Auf zum letzten Streichkonzert?

Nachrichten Prenzlauer Berg Thälmannpark

Das neue Jahr hatte eigentlich recht gut angefangen. Natur­katas­trophen, wie ein eisiger und schneereicher Winter blieben bis jetzt aus; bei den öffentlichen Ver­kehrsmitteln ist bisher kein Chaos entstanden und doch reißen die Schrek­kens­meldungen die mit Kürzung von Finanzmitteln und Schließung kultureller Einrichtungen verbunden nicht ab. Bereits in der letzten Ausgabe berichteten wir von zahlreichen Klub-Schlie­ßun­gen, doch jetzt geht es, wie der Berliner so schön sagt, „an´s Einje­mach­te“. Wie immer betrifft es  Einsparungen; fünf Millionen Euro sind es, die der Bezirk im kommenden Haushalt einsparen muss. 1,5 Millionen davon entfallen auf das Ressort des Kulturstadtrates Dr. Torsten Kühne (CDU), zu dem neben dem Kultur­bereich, das Bürgeramt, das Ordnungs­amt und der Bereich Verbraucherschutz und Umwelt gehören. Letztgenannte Bereiche erfüllen laut Kühne gesetzliche Pflichtaufgaben und sind deshalb von Sparzwängen ausgeschlossen. Lediglich bei der Kultur, die als „freiwillige Leis­tung“ gelte, seien deshalb Kürzungen möglich. Und die wären drastisch, würden die Pläne des Kulturstadtrates Rea­li­tät werden. Auf der angedachten Streich­liste stehen ein Standort der Musikschule in Buch und die dortige Stadtteilbibliothek, das Kulturzentrum am Thälmann Park, darin eingeschlossen der Club WABE und das „Theater unterm Dach“, das Museum Heymstraße, die Galerie Pankow, sowie die ehrenamtlich betriebene Kurt-Tucholsky-Bibliothek im Bötzowviertel. Auch die Volkshochschule Pankow soll beim Sparen helfen. Künf­tig werden weniger Kurse „Deutsch als Fremd­sprache“ angeboten, das spart Ho­no­rarkosten für Do­zenten ein. 

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In verschiedenen Sprachen sprechen aber scheinbar auch zuständige Politiker vom Senat und auf Bezirks­ebe­ne: In einer Presse­mit­teilung vom 18. Januar beschwört der Kulturstaats­sekre­tär André Schmitz den Bezirk Pankow, keinen Raubbau an der Kultur zu betreiben und von den geplanten Schlie­ßungen Ab­stand zu nehmen: „Kunst und Kultur prägen das Image Berlins und die Le­bensqualität der Bürgerinnen und Bür­ger. Das gilt erst recht in einem traditionell von Kultur geprägten Bezirk wie Pankow“, so Schmitz. Darüber kann der Bezirksbürgermeister von Pankow Matt­hias Köhne (SPD) nur lachen. Erst weigert sich der Senat den Bezirken mehr Geld zu geben und dann werden wir kritisiert, wenn wir daraufhin kürzen müssen.

Im Dezember 2011 wurden vom Senat „überraschend“ 50 Millionen Euro für die ausgebluteten Bezirke bewilligt, nachdem die 12 Bezirksbürgermeister schon seit langem zusätzliche Zahlungen von 112 Millionen Euro gefordert hatten, um einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen zu können. Für die laufende Haus­haltsplanung fehle jetzt dieser Diffe­renz­betrag von 62 Millionen Euro. Und so ist auch Köhnes Forderung zu verstehen, dass der Senat entweder Gelder bereitstellen, oder sich ruhig verhalten soll, wenn es um entsprechende Kür­zun­gen geht. Seinem Kulturstadtrat Kühne wirft er vor, dass der sich vorher mit dem Bürgermeister hätte absprechen sollen. Auch damit er erfährt, ob das Bezirksamt seine Streichpläne überhaupt billigt.

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Was bleibt ist das über vielen Kultur­einrichtungen schwebende Damokles­schwert einer Einsparung von über einer Million Euro im Kulturbereich. Doch dagegen regt sich Widerstand. In einem Café am Arkonaplatz treffe ich mich mit Daniela Billig von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Pankow. Sie kritisiert den Kulturstadtrat, der eher mit einer Holzhammermethode vorgeht, als Krea­tivität im Umgang mit den Pro­blemen zu zeigen. Es gebe keine Daten, was wirklich eingespart würde, denn Musikschule und Volkshochschule bringen schließlich auch Einnahmen. Die Defizite seien im Amt entstanden und nicht die Kultur sei daran Schuld. Wichtig ist es, nach Lösungen zu suchen, wie Kultur erhalten werden kann. Und bei all den Überlegungen muss die Effektivität von Maß­nahmen im Vordergrund stehen. Die Bündnisgrünen seien bereit „im Bereich der Bürodienstgebäude für die BVV und das Bezirksamt schmerzhafte Entschei­dungen mitzutragen, um die bezirklichen Angebote z.B. im Bereich Kultur, Soziales oder Jugend zu erhalten ...“, so mitgeteilt in einer Presseerklärung vom 19. Januar. Um eine solche notwendige Umstrukturierung durchzusetzen sei allerdings die Aufstockung der Senats­gelder auf 111 Millionen Euro ein absolutes Minimum. Von der Idee der Linken, keinen Haushalt zu verabschieden, hält Daniela Billig wenig. Dann gäbe es vorerst gar kein Geld und viele Einrich­tungen müssten schließen.

Um Defizite in Zukunft zu verhindern ist eine Umstrukturierung des Amtes dringend nötig. Bei der Aufstellung des letzten Doppelhaushaltes versprach der frühere Stadtrat für Kultur, Dr. Michail Nelken (Die LINKE), das Defizit abzubauen, wenn noch zusätzliches Geld in die Bezirkskasse kommen sollte. Es kam noch ein „Nachschlag“ von etwa einer Million, doch das Defizit blieb. So sind auch die Probleme mit dem baulichen Zustand der WABE und den benachbarten Gebäuden mit Galerie und Theater seit langem bekannt. Was kann hier „effektiv“ gemacht werden? Schließen – abreißen – verkaufen an einen Groß­in­vestor? Das wäre dann wirklich ein Platt­machen der Kultur. Humor ist, wenn man´s trotzdem macht: In der WABE sind für den Februar 11 Veranstaltungen geplant, darunter das schon traditionelle Festival „Musik und Politik“ - Woody Guthrie 100, mit Gästen aus den USA, am letzten Februarwochenende.

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Ortswechsel. Kurt-Tucholsky-Bibliothek Esmarchstraße. Barbara Wittwer, vom Vorstand des Vereins Pro Kiez Bötzow­viertel e.V. gehört zu den 30 Ehren­amtlichen die diese Bibliothek (noch) am Leben erhalten. Bereits vor vier Jahren sollte sie geschlossen werden, was durch massiven Widerstand verhindert wurde. Bis zur Wiederbesetzung mit hauptamtlichen Bibliothekaren, was bisher nicht erfolgte, wird sie ehrenamtlich betrieben. Personalkosten null an diesem Standort und ein mickriger Medien­etat von 5000 Euro pro Jahr. Im letzten Jahr gab es 66.000 Ausleihen, zu 2010 eine Steigerung um 30%. Über 23.000 Be­­sucher kamen (16% Steigerung zu 2010) und was sehr wichtig für das kinderfreundliche Umfeld des Viertels ist: Im Rahmen der Leseförderung für Schulen und Kitas außerhalb der Öffnungszeiten wurden 1.110 Kinder betreut (47% mehr als 2010). Das könnte als eine äußerst effektive Arbeit gelten. Könnte! Denn dieser Standort soll geschlossen werden. Doch die Gegenwehr ist wieder einmal erwacht. Unterschrifts­listen liegen aus, Kinder malten ihre Proteste wegen der Schließung auf ausgestellte Blätter. Den „ersten Schwung“ schriftlicher Proteste bekommt der Pankower Kulturstadtrat Dr. Torsten Kühne am 2. Februar in der Bibliothek über­reicht. Er ist zu einer Diskussions­veranstaltung über seine Einspar­vor­schläge für den Kulturhaushalt 2012 / 13 eingeladen. Es wird voll werden in den Räumen der Bibliothek.

D.B. (Feb 2012)

Der Bezirksstadtrat für Verbraucher­schutz, Kultur, Umwelt und Bürger­service, Dr. Torsten Kühne (CDU), führt seine nächste Bürgersprechstunde am Mo., dem 20. Februar von 15 – 17 Uhr, in der Bettina-von-Arnim-Bibliothek, Schönhauser Allee 75, durch. Um Anmeldung wird gebeten 

unter Tel.:  90295 6301