FIRMENGESCHICHTE PRENZLAUER BERG (6)

Der Güterbahnhof Greifswalder Straße

Na zumindest hat der S-Bahnhof eine eigene Homepage. Das ist ja schon sehr wichtig heute, bemerkte ich gegenüber Bea, als ich mich an die Recherche zu diesem Bahnhof machte. 

Vielmehr findet man jedoch nicht.

 

Der Personenbahnhof der Ringbahn wurde am 1. Februar 1875 westlich der Greifswalder Straße eröffnet. Es ist zu vermuten, dass der quasi daneben liegende Güterbahnhof im gleichen Zeitraum eröffnet wurde und in direktem Zusammenhang mit dem 1873 eröffneten Gaswerk stand. Hieß der Personenbahnhof von seiner Eröffnung an „Weißensee“, wurde er am 1. Oktober 1946 in Greifswalder Straße umbenannt.

Es folgte eine weitere Umbenennung am 15. April 1986 in „Ernst-Thälmann-Park“ und am 23. Mai 1993 wieder zurück in „Greifswalder Straße“. Der daneben liegende Güterbahnhof heißt seit seiner Eröffnung „Greifswalder Straße“. Und so wie er seinen Namen änderte, so wanderte auch der Personenbahnhof. Der Bahnhof hatte ursprünglich nur einen Außenbahnsteig, der in seinen Abmessungen in etwa dem Parkplatz von „Aldi“ dort an jener Stelle entspricht. Vierzehn Jahre später, 1889/90, wurde der Bahnhof östlich der Greifswalder Straße mit einem Mittelbahnsteig neu eröffnet. Im Zuge seines Umbaus 1983 bis 1985 wanderte der Bahnhof erneut um ca. zehn Meter nach Osten, um der damals neu gebauten Bahnbrücke über die Greifswalder mehr Raum zu geben. Der S-Bahnhof ist heute einer von zwanzig sogenannten Stammbahnhöfen der Berliner S-Bahn, mit Fahrkartenverkauf und Aufsicht. Außerdem verfügt er über eine dreigleisige sogenannte Kehranlage, wo Züge abgestellt und ein- und ausgesetzt werden können (im letzten Falle >kehren< sie dann quasi um). Das Gebäude am Bahnhofsende beherbergte bis etwa zum Ende der Deutschen Reichsbahn 1993 eine Kantine, in der sich unter anderem Zugführer der S-Bahn nach Vorbestellung über Funk, einen Teller mit einer warmen Mahlzeit holen konnten. Das Stellwerk ganz am Ende der Kehranlage, es stand kurz vor der Kniprodestraßenbrücke, ist vor einigen Jahren abgerissen worden.

Zeitung Berlin Prenzlauer Berg Magazin
Einzig noch erhaltene Gebäude des Güterbahnhofs Greifswalder Straße, Foto: rg

Der Güterbahnhof hat dafür zwei Standorte und nur einer ist bisher geschlossen. Der westlich der Hauptstraße gelegene Teil, mit seinen ehemaligen Abfertigungsgebäuden und dem historischen Stellwerk steht seit einigen Jahren unter Denkmalschutz. Hinter dem eigentlichen Güterbahnhof hatte das Gaswerk seine eigenen Gütergleise, die sich bis zur Prenzlauer Allee zogen. Diese Gleise wurden sogar noch beim Abbruch des Gaswerks ab 1982 genutzt. Aus Sicherheitsgründen (Funkenflug) wurden auf dem Kraftwerksgelände sogenannte Dampfspeicherloks zum Rangieren der Waggons benutzt. Stückgutabfertigung muss es noch bis Ende der 80er-Jahre gegeben haben. Zumindest entsinne ich mich noch an Stückgutwagen der Deutschen Post, die dort standen und be- oder entladen wurden. Von diesem alten Güterbahnhof aus wurde auch die Ziegelei und Schreinerei auf dem Helmholtzplatz, per umladen in eine Feldbahn, beliefert. Die Deutsche Bahn entfernte vor etwa zehn Jahren alle Gleise des Güterbahnhofs. Das Areal ist in der Folge als Bahnhofsgelände vor einigen Jahren von einem Investor erworben worden, der dort Wohnungen bauen möchte. Die historischen Güterabfertigungsgebäude muss er allerdings erhalten.

 

Die Stromschiene für den Vorortpersonenverkehr, der ab 1928 oder 1930 „S-Bahn“ hieß, wurde am 1. Februar 1929 in Betrieb genommen. Die Masten der Oberleitung für den Güter- und Fernverkehr wurden 1984 per Helikopter gesetzt. Sie wurden per Stahlseil an ihrem Lagerort, dem damaligen Containerbahnhof Frankfurter Allee, an die Hubschrauber geklinkt und dann an die entsprechenden Stellen geflogen, wo bereits Montageteams am Boden warteten. Der Fahrdraht wurde normal vom Gleis aus verlegt. 

Der östliche Teil des Güterbahnhofs wird noch heute, unter anderem von Brennstoffhändlern, von Lichtner-Dyckerhoff Beton (Baustoffhändler), RIA Systemservice GmbH, Centro Italia (Supermercato & Bistro), BARLU Lebensmittelgroßhandel, u. a. Fisch & Fleisch zu Großhandelspreisen und dem Rollerdealer Prenzl'berg (Motorrollerhändler & Werkstatt) genutzt.

Wie ich aus gut informierten Kreisen weiß, möchte die Landes- und Bezirkspolitik diesen Güterbahnhof auch in den nächsten Jahrzehnten aus ökologischen Gründen erhalten, kommen so doch Baustoffe auch weiterhin per Schiene und nicht nur per Lkw in die Stadt.

Rolf Gänsrich, Mai 2018

www.rolfgaensrich.wordpress.com