Friedhof, um Tieffliegern zu entgehen. Im Schutz der Friedhofsanlage war eine Einheit der Wehrmachtsartillerie stationiert mit Ausrichtung nach Weißensee. Sie schossen geschützt durch die Mietshäuser ihre Munition in Richtung der nahenden Front der Roten Armee. 

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Robert Frank, ein Urgestein aus Prenzlauer Berg

Na, und dann die Nazi-Blockwarte: Sie hetzten die Bewohner auf, in der Winsstraße eine Panzersperre durch das Aufhäufen von großen Pflastersteinen zu errichten. Damit sollte der Einmarsch der Roten Armee aufgehalten werden. Welch‘ eine Hybris! Die großen Magistralen Prenzlauer Allee und die Greifswalder Straße waren frei …

 

PA: Als 13-jähriger hast Du den Aufstand der Arbeiter am 17. Juni 1953 hautnah erlebt; was hast Du mitbekommen?

Robert: Eine Einheit der Roten Armee stationierte LKM mit Munition vor den Hausnummern 5 bis 11 der Heinrich-Roller-Straße auf der Seite des Friedhofes. Später befahl ein Kommandant die Räumung vor den Wohnhäusern.

Damit sollten die Menschen vor möglichen Explosionen geschützt werden. Die Straße wurde an beiden Enden gesperrt und Kontrollstellen errichtet. Ohne den Nachweis, dass man Anwohner ist, konnte keiner den Kiez verlassen!

 

PA: Fast Dein ganzes Leben hast Du in der Heinrich-Roller-Straße gelebt. Gibt es einen bestimmten Grund, dass Du seit Beginn der 1990er-Jahre in die Ella-Kay-Straße am Thälmannpark umgezogen bist?

Robert: Meine Wohnung wurde von der „Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg“ (WIP) verwaltet. Eine Frau aus Südwestdeutschland erwarb das Haus (Stichwort: „Rückgabe vor Entschädigung“) und begann mit der umfassenden Sanierung. Die WIP veranlasste die Kündigung aller Mietverträge und so wurden alle mehr oder weniger „zwangsumgesiedelt“.

Die kleine Wohnung in der Ella-Kay-Straße – dem „Wurmfortsatz“ der Winsstraße – wurde mir „zugewiesen“! Hier gefällt es mir sehr gut, das viele Grün, die ruhige Lage und der – noch – günstige Mietpreis machen mich zufrieden. Ich kann fußläufig meine Einkäufe erledigen, mich mit meinen Freunden und Bekannten treffen und habe die Tram vor der Tür. Das Wichtigste für mich: Ich lebe im Kiez und werde ihn – so Gott will – nicht verlassen.

 

PA: Lieber Robert, wir wünschen Dir eine gute Zeit, stabile Gesundheit und Spaß am Leben. Und bleibe so aktiv, wie Du bist! Wir sehen uns …

 

Text, Foto & Interview: Christian Robbe, Juli 2017