Für Musik-Kids und andere Kreative

Im Gewerbehof alte Königstadt in der Saarbrücker Straße blüht ein einzigartiger urbaner Mix. Eine Genossenschaft aus Kreativen, Handwerkern und Dienstleistern betreibt das ehemalige Brauereigelände. Ganz vorn, nicht zu übersehen und zu überhören: Das Jugendkulturzentrum.

Selbst am Sonntag wird hier gearbeitet. Deutliches Zeichen dafür, dass wir es hier mit Kreativen und Dienstleistern zu tun haben, für die die üblichen Montag- bis Freitag-Büro-Zeiten nicht gelten. Beim Veranstaltungsservice laden Männer Bänke und Paletten auf einen Kleintransporter. Fluchend, weil das Interieur nicht so leicht ins Auto passt. Auf dem Balkon einer Agentur macht einer mit Zigarette eine Kreativpause. Aus einer Werkstatt strömt der Geruch von Farbe in die Winterluft. Und aus dem Jugendklub sind Musik und Stimmen zu hören. Dazwischen: Menschen, die – den Blick nach oben in die großen Fenster gerichtet - den Sonntag zum Besichtigen des Areals nutzen. Touristen oder, vielleicht auch, Prenzlauer Berger, die diesen Kreativstandort nun für sich entdecken. Und auf dem weitläufigen Gelände spazieren gehen.

Die stille Brauerei

Die Brauerei alte Königstadt ist eine dieser neu erfundenen ehemaligen Brauereien, die für Prenzlauer Berg so typisch sind. Handwerk, Kunst, Dienstleistung und Handel haben sich da angesiedelt, wo einst Bier gebraut wurde. Anders als die über die Stadtteilgrenzen berühmte Kulturbrauerei – ein Club-, Theater- und Touristenort schlechthin – wirken die Arbeitenden an der Saarbrücker Straße eher im Verborgenen. Wenngleich sich hier die Produktionsfirma des Filmemachers Wim Wenders angesiedelt hat und in ihrem Dunstkreis zahlreiche weitere Unternehmen der Film- und Fernsehbranche. Und auch ganz andere – Werbeagenturen und Tischlereien; Kulissenbauer und Fahrradläden, Steuerberater und Elektriker.

Seit 2003 gehört das Gelände der Genossenschaft Gewerbehof Saarbrücker Straße, die sich bereits 1995 gründete. Die Mieterinnen und Mieter als Eigentümer haben die Entwicklung und Veränderungen in der Königsbrauerei selbst bestimmt. Sie haben einen Ort geschaffen, der sich mit seinem Mix aus Kunst und Produktion, Handel und Gewerbe mittendrin im urbanen Umfeld behauptet. Rund 50 Firmen siedeln auf dem denkmalgeschützten Gelände; auch Ateliers. Rund 500 Menschen arbeiten hier – ein mittelständisches Unternehmen, alles zusammengenommen.

Die Geschichte dieses Gewerbe-Mixes reicht nun schon fast 100 Jahre zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg veräußerte die damalige Brauerei einen Großteil des Geländes an Handwerk und Gewerbe. Das Brauen selbst war in den kargen Nachkriegsjahren unrentabel geworden. Bis dahin war die Brauerei Königstadt nicht nur eine florierende Brauerei mit selbstgemachtem Bier und einer Ausschankhalle mit 1.500 Sitzplätzen, sie war auch mit Kegelbahn und anderen Freizeitaktivitäten ein beliebter Treffpunkt der Proletarier und Kleinbürger des Quartiers.

Inspirierende Partnerschaft

Doch zurück in die Gegenwart: Biergeruch und Brauatmosphäre sind längst verschwunden. Was bleibt, ist das wunderbare Ensemble aus Backsteinen, das die Genossenschaft Schritt für Schritt saniert hat. Im Charme der Industriearchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Mit schönen kleinen Höfen und Sitz- und Aufenthaltsnischen zwischen den insgesamt fünf Gebäudeteilen, mit Fahrradständern, selbstgeschweißten Stühlen; Pflanzkübeln und -wannen. Kunst und Produktion sind hier, so scheint es, eine funktionierende, inspirierende Partnerschaft eingegangen. 

Vorn, rechts am Haupteingang, tönt Musik aus dem Jugendklub, der mit exaktem Titel „Jugendkulturzentrum Königstadt“ heißt. Vielerlei Musik. Hier proben Bands, während andere Musik hören und chillen. Der Jugendklub ist eine Anlaufstelle für die Kids des Quartiers, vor allem für die, die gern Musik mögen – selbst machen oder eben zuhören. Wenige Meter Luftlinie entfernt, gibt es im „Roadrunners Rock & Motor Club“ der Königstadt Konzerte für erwachsene Rockfans – in- und outdoor. Das Partyzelt vor dem Eingang indes wartet auf die wärmere Jahreszeit, ebenso wie die Fans des Roadrunner-Paradieses, damit sie sich wieder auf ihre Motorräder schwingen können.

Das Winterwetter macht den Kids im Klub wenig aus. Neben Bandproben und Tonstudios können sie sich auch anderweitig schöpferisch betätigen: Im Theater oder im Tanzklub; beim Bauen oder Schmuckgestalten. Eines der jüngsten Projekte: Ein internationales und inklusives Tanzprojekt, made in der traditionsreichen Königstadt.

-red-, Feb. 2019